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Segregation und Eingliederung

Zum Einfluss der räumlichen Konzentration von Zuwanderern auf den Eingliederungsprozess

AutorAndreas Farwick
VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl325 Seiten
ISBN9783531913698
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis46,99 EUR
Seit mehr als zwei Jahrzehnten zählt die Problematik der individuellen und gesellschaftlichen Folgen der Zuwanderung nach Deutschland zu einem der zentralen Themenfelder der öffentlichen, politischen und sozialwissenschaftlichen Debatte. Dabei spielt die Frage der Eingliederung in die funktionalen gesellschaftlichen Systeme eine entscheidende Rolle. Gerade in Bezug auf die räumliche Absonderung der Migranten in bestimmte Teilgebiete der Städte wird immer häufiger vor den Risiken einer dem Eingliederungsprozess entgegenstehenden Ghettoisierung der Migranten gewarnt. Vor dem Hintergrund einer derartigen Diskussion stellte sich die für diese Arbeit zentrale Frage nach dem Verlauf der Eingliederung und insbesondere nach dem Einfluss der residentiellen Segregation der Migranten auf deren Ausgang.

Dr. Andreas Farwick ist Privatdozent am Institut für Geographie der Universität Bremen.

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Leseprobe
3. Weiterführende Konzepte der Eingliederung von Migranten (S. 59-60)

Nachdem in Kapitel 2 grundlegende Konzepte und empirische Befunde zur Frage der Eingliederungsproblematik und zur Rolle der ethnischen Segregation von Migranten beschrieben wurden, sollen nun weiterführende konzeptionelle Arbeiten zum Prozess der Eingliederung vorgestellt werden. Im Anschluss daran wird genauer diskutiert, durch welche Determinanten der Verlauf der Eingliederung im Wesentlichen bestimmt wird und auf welche Weise die räumliche Konzentration von Migranten in städtischen Gebieten diese beeinusst.

Dabei werden im Folgenden explizit Konzepte beschrieben, die sich – gemäß der in dieser Arbeit behandelten Fragestellung – mit der Thematik der Eingliederung auf der mikroanalytischen Ebene der Individuen befassen. Hauptsächlich strukturalistisch argumentierende Ansätze werden somit nicht behandelt.23 Im Rahmen eines Exkurses soll des Weiteren grundsätzlich der Frage nachgegangen werden, inwieweit es in modernen funktional differenzierten Gesellschaften überhaupt sinnvoll ist, Ethnizität als Ursache von struktureller Ungleichheit zu beschreiben.

3.1 Der Prozess der Eingliederung bei Eisenstadt

Für die Weiterentwicklung des Verständnisses von Eingliederungsprozessen sind insbesondere die Arbeiten des israelischen Soziologen Shmuel N. Eisenstadt von Bedeutung geworden, der Ende der 1940er und Anfang der 1950er Jahre die Einwanderung in den derzeit entstehenden Staat Israel untersuchte. Der Prozess derWanderung von Migranten wird bei Eisenstadt (1954) in drei Phasen beschrieben: Die erste Phase beginnt bereits im Heimatland mit der Überlegung zu einerWanderung.

Die zweite Phase umfasst die eigentlicheWanderung und die dritte beschreibt die Eingliederung im Aufnahmeland. Im Gegensatz zu den Vorstellungen einer weitgehenden Assimilation der Einwanderer, wie sie von den Soziologen der Chicagoer Schule vertreten wurde, sieht Eisenstadt (1954, 15) einen solchen Endzustand zwar als wünschenswert an, dieser ist aber eher in Ausnahmefällen und nur unter optimalen Bedingungen zu erreichen.

Er spricht in diesem Zusammenhang nicht von einer Assimilation, sondern von einer Absorption der Migranten. Die Motivation zur Wanderung entsteht laut Eisenstadt (1954, 2) durch Gefühle von Unsicherheit, Unzufriedenheit und Frustration aufgrund der Situation im Heimatland. Enttäuschungen können sich aus den fehlenden Möglichkeiten, die physische Existenz zu sichern, aus Hindernissen bei der Verwirklichung persönlicher Ziele, aus der Entfremdung vom sozialen Leben oder aus der Unzufriedenheit mit den kulturellen Zielen des Herkunftslandes ergeben (ebd., 2).

Mit der Wanderung verbindet sich folglich die Erwartung einer Verbesserung der Lebenssituation zumindest in einigen Bereichen. Eisenstadt (ebd.) misst der Analyse von Wanderungsmotiven eine entscheidende Bedeutung bei, da diese die Haltung gegenüber dem Aufnahmeland bestimmen und den Hintergrund für die Erwartungen hinsichtlich zukünftiger gesellschaftlicher Rollen und Positionen bilden.

Wesentlich ist, dass sich die Gefühle von Unsicherheit und Enttäuschung nicht auf alle Gebiete des gesellschaftlichen Lebens beziehen, die Einwanderer also vielen Bereichen der gesellschaftlichen und kulturellen Verhältnisse im Heimatland weiter positiv verbunden bleiben. Somit richten sich die Wanderungsmotive auch nur auf die Lösung bestimmter, z. B. wirtschaftlicher Probleme. In vielen anderen Bereichen, etwa dem der familiären oder der anderen sozialen Beziehungen, streben die Migranten im Aufnahmeland keine Veränderungen an. Die Attraktion des Ziellandes beschränkt sich folglich nur auf ganz bestimmte gesellschaftliche Aspekte.

Die anfänglichen Motivationen, so Eisenstadt (1954, 2), bestimmen die ersten Orientierungen und Anpassungen der Zuwanderer an die gesellschaftliche Situation im Aufnahmeland. Damit wird der Grad der Eingliederung, insbesondere in der ersten Phase der Einwanderung, durch die begrenzten Erwartungen der Migranten gegenüber dem Leben im Aufnahmeland beeinusst. Da mit dem ersten Einstieg in die neue Umgebung oft auch eine Festlegung von Orientierungen für weitere Aktivitäten verbunden ist, haben diese Erwartungen wiederum auf den späteren Verlauf der Eingliederung einen maßgeblichen Einuss.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis6
Tabellenverzeichnis11
Abbildungsverzeichnis15
Kartenverzeichnis16
Vorwort17
1. Einleitung18
2. Die Migrationssoziologie der Chicagoer Schule: Grundlegende Konzepte und empirische Befunde24
3. Weiterführende Konzepte der Eingliederung von Migranten59
4. Ethnische Grenzziehung: Stereotype, Vorurteile und soziale Distanz109
5. Inter-ethnische Freundschaftsnetzwerke164
6. Der Ein uss des sozialen Kapitals auf die strukturelle Eingliederung240
7. Zusammenfassende Schlussbemerkung301
Literaturverzeichnis308

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