1 Ihr Baby kann noch nichts? O doch!
Ihr Baby liegt im Bettchen und schläft. Trotzdem nimmt sein Gehirn schon sämtliche Eindrücke um sich herum auf und speichert sie – es lernt im Schlaf. Das ist eine wichtige Grundlage für jede weitere Entwicklung.
Sie sind zu Hause angekommen. Schon seit vielen Wochen haben Sie sich auf diesen Moment gefreut und alles für Ihr Baby vorbereitet. Sie haben eine Meisterleistung an Organisation und Planung bewältigt. Von vielen Seiten haben Sie gehört, wie das Leben mit einem Baby sein wird: An Ratschlägen und Empfehlungen mangelt es nicht. Sie spüren dennoch, dass Ihre Intuition, Ihr Bauchgefühl überwiegt. Und genau so soll es sein. Angst, Unsicherheit oder schlechtes Gewissen sind absolut fehl am Platz, denn für das Behüten und Begleiten eines Kindes hat die Natur Eltern mit allen nötigen Fähigkeiten ausgestattet, ihr Baby zu beschützen, es zu leiten und es lebenstüchtig zu machen. Vertrauen Sie ruhig diesem elementaren Können. Es wird Ihnen Sicherheit und Stärke verleihen.
Umgekehrt können Sie aber auch Ihrem gesunden Baby vertrauen. So klein, wie es ist, zeigt es Ihnen schon jetzt, was es alles »kann«. Es schläft 16 bis 18 Stunden am Tag, aber natürlich nicht durch. Im Abstand von 3 bis 4 Stunden wird es wach. Dann signalisiert es, dass es trinken möchte, eine frische Windel braucht oder liebkost werden möchte. Es blinzelt, gähnt und gibt undefinierbare Laute wie Schmatzen, schnorchelnde Geräusche oder Gurgeln von sich. Es verzieht seinen kleinen Mund wie zu einem Lächeln und verzaubert Sie damit.
In einem Versuch zeigen drei Tage alte Babys, dass sie das geduldige Öffnen und Schließen des Mundes der Mutter, dicht vor ihrem Gesicht, nach einer Weile nachmachen. Probieren Sie das doch einmal aus. Sie können schon miteinander kommunizieren.
Babys kleiner Körper kommt schon jetzt in Bewegung: Es räkelt, dehnt und biegt sich, die Ärmchen rudern herum. Manchmal rollt es sogar mit Schwung auf eine Seite und verändert seine Lage. Noch geschieht das nicht gewollt, sondern wird von Reflexen gesteuert, die sich in den nächsten Monaten abbauen werden. Jetzt sind sie jedoch ein gutes Zeichen von gesunden Reaktionen.
Sie merken: Ihr Baby kann schon ganz schön viel. Und all diese Aktivitäten sind Anzeichen für den Start in eine gute Entwicklung.
Die weniger gute Nachricht ist, dass Ihr Baby manchmal auch bis zu drei Stunden am Tag schreien kann, und das am intensivsten abends. Aber auch das ist ganz normal. Babys haben noch nicht die Möglichkeit, ihre Beschwerden und Unpässlichkeiten in Worte zu fassen. Sie müssen große Umstellungen verarbeiten und werden permanent mit neuen, ungewöhnlichen Reizen bombardiert. Schreien ist die einzige Ausdrucksform, mit der sie auf sich aufmerksam machen, Bedürfnisse mitteilen oder einfach nur Anspannung abbauen können.
1.1 Ihr Baby kann noch viel mehr!
Ab jetzt sammelt Ihr Baby jeden Eindruck und jeden Einfluss aus seiner Umgebung und verknüpft die erhaltenen Informationen miteinander. In den ersten drei Lebensmonaten lernt Ihr Baby mehr als ein Student in vier Jahren, und in den ersten zwei Lebensjahren wächst das Gehirn so schnell wie nie wieder im ganzen Leben. Mit fünf Jahren werden 100 Milliarden Hirnzellen durch 1 Billiarde Synapsen miteinander verknüpft sein. Und das Tolle ist, dass dies von ganz allein geschieht. Sie brauchen nichts Besonderes zu tun, Ihr Baby kann gar nicht anders, als ununterbrochen zu lernen, zu verarbeiten und daraus neue Verknüpfungen im Gehirn zu erzeugen. Ihr Kind nimmt also alles wahr, was es erlebt und erspürt, und speichert die Erfahrung in seinem Gehirn ab. Jeder Handgriff, jede intuitive Berührung, jedes Wort und jeder Blick werden von ihm geradezu aufgesogen und programmiert sein Gehirn dauerhaft.
Machen Sie sich einmal klar, was im Alltag ganz automatisch alles geschieht: Da sind Geräusche, Bewegungen und Lichteinflüsse aus der Umgebung. Alltägliche Abläufe, die immer wiederholt werden, wie Füttern, Wickeln, Pflegen, Schmusen und Liebkosen, geben Ihrem Baby die Aufmerksamkeit, die es braucht. Ihr Kind nimmt alles wahr und speichert jeden noch so kleinen Eindruck ab. In den vielen nahen Momenten spürt es Ihre Wärme und Ihre Berührungen. Ihre Stimme ist schon vor der Geburt unverwechselbar registriert. Aber das Gesicht der Mama, ihr Duft, der Geschmack der Muttermilch sind alles neue Eindrücke, die in jedem Moment Millionen Gehirnzellen miteinander vernetzen.
1.2 Bindung und Urvertrauen bauen sich auf
Um Ihrem Baby eine gute körperliche Entwicklung zu ermöglichen, müssen Sie weder Kurse besuchen, noch Medizin oder Psychologie studieren. Vielleicht denken Sie: »Ich muss dem Baby etwas bieten, sonst langweilt es sich doch.« Hier kann ich Ihnen versichern: Ihr Baby braucht nichts außer dem »normalen Leben« – und natürlich Ihrer Liebe. Im Alltag steckt eine enorme Vielfalt mit einem unbegrenzten Angebot von Anregungen.
1.2.1 Alles entsteht im Gehirn
Durch diese Anregungen von außen entwickelt sich Ihr Kind und reift heran. Die einzelnen Gehirnzellen verbinden sich miteinander und Eindrücke werden vernetzt; das Gehirn wächst also durch eine zunehmende Wechselwirkung. Zum Glück ist das Gehirn von Anfang an schon schlau. Denn damit es nicht überfordert wird und die ständig einwirkenden neuen Erlebnisse auch in Ruhe verarbeiten kann, braucht es seine 16 bis 18 Stunden Schlaf.
1.2.1.1 Nicht zu viel auf einmal
Die zahlreichen visuellen Eindrücke überfordern Babys besonders schnell. Diese werden aber intelligent dosiert, weil das Sehen in den ersten Lebenswochen nur über kleine Distanzen funktioniert. Ganz zu Anfang sieht Ihr Baby nur auf 30 Zentimeter scharf und konzentriert sich besonders auf runde Formen. Sie können sich freuen: Es ist nämlich Ihr Gesicht, das sich als Erstes einprägt. Daran orientiert sich Ihr Kind, beruhigt sich, erfreut sich. Alles ist gut, wenn es Sie sieht. Es baut die Beziehung zu Ihnen auf.
Die Erweiterung seines Blickfeldes geschieht nach und nach, je nachdem wie bereit das Gehirn ist, neue Eindrücke auch zu verarbeiten. Je einfacher die angebotenen Eindrücke und je natürlicher die Farben aus der Umgebung sind, desto besser und entspannter kann Babys Gehirn reifen. Zu bunte und schrille Angebote in seiner Nähe könnten dieses natürliche, ursprüngliche Lernen stören und verfälschen. Die Wissenschaft weiß, dass die Qualität des Lernens in der frühen Kindheit einen absoluten Einfluss auf die Lernfähigkeit im weiteren Leben hat. Man forscht auch an dem Zusammenhang der frühkindlichen Entwicklung mit der Denk- und Lernfähigkeit im Alter. Geben Sie Ihrem Baby getrost viel Zeit für den Erwerb aller Fähigkeiten. Das Leben ist so lang. Es gibt keinen Grund, das Lernen für das ganze Leben zu beschleunigen. Inzwischen raten nicht nur Entwicklungsexperten zur »Entschleunigung«.
1.2.1.2 Motorische Entwicklung = Bewegungsprogramm
Das schlaue Gehirn hat noch etwas im Angebot, nämlich das Bewegungsprogramm. Das ruft Ihr Kind im Laufe der Entwicklung in einem individuellen, maßgeschneiderten Tempo, ab. Je länger es sich mit jeder Vorstufe vom Liegen bis zum Laufen beschäftigt, umso stabiler und sicherer werden seine Bewegungsabläufe sein. Auch hier gilt: Es ist gut, wenn Ihr Kind sich Zeit lässt. Sie werden fasziniert sein, wie Ihr Baby Ihnen fast jeden Tag neues Können präsentiert. Es macht Ihnen ständig neue Angebote. Achten Sie bewusst drauf – Sie werden überrascht sein.
Als Erstes lernt das Baby seine Mama kennen. Schon bald macht es ihre Mundbewegungen nach.
1.3 Der Weg ist das Ziel
Ohne Ihr Zutun entdeckt Ihr Baby jede Entwicklungsphase ganz alleine. Es entscheidet selbst ganz intuitiv, wie lange es für die jeweilige Entwicklungsstufe braucht. Hat es die eine geschafft und in seinem Gehirn verankert, dann macht es sich an die nächste. Das Vorhandensein, die Reihenfolge und die Qualität jeder Vorstufe sind Maßstab für eine Beurteilung der motorischen Entwicklung.
Seien Sie deshalb nicht beunruhigt, falls seine Fähigkeiten vielleicht noch nicht zu seinem Alter passen. Wenn Sie feststellen, dass Ihr Kind die Vorstufe zum nächsten Entwicklungsschritt, den Sie sehnsüchtig herbeiwünschen, wunderbar zeigt, dann können Sie fast sicher sein, dass die nächste Stufe nicht mehr lange auf sich warten lassen wird.
Wenn Sie aber merken, dass Ihr Baby keine Anstalten unternimmt, überhaupt in Bewegung zu kommen, wenn es in einer Vorstufe verhaftet bleibt oder eine Vorstufe partout nicht durchlaufen will, sprechen Sie mit Ihrem Kinderarzt darüber. Er kann beurteilen, welche Schritte eingeleitet werden sollten.
1.3.1 Mit allen Sinnen dabei
Die Informationen, die das Gehirn Ihres Babys für die motorische Entwicklung benötigt,...