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Petrus erfand Jesus

Wie die Wunder-Legenden entstanden

AutorDimitri Speck
Verlagmvg Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl334 Seiten
ISBN9783864158773
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis21,99 EUR
Nicht mündliche Erzähler, sondern ein Jünger machte publicityträchtig aus Jesus einen Wundermann. Er erfand die Legenden des Neuen Testaments und verfälschte die Lehre seines Meisters. Mit außerbiblischen Handschriften und dank der neuen Umklammerungstechnik zeigt Dimitri Speck die literarische Vorgehensweise des Jüngers auf. Nach 2000 Jahren werden die wirklichen Vorgänge um Jesus aufgedeckt.

Dimitri Speck hat sich auf die Erforschung von Mustern und vernetzten Zusammenhängen spezialisiert. 1999 entdeckte er eine Anomalie in der Brotvermehrungslegende, mit deren Hilfe erstmals die Entstehungsgeschichte einer Erzählung des Neuen Testaments aufgezeigt werden konnte.

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Leseprobe

AM ANFANG WAR DAS WORT, AM ENDE DIE LEGENDE


Die Grundlage unserer Analyse sind die antiken Quellen. In einer antiken Sprache wie dem Lateinischen verfasst, gelangten sie durch wiederholtes Abschreiben in unsere Zeit und wurden übersetzt. Trotz der bereits angesprochenen Verfälschungen erlauben sie den unmittelbarsten Zugang zu den damaligen Ereignissen. Eine Rekonstruktion der tatsächlichen Geschehnisse verlangt die Analyse in den Urtexten. Sie erfolgt möglichst unbeeinflusst von bereits existierenden Interpretationen, um alternativen Erklärungen nicht den Weg zu verbauen. Die Vielzahl und Vielschichtigkeit der Quellen erlaubt keine Umwege. Sie erfordert eine verdichtete und vernetzte Vorgehensweise, um das Rätsel zu lösen, das einem Puzzle gleicht. Man muss nur die Einzelteile richtig identifizieren und schrittweise zusammensetzen, um ein fertiges Bild zu erhalten. Einzig diese Rekonstruktion anhand einer solchen Analyse wird sich als zielführend erweisen.

Das Wichtigste ist: Wir fangen ganz von vorne an. Wir machen uns frei von allem – insbesondere von dem, was wir sicher zu wissen glauben. Genügte eine leichte Abwandlung gängiger Vorstellungen, wären die wichtigsten Fragen längst beantwortet. Das Bekannte verschwindet ja nicht, wir können es uns jederzeit wieder in Erinnerung rufen. Aber wir lassen uns von unserer Vorstellung nicht fesseln. Es ist wie bei einem unbekannten Krimi: Wir kennen den Mörder nicht. Jede Meinung kann sich als Vorurteil erweisen. Bloß wird hier kein Mordfall aufgeklärt, sondern ein historischer Sachverhalt.

Wie ist es nach rund zweitausend Jahren möglich, die Ereignisse um Jesu Leben zu rekonstruieren? Womit könnte man verschüttete Teile seiner Lehre bergen? Was kann nach ungezählten Versuchen die Antworten auf die vielen ungelösten Fragen geben? Einige Faktoren, von der durch neuere Funde verbesserten Quellenlage bis hin zur Computertechnik, spielen eine wichtige Rolle bei der Beantwortung dieser Fragen. Der Hauptschlüssel liegt jedoch in der Umklammerungstechnik, in der Methode, die Ausgangspunkt und Ergebnis konsequent miteinander verknüpft.

Legenden werden nicht völlig frei erfunden. Auch in biblischen Zeiten stellte man sich nicht einfach auf einen öffentlichen Platz und sagte: »Hört mal alle her! Ich habe da jemand kennengelernt, der Brot vermehrt.« Irgendetwas muss den Erzähler zuvor zur Legendenbildung angeregt haben. Selbst ein Märchenerzähler benötigt einen Anlass, einen Anstoß für seine Geschichte. Doch was könnte der Ausgangspunkt gewesen sein? Was hat ihn inspiriert? Wir begeben uns auf die Spurensuche.

Vieles kann ein solcher Ausgangpunkt einer Legende sein. Grundsätzlich könnte eine frühere Wundergeschichte, die von einem Erzähler in einen neuen Kontext gebracht oder modifiziert wird, genauso der Ausgangspunkt sein wie ein reales Ereignis, das die Fantasie anregt, und des immer wieder neu und immer spektakulärer erzählt wird. Diese beiden Ausgangspunkte sind recht naheliegend. Sie dürften weltweit Tausenden legendenhaften Erzählungen zugrunde liegen.

Für die Legenden um Jesus kommt aber noch ein weiterer Ausgangspunkt infrage: ein Jesuswort! Ein missionierender Anhänger befasst sich schließlich den ganzen Tag mit Jesu Gleichnissen. Es liegt also nahe, dass er sich von ihnen anregen lässt. Ein Jesuswort, in dem von Brot die Rede ist, liefert beispielsweise das Stichwort »Brot«. Jesus spricht von Brot, das aus einem Teig gebacken ist, der mithilfe von Sauerteig aufgeht, also größer wird. Dieser Vorgang regt nun den Erzähler an, von Vermehrung zu sprechen – fertig ist die biblische Brotvermehrungslegende. Es ist natürlich nicht ganz so einfach, an dieser Stelle soll nur das Prinzip dargelegt werden und eine Einstimmung erfolgen. Die eigentliche Herleitung der Brotvermehrungslegende erfolgt später, sobald einige Hintergründe aufgeklärt sind.

Wie im Beispiel mit dem Brot erläutert, sollen hier die Legenden um Jesus auf ihren Ursprung hin untersucht werden. Dazu ist es wichtig, ihren Ausgangspunkt zu finden. Zwischen diesen beiden Punkten – der Ausgangspunkt und die Legende selbst als Endpunkt – sind dann die Vorgänge zu rekonstruieren. Dies kann weitaus zuverlässiger geschehen als bei einem bloßen Reverse-Engineering, einer Rekonstruktion vom Ergebnis her. Denn die Rekonstruktion der Vorgänge findet hier zwischen zwei bekannten Punkten statt, dem Ausgangspunkt und der fertigen Legende als Ergebnis. Ohne diese Festlegung durch die Einbeziehung des Ausgangspunktes wäre keine Richtung vorgegeben und der Spekulation Tür und Tor geöffnet.

Eine systematische Suche und eine sichere Identifikation der Ausgangspunkte sind wesentliche Elemente der Methode. Mit einer Akribie wie bei der Kriminalpolizei werden Spuren, Muster, Auffälligkeiten, Ähnlichkeiten, Parallelen und Stichworte gesucht und ausgewertet. Alle thematisch verwandten Texte der ersten Jahrhunderte kommen hierfür in Betracht. Evangelien, Briefe, Spruchsammlungen und dergleichen, nichts wird übergangen. Die Texte werden, teilweise mithilfe von Computern, teilweise auch mühsam manuell, nach thematisch verwandten Begriffen durchsucht, die als Ausgangspunkte der Legenden infrage kommen könnten. Um bei dem Beispiel der Brotvermehrung zu bleiben: Es wird zuerst mechanisch nach Stichworten wie »Brot«, »Wachstum«, »Vermehrung«, »Mehl«, »Bäcker« und »Sauerteig« und dergleichen gefahndet, alles Wörter, die irgendwie mit der Brotvermehrungslegende in Zusammenhang stehen könnten.

Wenn verschiedene Texte eine mögliche Verbindung aufweisen, kommen die betreffenden Passagen in die engere Auswahl und werden näher erforscht: Gibt es tatsächlich eine Verbindung? Kann man eine Abfolge eruieren? Ist die Folgerung schlüssig? Dergleichen Fragen müssen gestellt werden. In Einzelfällen wie bei der Brotvermehrungslegende ist die Identifikation des Ausgangspunktes aufgrund von Sondersituationen hieb- und stichfest. Bei anderen muss auf weitere Querverbindungen zurückgegriffen und ein regelrechtes Netzwerk berücksichtigt werden, um die nötige Sicherheit zu erlangen. Ist einmal ein Kern gelegt, eine Legende erschlossen, können auf dieser immer weiter wachsenden Grundlage immer mehr Textstellen analysiert und Legenden entschlüsselt werden. Dadurch lassen sich am Ende viel mehr Ausgangspunkte finden, als man zunächst glauben mag.

Auf diese Weise ergibt sich ein regelrechtes Netzwerk an Verknüpfungen und neuen Erkenntnissen über die Entstehungsschritte von den Ausgangspunkten bis zu den fertigen Legenden. Aufgrund der hohen Zuverlässigkeit der Schlussfolgerungen, die auf der Verknüpfung von Ausgangs- und Endpunkt beruht, kann, wie bereits angesprochen, auf zuvor gewonnenen Erkenntnissen aufgebaut werden, da sich immer mehr Zusammenhänge offenbaren, die auf den ersten Blick nicht einsichtig sind. Wir starten mit einfachen Rekonstruktionen wie die der Brotvermehrungslegende und nutzen die Ergebnisse für weitere Rekonstruktionen. Wir verfolgen jede Spur, erarbeiten uns auch kleine Bausteine, und erarbeiten schließlich so einen Fundus, aus dem wir schöpfen können. Gelegentlich lassen wir uns treiben, von Spur zu Spur, von Erkenntnis zu Erkenntnis, um möglichst viel Material zu sammeln. So ergibt sich ein Erkenntnisschub nach dem anderen, eines fügt sich zum anderen. Insgesamt ist die Methode natürlich sehr vielschichtig, wie es im Übrigen auch die Entstehungsgeschichte des Neuen Testaments war. Im Prinzip funktioniert es aber genau so wie eben beschrieben. Sobald man einige Ausgangspunkte gefunden hat, kommt man zunehmend leichter und vor allem zuverlässiger voran.

Während dieser Arbeit muss man sich auf den Erzählprozess konzentrieren und dabei auch den Überlieferungsvorgang berücksichtigen. Denn die Legenden entstanden nicht einfach von einer Ursprungsbegebenheit aus. Anders als oft üblich fragen wir also nicht: »Hatte Jesus besondere Heilkräfte?«, oder: »Hat er einen Zaubertrick vorgeführt?« Vielmehr begeben wir uns auf die literarische Ebene. Beim Erzählen, beim Schreiben entstanden die Texte. Ihre Weiterentwicklung war dann ein schrittweiser Prozess. Folglich müssen die Texte als schöpferischer Änderungsvorgang, ausgehend vom jeweils gefundenen Ausgangspunkt, betrachtet und untersucht werden, will man der Wahrheit auf die Spur kommen.

Wir versuchen uns dabei in den Erzähler hineinzuversetzen. Seine Sichtweise hat die Legenden geprägt, seine Motive führten zur Entwicklung eines jeden einzelnen Legendenteils. Wie kam der Erzähler darauf, dieses zu sagen? Wieso wählte er jene Formulierung? Nur wenn wir uns in ihn hineinversetzen, kann die Entschlüsselung gänzlich gelingen. Die Berücksichtigung der Rolle des Erzählers ist maßgeblich für die Entschlüsselung.

Seine literarischen Entscheidungen hinterlassen Spuren. Zudem macht jemand, der etwas erfindet, beinahe zwangsläufig Fehler. Diese Fehler äußern sich als Ungereimtheiten und Widersprüche. Wir...

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