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1 Von Symap zu Geo-Informationssystemen
Karten aus dem Zeilendrucker
Im Jahr 1969 begann ich an der Simon Fraser University (SFU) in Vancouver-Burnaby, British Columbia, Kanada, ein Aufbaustudium im Fach Geographie. Ein paar Jahre zuvor hatte ich während eines Ferienjobs bei der Firma IBM eine Einführung in die Datenverarbeitung erhalten und programmieren gelernt. Diese Fertigkeiten habe ich in den folgenden Jahren in Vorlesungen und Übungen an der Universität und bei kleineren Programmieraufträgen weiter ausgebaut. In meiner Diplomarbeit spielte die multivariate Statistik und die Anwendung der Datenverarbeitung eine nicht unbedeutende Rolle. Es war deshalb sehr erfreulich, dass die SFU über eine sehr gute Computer-Ausstattung verfügte, zumindest im Vergleich mit deutschen Universitäten. Mit der Rechenanlage der SFU konnte ich die computergestützten räumlichen Analysen und die Arbeiten zur kartographischen Automation weiterführen, jetzt ohne die zeitlichen und finanziellen Beschränkungen für die Nutzung des Computersystems.
Meine Vorkenntnisse in der Datenverarbeitung und Programmierung führten dazu, dass ich bald die Betreuung eines damals sehr verbreiteten Computerprogramms für kartographische Anwendungen übernahm. Mit dem Programm Symap konnte man Isoplethen-Karten und Choroplethen-Karten auf dem Zeilendrucker der Rechenanlage ausgeben (RASE & PEUCKER 1971). Symap stammte aus dem Laboratory for Computer Graphics and Spatial Analysis der Harvard-Universität (mehr dazu bei CHRISMAN 2006). Mit einem Zeilendrucker war es möglich, durch geschickte Auswahl der gedruckten Zeichen im Druckraster Graphiken mit unterschiedlichen Helligkeitswerten zu erzeugen. Durch Mehrfachdruck auf die gleiche Druckzeile waren mehr Graustufen als mit dem üblichem Einfachdruck zu erzielen.
Die graphische Auflösung der Karten war sehr grob, normalerweise das Schnelldrucker-Raster von 10 Zeichen und 6 oder 8 Zeilen pro Zoll. Für Veröffentlichungen wurde die Karte so groß wie möglich ausgedruckt, meist auf mehreren Druckbahnen, die zusammengeklebt und fotografisch verkleinert wurden. Farbige Karten aus dem Drucker sind damit ebenfalls produziert worden. Wie bei einer Einnutzen-Druckmaschine wurden mehrere Druckgänge hintereinander ausgeführt, jeweils mit einem Druckband in einer anderen Farbe. Später wurden auch Druckketten mit speziellen Zeichen und engerem Raster entwickelt, die für die Ausgabe von Karten mit dem Zeilendrucker optimiert waren. Das Programm Symap wurde als Quellentext in der Programmiersprache Fortran geliefert. Ich konnte es mir nicht verkneifen, zusätzliche Funktionen zu programmieren, die in spätere offizielle Versionen von Symap übernommen wurden, etwa die Berechnung von Trend-Oberflächen.
Im Rechenzentrum der Simon Fraser University war auch ein computergesteuertes Zeichengerät vorhanden. Damit war es möglich, farbige Schraffuren für Choroplethenkarten in besserer Qualität als mit dem Schnelldrucker zu erzeugen. Mit dem Zeichengerät konnte auch die Erdoberfläche durch Isolinien und andere Techniken visualisiert werden. Mit diesem Gerät wurde experimentelle Software für die Zeichnung von Isolinien und schrägen Schnittflächen realisiert (PEUCKER et al. 1972).
Software-Unterstützung
In den ersten Jahren meiner Berufstätigkeit habe ich mich vorwiegend mit der rechnerunterstützten Zeichnung von Choroplethen- und Proportionalsymbol-Karten beschäftigt, für Präsentationen und Veröffentlichungen in der raumbezogenen Forschung. Kartographische Oberflächen spielten vorübergehend keine große Rolle mehr. Einige Jahre später konnte ich im Rahmen einer Dissertation die Arbeiten zur Interpolation und Visualisierung von Oberflächen wieder aufnehmen. Diese Oberflächen wurden aus statistischen Informationen interpoliert, wie sie in der raumbezogenen Forschung verwendet werden. Zur Unterscheidung von der Erdoberfläche habe ich diese Kurven immaterielle Oberflächen genannt.
Die damals verfügbare Software-Pakete für Geo-Informationssysteme und kartographische Anwendungen enthielten nur eine beschränkte Auswahl von Interpolations-Algorithmen und Darstellungstechniken für kontinuierliche Oberflächen. Als notwendiges Werkzeug für die Forschungsarbeit mit Oberflächen entstand deshalb das Programm Konkar. Konkar enthält viele Optionen für die Interpolation aus Datenpunkten und Polygonen.
Im Programm Konkar sind außer den Interpolations-Algorithmen viele Optionen für häufig angewendete kartographische Darstellungstechniken enthalten. Das sind zum Beispiel Isolinien, Isoplethen und wertproportionale Darstellungen. In Konkar wurden auch experimentelle Visualisierungstechniken realisiert, etwa simulierte Beleuchtung, perspektivische Darstellungen, Stereogramme und „echte“ 3D-Modelle. Die modernen Techniken werden von den Standardprogrammen für kartographische Anwendungen, zum Beispiel ArcGIS und Surfer, so gut wie nicht unterstützt. Für diese Oberflächen muss man auf CAD-Software zurückgreifen, die die von ArcGIS oder Surfer interpolierten Dateien importieren kann.
Inzwischen hat sich diese Situation erheblich verbessert. ArcGIS for Desktop mit seinen Erweiterungen bietet eine Vielfalt an Interpolationsverfahren an. Das Angebot an Visualisierungstechniken ist aber noch verbesserungsfähig. Das Programm Surfer in der Version 13 stellt ebenfalls viele Werkzeuge für die Interpolation und Bearbeitung bereit. In Bezug auf die Visualisierung hat Surfer leichte Vorteile gegenüber ArcGIS, zumindest für die Anwendungen, die hier im Vordergrund stehen.
Geo-Informationssysteme
Ende der siebziger Jahre wurden computergestützte Werkzeuge für Daten-Management, räumliche Analysen und kartographische Visualisierung zu Software-Systemen zusammengeführt. Die Kombination dieser Techniken in einem Paket erleichtert und beschleunigt die Speicherung raumbezogener Informationen, den Zugriff, die Analyse und Visualisierung von Grunddaten und Ergebnissen. Die Nutzung von graphischen Benutzer-Oberflächen (GUI) und anderen interaktiven Techniken der Computergraphik machen die Systeme benutzerfreundlicher. Das war ein Fortschritt gegenüber den bis dahin üblichen Programmen mit textorientierter Kommandozeilen-Steuerung. Insbesondere sollten auch Fachanwender dazu gebracht werden, die GIS-Software eigenhändig für ihre Analysen zu nutzen.
Eine Anmerkung zu den Begriffen muss hier eingeschoben werden. Oft findet man noch die Bezeichnung „Geographisches Informationssystem“. Das ist eine falsche Übersetzung des englischen Fachterminus „geographical information system“. Im Englischen bezieht sich ein Adjektiv immer auf den ersten Teil eines zusammengesetzten Begriffs. Die korrekte Übersetzung wäre also „System für geographische Informationen“, also Daten, die eine Lage-Information zur Verortung der Objekte auf der Erdoberfläche tragen. Das ist sprachlich etwas umständlich, deshalb hat man sich auf die Bezeichnung Geo-Informationssystem geeinigt (BILL 2010). Mit diesem Begriff wird auch dem Missverständnis vorgebeugt, dass die Systeme nur im Fach Geographie angewendet werden. Mit der Vorsilbe Geo wird ausgedrückt, dass alle raumbezogenen Disziplinen (Geographie, Geodäsie, Geologie, Geochemie usw.) die Techniken nutzen können. Die Abkürzung GIS bleibt die gleiche wie für die englische Bezeichnung. Inzwischen werden solche Informationssysteme auch für die Oberfläche anderer Himmelskörper genutzt, etwa Mars, Venus und der großen Monde von Jupiter und Saturn.
Bestandteile eines Geo-Informationssystems
Hier ist noch einmal kurz zusammengefasst, was in diesem Kontext unter einem Geo-Informationssystem verstanden wird.
- Ein Geo-Informationssystem besteht aus einer Datenbasis und Werkzeugen.
- In der Datenbasis sind Modelle der realen Welt gespeichert, vereinfachte Abbilder der Wirklichkeit, die mit einer bestimmten Handlungsabsicht konstruiert wurden. Zur Unterscheidung vom umgangssprachlichen Verständnis von Modellen, also einem verkleinerten Abbild eines Gegenstands (Modell-Eisenbahn, Modell-Auto), fügt man oft noch ein Attribut hinzu, zum Beispiel logisches Modell oder konzeptionelles Modell. Das Abbild der realen Welt ist in Objekte unterteilt, die für Analysen und graphische Darstellungen benutzt werden. Ein Objekt ist zum Beispiel eine Bezugseinheit wie Kreis oder Gemeinde.
- Die Werkzeuge sind Computerprogramme, die zum Aufbau, zur Fortführung, Auswertung, Präsentation und Dokumentation der Datenbasis benötigt werden. Der Software-Hersteller legt in der Regel auch die Datenstrukturen und die Dateiformate für die Datenbasis fest. Leider sind die Software-Hersteller wenig interessiert, die Interna der Datenspeicherung zu beschreiben und damit den Datenaustausch zwischen unterschiedlichen Systemen zu erleichtern, aus nachvollziehbaren Gründen.
Nach dieser Definition sind ArcGIS oder andere Software-Pakete keine Geo-Informationssysteme, sondern Programmpakete, mit denen Geo-Informationssysteme aufgebaut und genutzt werden können. Die kartographischen...