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Doing Time

Eine ethnomethodologische Analyse der Zeit

AutorMasha Gerding
VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl239 Seiten
ISBN9783531914046
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis40,00 EUR


Dr. Masha Gerding, Sozialwissenschaftlerin, arbeitete als Koordinatorin des RUB Netzwerks Geschlechterforschung und des M.A.-Studienfaches Gender Studies und ist zurzeit Gleichstellungsbeauftragte der Ruhr-Universität Bochum.

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Leseprobe
3. Doing-Time: Zeitpraxen, Zeitstrukturen und Zeitkonzeptionen im beruflichen Alltag (S. 95-96)

3.1. Gute Zeiten – Schlechte Zeiten: Subjektive Zeitpraxen und organisationale Zeitstrukturen

In diesem Kapitel werden aus der Perspektive der Lehrerinnen und Lehrer die durch die Organisation festgelegten Arbeitszeiten entlang der konstituierenden Elemente wie Lehrdeputat, Stundenplan, Gremien, organisationalen Zeitpolitiken sowie Teamstrukturen und ihre Einflüsse auf die zeitlichen Konstruktionsprozesse im beruflichen Lebensbereich als destillierte zentrale Kategorien der Arbeitszeit analysiert. Organisationale Zeitstrukturen ergeben sich nur teilweise aus der Unterrichtsverpflichtung, die Vielschichtigkeit und ihr Einfluss auf die Arbeitsorganisation der Lehrerinnen und Lehrer wurden aus dem Interviewmaterial herausgearbeitet.

Das zeitliche Spannungsfeld im Lehrberuf entsteht einerseits durch die restriktive Arbeitszeit über die Festlegung der Unterrichtsstunden und der andererseits gleichzeitig erwarteten Anpassungsleistung individueller Arbeitsorganisation um diese festgelegte Zeit(strukturen) herum. An Schulen existieren andere nicht in der Arbeitszeit festgeschriebene institutionalisierte Arbeitskontexte, die auf verschiedenen Ebenen in der Schule, aber auch durch die Lehrerinnen und Lehrer selbst stabilisiert werden.

Allerdings gibt es hier auf unterschiedlichen Handlungsebenen Gestaltungsoptionen und Möglichkeiten der Einflussnahme, die nicht immer als kongruent erlebten organisationalen Zeitstrukturen mit den individuellen Zeitpraxen in ein subjektivdefiniertes balanciertes Verhältnis zu bringen und somit einen Beitrag zum Abbau zeitlich erlebter Synchronität zu leisten. Aus der Perspektive der Lehrerinnen und Lehrer werden die Einflüsse, Verweigerungen und Akzeptanzen bezogen auf die organisationalen Zeitstrukturen rekonstruiert.

3.1.1. Das Lehrdeputat: Die zeitstrukturelle Eindeutigkeit der arbeitsinhaltlichen Zeitpraxen von Lehrerinnen und Lehrern

Das Lehrdeputat ist der Teil der Arbeitszeit im Lehrberuf, der einer zeitökonomischen Rationalität folgt, indem die Lehrerinnen und Lehrer hierfür monetär entlohnt werden (vgl. Rosa 2005, Maurer 1992, Schöps 1980, Thompson 1980). Das Lehrdeputat ist somit als Ausgangspunkt einer zeitsoziologischen Perspektive auf die zeitlichen Konstruktionsprozesse im Lehrberuf besonders geeignet, weil sich hieran individualisierte und organisationale Rahmenbedingungen für die Zeitorganisationen der Lehrerinnen und Lehrer im beruflichen Alltag nachzeichnen lassen. Die Entscheidung, das Lehrdeputat zu verändern, kann unterschiedlich motiviert sein.

Dadurch, dass ich mehr Klassen habe, muss ich wenn man Musik hat, zum Beispiel, mit zwei Stunden pro Woche – jede zwei Stunden, die ich mehr mache, habe ich unter Umständen eine Musikklasse mehr. Ich bin also nicht dann zwei Stunden mehr in meiner Klasse, die ich sowieso schon habe, sondern ich bekomme dann wieder eine neue Klasse. Dann muss ich zu einer neuen Zeugniskonferenz.

Alles was damit mit einer neuen Klasse verbunden ist, ist anstrengender. Also ich habe zurzeit 270 Schüler pro Woche, die ich unterrichte. Ich habe viele Gruppen. F2, I8, 751-761 Diese Lehrerin stellt fest, dass sich eine Erhöhung ihres Lehrdeputats nicht nur auf die zu unterrichtenden Stunden in der Woche auswirkt und dieses zu einer eindeutigen zeitökonomischen Rationalität in der Arbeitszeitstruktur führt, sondern dass sie aufgrund ihres Unterrichtsfaches Musik auch noch eine neue Klasse mit Schülerinnen und Schülern bekommt, die sie bisher noch nicht unterrichtet. Damit erhöht sich für diese Lehrerin der zusätzliche Arbeitsaufwand, der die arbeitsinhaltlichen inner- und außerschulisch verwendeten Zeitpraxen betrifft.

Viele Lehrerinnen und Lehrern berichten in den Interviews, dass es bei einer Lehrdeputatserhöhung nicht nur zu einer Erhöhung der zu unterrichtenden Stunden kommt und zu einer zeitlich-strukturell verdichteten Arbeitszeit im Stundenplan. Gleichzeitig ergeben sich aus der Erhöhung auch andere zeitstrukturelle Verpflichtungen, die durch die Erhöhung der arbeitsinhaltlichen Zeitstrukturen beeinflusst sind. Diese entstehen durch zeitstrukturelle Koppelungen, die sich aus den organisationalen Zeitpolitiken einerseits und ihrer Konstituierung in arbeitsorganisatorische Strukturen andererseits ergeben.
Inhaltsverzeichnis
Danksagung5
Inhalt6
Einleitung9
1. Theoretische Zugänge15
2. Das Forschungsdesign82
3. Doing-Time: Zeitpraxen, Zeitstrukturen und Zeitkonzeptionen im beruflichen Alltag92
4. Doing Time im Alltag: Die Asymmetrie von Zeitpraxen, Zeitstrukturen und Zeitkonzeptionen in außerschulischen Lebensbereichenime im außerschulischen Alltag158
5. Doing-Time: Bedeutungen und Chancen einer integrierenden Perspektive von Zeitsoziologie und Ethnomethodologie215
6. Literatur227

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