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E-Book

Vom artgerechten Umgang mit Hausmenschen

Ein Handbuch für Katzen

AutorIsabella Renitente
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl168 Seiten
ISBN9783741232480
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis18,99 EUR
Was Katzen schon immer über ihren Hausmenschen wissen wollten, aber nicht zu fragen wagten. Wo kommt er eigentlich her, der domestizierte Mensch? Welche Gewohnheiten hat er? Und wie geht die Katze, die sich einen Menschen hält, damit um? Im Rahmen eines wissenschaftlichen Projekts der tierärztlichen Hochschule Kaltenweide - Fakultät für interdisziplinäre Humanveterinärsoziophilologie - haben Studien über die Entwicklung des Wildmenschen, homo preferox, zum neuzeitlichen Hausmenschen, domo domesticus, stattgefunden, an denen Sir Henry Veneziano Runtervondertastatur, Senior Counsel Inhouse Assistant in einer lebhaften niedersächsischen Anwaltskanzlei, und seine Gefährtin Lady Amelie Rednose Zicke Stinkestiefel, eine geborene Gukamien, maßgebend mitgewirkt haben. Gegenstand der Untersuchungen waren Herkunft, Entwicklung und Gewohnheiten des domestizierten Menschen. Aus dem umfangreichen Material, das die Wissenschaftler in jahrelanger Forschungsarbeit zusammen getragen haben, ist das vorliegende sati(e)rische Handbuch für Katzen entstanden.

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Leseprobe

Die Physionomie des Hausmenschen


Der Hausmensch Homo domesticus unterscheidet sich schon auf den ersten Blick deutlich von der Katze. Er verfügt nicht wie die meisten anderen Primaten über einen Greiffuß, sondern einen Fuß mit verkürzten Zehen und anliegender Großzehe. Die Arme sind etwas kürzer als die Beine. Und er hat keinen Schwanz.

Die Katze hat bekanntlich acht Beine: zwei vorne, zwei hinten, zwei rechts und zwei links. Der Hausmensch hingegen verfügt nur über ein Paar Beine, also insgesamt zwei. Das Gehen ist für ihn daher vergleichsweise mühsam. Wenn man ihn anrempelt, verliert er leicht das Gleichgewicht und kippt um. Er muß folgerichtig stets darauf bedacht sein, daß der Schwerpunkt seines Körpers sich genau senkrecht oberhalb der Auftrittsfläche der Füße befindet. Katzen sind mit fünf Wochen schon recht sicher auf den Beinen. Kleine Hausmenschen hingegen lernen das Gehen meistens erst nach einem Jahr.

Es fängt damit an, daß das Menschenkitten sich auf dem Bauch um sich selbst herum dreht. Das sieht dann so aus wie bei Katzenkitten, die bei ihrer Mama so viel Milch getankt haben, daß der Bauch rund und prall ist und die Pfoten nicht mehr bis zum Boden reichen. Dann lernt das Menschenkitten, auf dem Bauch zu liegen, sich mit den Armen vom Boden hochzustemmen und Brustkorb und Kopf anzuheben. Das ist die erste Yogaübung und sehr schwierig, weil Hausmenschen so große, schwere Köpfe haben und am Popo ein ambulantes, faltbares Klo tragen.

Wenn das Menschenkitten gelernt hat, sich auf den Händen abzustützen, versucht es, sich mit den Knien abzudrücken und sich vorwärts oder rückwärts zu bewegen. Dann beginnt es zu krabbeln. Wenn die Beine noch zu kurz sind, begnügt es sich zunächst mit Robben. Das Menschenkitten ist dann schon sechs bis neun Monate alt. In diesem Alter sind Katzen bereits in der Pubertät und haben ihre alte Familie verlassen.

Mit acht bis neun Monaten erst kann das Menschenkitten ohne Hilfe sitzen. Wenn es clever ist, versucht es, aus dem Sitz in den Vierfüßlerstand zu kommen. An dem Punkt sind Katzen schon wenige Tage nach der Geburt. Weil diese Pose wegen des ambulanten Klos am Popo selten dämlich aussieht, versucht das Menschenkitten irgendwann, sich an Möbeln hochzuziehen und aufrecht zu stehen. Dann muß es nur noch lernen, seine Knie einzusetzen, um vorwärts zu kommen. Wenn es im Alter von etwa einem Jahr endlich begriffen hat, wie das geht, hat es auch sehr schnell kapiert, wie man Schubkästen aufzieht oder die Tischdecke mit dem guten Porzellan von der Kaffeetafel reißt. Bemerkenswert ist, daß das bei Hausmenschen immer großes Freudengeschrei hervorruft, während unsere Hausfrau stets sehr angespannt guckt, wenn wir Katzen uns an einer Schublade zu schaffen machen oder nach der Tischdecke greifen.

Der Hausmensch hat zwar längere Beine als die Katze und macht, wenn er denn endlich laufen kann, auch deutlich größere Schritte. Da er aber nur zwei Beine hat, ist er wesentlich langsamer als die Katze. Auf kurzen Strecken von etwa 400 Metern kann eine Katze bis zu 48 km/ h erreichen, die ägyptische Mau bis zu 50 km/ h. Die Langstreckenreisegeschwindigkeit beträgt ca. 20 km/ h. Die Durchschnittsgeschwindigkeit eines Hausmenschen hingegen beträgt auf Langstrecken nur 5 km/ h. Beim Kurzstreckensprint erreicht der untrainierte Homo domesticus eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 18 km/ h bis 27 km/ h. Der trainierte Sportler schafft immerhin ca. 38 km/h. Das ist aber die Ausnahme.

Die Katze ist ein Zehengänger, d. h. sie geht auf ihren Zehen. Dadurch ist sie schneller als der Hausmensch. Der Hausmensch ist nämlich entweder ein Plantigrad, ein Sohlengänger, der mit der gesamten Fußsohle inklusive Ferse den Boden berührt. Oder er trägt pinkfarbene High Heels wie Marianne. Das ist die Hausfrau von Rowdy, der eigentlich Romeo heißen sollte.

Es ist natürlich frustrierend für Hausmenschen, daß ihre Katzen ihnen in vieler Hinsicht den Rang ablaufen. Deshalb legen wir uns vorzugsweise auf Treppenstufen oder Türschwellen. Wenn dann die Hausfrau mit einem Korb frisch gewaschener Handtücher oder einem Tablett mit dem guten Porzellan oder mit einem Topf heißer Suppe über uns hinweg steigt, dann hat sie das beglückende Erfolgserlebnis, uns wenigstens bei der Beinlänge überlegen zu sein. Dann geht es ihr meistens auch gleich wieder besser, auch wenn sie immer so tut, als sei sie ziemlich genervt.

Das Schulterblatt der Katze ist ein dünner, flacher, halbkreisförmiger Knochen, der lose seitlich am oberen Brustkorb anliegt und nur durch Muskeln und Bänder mit der Wirbelsäule verbunden ist. Dadurch ist es sehr beweglich und ermöglicht es der Katze, sich auch durch einen schmalen Spalt zu schlängeln. Der Homo domesticus hingegen hat zwischen Schulterblatt und Brustbein das etwa menschenhandlange „Schlüsselbein“.

Das „Schlüsselbein“ hat weder die Form eines Schlüssels, noch kann der Mensch damit laufen. Das Schlüsselbein und das Schulterblatt sind über das Akromioklavikulargelenk miteinander verbunden und befestigen den Arm am Rumpf. Das Schlüsselbein wirkt als knochige Verstrebung, die der oberen Extremität Kraft und Stabilität verleiht, besonders bei den Überkopfbewegungen (Aufbau des Deckenspannerkratzbaums) und beim Transport von Lasten (Großgebinde Betonitstreu).

Das Gehör des Hausmenschen ist deutlich unterentwickelt. Im Vergleich zur Katze ist der Homo domesticus nahezu taub. Das mag erklären, warum so viele Hausmenschen die Bässe ihrer HiFi-Anlage voll aufdrehen, nachts mit einem Sportresonanzauspuff durchs Viertel röhren und an Sonn- und Feiertagen in der Mittagszeit Rasen mähen oder Kaminholz motorsägen. Das Gehör der Katze zählt zu den besten unter den Säugetieren. Die Wahrnehmungsschwelle liegt bei –10 dB SPL, der Frequenzumfang reicht von 55 Hz bis 79 kHz. Der Homo domesticus hört zwar bereits ab einer Frequenz von 20 Hz, in den oberen Frequenzen aber nur bis 20 kHz. Das Gehör des Hausmenschen unterscheidet sich von dem der Katze also um mehr als zwei Oktaven. Akustisch lebt der Hausmensch in einer völlig anderen Welt als seine Katze. Und so kommt es, daß unsere Hausfrau eine Maus in der Wohnung erst bemerkt, wenn sie das Tier sieht.

Weil Katzen vor allem in den höheren Tonlagen gut hören, reagieren sie eher auf die Stimmen von Haufrauen und Menschenkitten als auf die von Hausmännern. Das erzählen wir natürlich unserer Hausfrau nicht. Wir tun vielmehr so, als hätten wir hellseherische Fähigkeiten und als sei das Grund, warum wir schon hinter der Wohnungstür liegen, wenn sie draußen aus dem Lift steigt. Dann ist unsere Hausfrau immer sehr gebauchpinselt, denn wenn der Nachbar den Lift verläßt, rennen wir nicht zur Tür. Das könnte sich natürlich ändern, wenn auch er Stammkunde bei vetconcept würde und sich regelmäßig Hirschhappen oder Kaninchen mit Kartoffel liefern ließe.

Die Katze kann, anders als der Homo domesticus, ihre verhältnismäßig großen Ohren aufrichten und in die Richtung drehen, aus der das Geräusch kommt. Der Hausmensch müßte, um ein Geräusch zu lokalisieren, den ganzen Kopf, in fortgeschrittenem Alter auch den Rumpf, zur Geräuschquelle wenden. Beim Essen auf Bodenniveau stellt die Katze ihre äußerst sensiblen Ohren nach hinten, um nicht von ihrem Schmatzen gestört zu werden. Das soll uns ein Hausmensch erst einmal nachmachen.

Geräusche exakt zu lokalisieren, ist eine Spezialität der Katze. Die Katze kann aus einem Meter Entfernung zwei Geräuschquellen unterscheiden, die nur acht Zentimeter voneinander entfernt sind. Unsere Hausfrau hingegen hat schon Mühe zu erkennen, ob die Türglocke, das Telefon oder der Backofen schellt. Wenn der Backofen sich meldet, rennen wir deshalb immer stante pede in die Küche, um ihr Peinlichkeiten zu ersparen. Das gilt jedenfalls dann, wenn wir unter uns sind. Wenn Besuch da ist und wir nicht auf das Sofa oder den Sekretär dürfen, lassen wir die Hausfrau auch schon mal auflaufen. Schellt da was? Ach gar! Sorry, was kann das bloß sein?

Katzen sind schwindelfrei, auch in großen Höhen. Unsere Hausfrau hingegen bekommt schon weiche Knie, wenn sie auf eine Leiter steigen und den Kratzbaum absaugen soll. Deshalb macht sie das auch so selten. Manchmal klettern wir im Arbeitszimmer auf das höchste Bücheregal. Also, ich muß schon sagen, das hat was, wenn die Hausfrau dann unter uns steht und Blut und Wasser schwitzt. Oder kreischt.

Bei einem Fall aus zwei bis drei Metern Höhe kann die Katze sich reflexhaft in die Bauchlage drehen und mit nach unten ausgestreckten Pfoten auf dem Boden landen. Die extrem gespreizten Pfoten und das sich aufblähende, lockere Fell am Übergang der Beine zum Bauch wirken bei einem Fall aus sehr großer Höhe wie ein Fallschirm, der die Aufprallgeschwindigkeit dämpft und die Verletzungsgefahr verringert. Stürze aus größeren Höhen übersteht die Katze oft besser als wenn der...

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