2. KAPITEL
WIE DER BÖSE TEUFEL IN DIE WELT KAM
oder
DIE ERFINDUNG DES TEUFLISCHEN
Also sprach Zarathustra
(Friedrich Nietzsche, 1883-1885)
Der böse Teufel – fast eine Erfindung 12 · Es begann im Osten 13 · Schwarz und Weiß 13 · Gut und Böse 14 · Schuld und Sühne 15 · Der Weg 16 · Ursachen 17 · Zarathustra 19 · Simon Magus 20 · Die Katharer 22 · Anmerkungen 24
Der böse Teufel – fast eine Erfindung
Die Vorstellung vom Teufel als Gott der finsteren Unterwelt, als Höllenfürst, als Prinzip des Bösen ist in der Religionsgeschichte, wenn auch Jahrtausende alt, eine recht junge Erfindung. Zwar gab es in den alten Religionen Unterweltgötter in Fülle, doch verkörperten sie in der Regel nicht das Böse an sich. Oft waren sie für das Wohlergehen von Menschen, Tieren und der Erde zuständig. Diese Eigenschaften können zum Bösen umschlagen, denn wer Gutes tut, kann auch Böses tun. Und so waren Unterweltgötter häufig für beides zuständig, wie das Beispiel der Nornen der germanischen Mythologie zeigt.
Der Teufel gehört zu den ältesten Göttern des wahrlich nicht kleinen Pantheons, der Götterversammlung. Er ist älter als der Ein-Gott der monotheistischen Religionen. Hoch war einst sein Ansehen bei den Menschen, die ihn als Sonnengott mit Jubel begrüßten, denn als solcher war er ihr Wohltäter. Dann, vor mehr als zehntausend Jahren, geschah etwas Schreckliches, das ihm zur Last gelegt wurde. Der Teufel wurde den Menschen furchterregend, und sie begannen, das Gute und das Böse in ihm zu scheiden. Das Gute wurde von ihm abgesondert, bis nur noch das Böse blieb. Panisch gefürchtet und tief gehasst wird der Teufel seit etwa zweieinhalb Jahrtausenden. Wie kam es zu diesem Umschwung? Wie kam es, dass der Teufel verteufelt, dass er zum bösen Feind der Menschen wurde, und zum Widersacher des guten Gottes?
Es begann im Osten
Im vedischen Göttersystem des alten Irans gab es zwei Scharen von Göttern mit je einem Haupt. Die Ahuras mit Ahura Mazda einerseits und die Devas mit Mithra andererseits. Es gab auch schon die Vorstellung von der Hölle, doch nicht von einem Teufel, wie wir ihn kennen. Seit alters her gab es auch die Idee des Seelenheils und des ewigen Lebens. Diese Idee wurde in der Religion der Indogermanen, die auch die Religion des alten Iran war, weiterentwickelt. Es kommt darauf an, was man aus solch einer Idee macht. Die Germanen machten daraus ewiger Heldenkampf und Met-Gelage in Walhall. Im Osten, besonders im iranischen Raum, entwickelte sich die Vorstellung, dass die Seelen derjenigen gewogen werden, die den Fluss des ewigen Vergessens (des Todes) überschreiten. Die als zu leicht Gewogenen, die Bösen, kommen in die Hölle.
Die Scheidung in Gut und Böse als zwei widerstreitende Prinzipien wurde im Wesentlichen im Osten entwickelt und verfeinert. Vor allem Zarathustra (Zoroaster) war daran beteiligt, der das vorhandene Göttersystem umbaute. Also sprach Zarathustra – und erfand um das Jahr 600 v. Chr. im Iran den Widerstreit des Götterpaares Ahura Mazda (der weise, der gute Gott) und Ahriman (der niedere Gott), das um die Weltherrschaft streitet. Diese Lehre wird Mazdaismus genannt; der spätere Parsismus ist eine Weiterentwicklung des Mazdaismus. Ahriman, der ehemalige Freund und Gehilfe Mithras, war bei den Ariern des Irans ursprünglich der Gott der menschlichen Angelegenheiten, zum Beispiel der Vertragstreue. Bei Zarathustra wurde er degradiert und verlor seinen göttlichen Rang.
Schwarz und Weiß
Zarathustra arbeitete mit einer Art Schwarzweißmalerei, das seitdem bewährte Prinzip gewisse Eigenschaften von Gottheiten zu fokussieren, andere dafür auszublenden. Er schuf einen religiösen Dualismus1 besonderer Art, der in der Gnosis2, im Manichäismus3, im Mithraismus4, im Simonismus5, im Katharertum6 und – horribile dictu – in der christlichen Religion weiterlebt.
Der religiöse Dualismus beruht auf dem Gegensatz zweier widerstreitender Mächte, die in der indogermanischen Kultur durch Licht und Finsternis, Tag und Nacht, Sommer und Winter ausgedrückt wurde und in Sonnenkulten ihren Ausdruck fand. Als das Christentum den Norden Europas erreichte, stand der Sonnenkult dort in voller Blüte. Die christliche Religion hatte zwar Elemente des Sonnenkultes aus dem nahöstlichen und mediterranen Raum übernommen, diese aber verklausuliert und umgedeutet. Die Unterschiede zwischen dem germanischen und dem fast zur Unkenntlichkeit umgeformten christlichen Sonnenkult – Verdammnis und Erlösung – waren so groß, dass eine Anpassung der germanischen Vorstellungen an christliche, ein sonst erfolgreiches Spiel der Kirche, nicht möglich war. Also mussten die germanischen Götter in die Hölle.
Der Dualismus von Licht und Finsternis ist das Zentralthema der indogermanischen Religionen. Dieser Dualismus war von Zarathustra keineswegs erfunden, jedoch nach seinen Vorstellungen umgeformt worden. Zarathustra, um an den vorherigen Abschnitt anzuschließen, hatte für seine Theologie keine neuen Götter erfunden. Er hatte, wie bereits gesagt, auf die alten zurückgegriffen und für seine Zwecke umgedeutet. Die niederen Götter erniedrigte er ganz und gar, die hohen erhöhte er über alle Maßen. Ahriman machte er zum Höchsten der Niedrigsten, der die Rolle des Teufels spielen musste. Ahura Mazda erhob er zum Allerhöchsten, zum guten und weisen Gott. Darin ist auch schon der Kern des Monotheismus enthalten, der später – und von einer ganz anderen Ecke heraus – zu vollem Wuchs kommen soll.
Gut und Böse
In der Religion, die Zarathustra schuf, gab es das Gute und das Böse von Anfang an – wie bei den Christen. Das Gute wird belohnt, das Böse bestraft – wie bei den Christen. Es gab Paradies und Fegefeuer – wie Himmel und Hölle bei den Christen. Die Toten werden am Ende der Tage auferstehen und das Jüngste Gericht wird die Bösen erneut in die Hölle stoßen – wie bei den Christen. Nach Zarathustras Lehre soll es auch einen Endkampf geben zwischen Gut und Böse, zwischen Ahura Mazda und Arihman – wie bei den Christen zwischen Christus und dem Teufel, dem Maria den Kopf zertreten wird. Danach wird der Himmel einen großen König senden, einen Erlöser, Mithras – nicht so bei den Christen, ihr Erlöser ist bereits gekommen; aber er soll noch einmal kommen, um das Ende der Tage einzuläuten und die Erlösung zu vollenden; und so warten die Christen, warten und warten, ….In der Zeit nach Zarathustra entwickelte sich aus dem Mazdaismus der Mithraismus zu einem eigenständigen religiösen System, der sich vom Iran ausbreitete, das Römische Reich überflutete und bis in die römischen germanischen Provinzen drang. Von der christlichen Kirche wurde der Mithraismus fanatisch bekämpft. Nicht nur, weil er eine konkurrierende Sekte war, sondern auch wegen der Anleihen und Ähnlichkeiten der christlichen Religion. Und wahrlich nicht wenig hat die Kirche vom Mithraismus übernommen.
Schuld und Sühne
mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa durch meine Schuld, durch meine Schuld, durch meine übergroße Schuld
(Schuldbekenntnis der Katholischen Kirche)
Neben dem Dualismus von Gut und Böse entstand noch etwas im Osten. Die Schuld als theologisches Prinzip. Die Schuldfrage ist anderen Religionen durchaus fremd. Für die Totschläger des germanischen Odinglaubens lag die Frage nach glaubensbedingter Schuld jenseits ihres geistigen Horizonts. Für sie war es eher eine Frage der Ehre, Verbrechen gemäß ihrem Sittenkodex zu verüben, zum Beispiel niemanden heimlich totzuschlagen. Zwar gibt es in der germanischen Mythologie den linkischen, verlogenen und verschlagene Loki, dem als Widersacher der anderen Götter die Rolle des Teufels zugesprochen werden kann. Das Gegenprinzip, das Loki verkörpert, ist jedoch eine mythologische Frage, keine Schuldfrage.
Zwar gab es bei den Germanen eine Vorstellung vom Überschreiten des Flusses des Vergessens nach dem Tode, die Scheidung in die Guten (Tapferen) und die Verworfenen (Feigen). Das waren Vorstellungen der indogermanischen Glaubenswelt, wie sie auch bei den Griechen und den Ariern des Iran vorhanden waren. Bei Germanen und Griechen erwuchs daraus keine Schuld-Theologie, anders im Iran.
Es ist sehr merkwürdig, einerseits entstanden auf der Basis des indogermanischen Glaubens und Sonnenreligion die Religionen der Griechen und Germanen, andererseits der Mazdaismus und der Parsismus des Irans. Die Griechen brachten die Lichtgestalt Apollo hervor, die Germanen den Lichtgott Balder – der Iran die Schuldfrage. Die Entwicklung der Sonnenreligion zu den Prinzipien Gut und...