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ETHIK

Deduktive Folgerungen aus dem Gedanken des Ineinsfalls von Gott und Natur

AutorBaruch Spinoza
Verlage-artnow
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl165 Seiten
ISBN9788026865926
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis1,99 EUR
Dieses eBook: 'ETHIK' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Das erste Buch hat das Problem des Wesens Gottes zum Thema. Spinoza versucht das wahre Wesen Gottes darzulegen. Für ihn ist Gott nicht anthropomorph zu verstehen, d.h. als ein Wesen, das denken, wollen oder gar Gefühle haben könnte. Außerdem ist Gott nicht als eine Instanz zu verstehen, die die Welt durch ein fiat geschaffen hätte. Das zweite Buch ist dem Wesen und dem Ursprung des Geistes gewidmet. Hier beginnt er mit Definitionen der Begriffe Körper, Geist, Idee, Realität. Das dritte Buch: Über den Ursprung und Wesen der Affekte. Hier entwickelt Spinoza seine Psychologie der Emotionen. Er definiert am Anfang die Begriffe Handeln, Leiden und Affekt. Das vierte Buch: Über die Abhängigkeit von den Kräften der Affekte. Hier eröffnen sich die eigentlichen ethischen Annahmen Spinozas im Sinne einer angewandten Psychologie. Zunächst zeigt Spinoza die unumgehbaren Schranken, die dem Menschen durch seine psychische Affekte auferlegt sind. Streben nach Wahrheit ist nichts anderes als ein Selbsterhaltungsdrang des Geistes. Das fünfte Buch: Von der Macht der Vernunft und der menschlichen Freiheit. Die wahre Macht der Vernunft ist ein sich Einlassen auf die göttliche Notwendigkeit des Seins der Dinge. Erkennen ist Freiheit, Tugend und Glückseligkeit. Baruch de Spinoza (1632-1677) war ein niederländischer Philosoph. Er wird dem Rationalismus zugeordnet und gilt als einer der Begründer der modernen Bibelkritik sowie Religionskritik.

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Leseprobe

2. Über die Natur und den Ursprung des Geistes


Vorwort

Ich wende mich nun zur Auseinandersetzung dessen, was aus dem Wesen Gottes oder des ewigen und unendlichen Wesens notwendig folgen muß. Zwar nicht alles, denn in Lehrsatz 16 des ersten Teils habe ich bewiesen, daß Unendliches auf unendliche Arten aus ihm folgen muß; sondern nur das, was uns zur Erkenntnis des menschlicher Geistes und seiner höchsten Glückseligkeit sozusagen handgreiflich führen kann.

Definitionen

1. Unter Körper verstehe ich eine Daseinsform (modus), welche das Wesen Gottes, sofern dasselbe als ausgedehntes Ding betrachtet wird, auf gewisse und bestimmte Weise ausdrückt. Siehe Zusatz zu Lehrsatz 25 im ersten Teil.

2. Zum Wesen eines Dinges gehört, sage ich, das, durch welches, wenn es gegeben ist, das Ding notwendig gesetzt wird und durch welches, wenn es aufgehoben wird, das Ding notwendig aufgehoben wird; oder das, ohne welches das Ding, und umgekehrt, welches ohne das Ding weder sein noch begriffen werden kann.

3. Unter Idee verstehe ich einen Begriff des Geistes, welchen der Geist bildet, weil er ein denkendes Ding ist.

Erläuterung

Ich sage lieber Begriff als Wahrnehmung, weil das Wort Wahrnehmung anzudeuten scheint, daß der Geist von dem Objekt leidet, während Begriff eine Tätigkeit des Geistes auszudrücken scheint.

4. Unter adäquater Idee verstehe ich eine Idee, welche, sofern sie an sich und ohne Beziehung zum Objekt betrachtet wird, alle Eigenschaften oder innerlichen Merkmale einer wahren Idee hat.

Erläuterung

Ich sage innerlichen, um das auszuschließen, was äußerlich ist, nämlich die Übereinstimmung der Idee mit ihrem Gegenstand.

5. Dauer ist eine unbestimmte Fortsetzung der Existenz.

Erläuterung

Ich sage unbestimmt, weil sie durch die eigene Natur des existierenden Dinges nicht bestimmt werden kann und ebensowenig von der wirkenden Ursache, weil nämlich diese die Existenz des Dinges notwendig setzt, nicht aber aufhebt.

6. Unter Realität und Vollkommenheit verstehe ich ein und dasselbe.

7. Unter Einzeldinge verstehe ich Dinge, welche endlich sind und eine beschränkte Existenz haben. Wenn mehrere Individuen in einer Tätigkeit so zusammenwirken, daß sie alle zugleich die Ursache Einer Wirkung sind, so betrachte ich sie alle insofern als Ein Einzelding.

Axiome

I. Das Wesen des Menschen schließt nicht notwendige Existenz in sich; d.h., nach der Ordnung der Natur kann es ebenso geschehen, daß dieser oder jener Mensch existiert, als daß er nicht existiert.

II. Der Mensch denkt.

III. Formen (Arten) des Denkens, wie Liebe, Begierde und was sonst noch mit dem Namen Affekt (Seelenbewegung) bezeichnet wird, gibt es nur, wenn es in demselben Individuum eine Idee des geliebten, begehrten usw. Dinges gibt. Eine Idee aber kann es geben, auch ohne daß es eine andere Form des Denkens gibt.

IV. Wir empfinden, daß ein Körper auf verschiedene Arten erregt werden kann.

V. Andere Einzeldinge als Körper und Formen (Arten) des Denkens fühlen und wahrnehmen wir nicht.

Die Postulate s. nach Lehrsatz 13.

Erster Lehrsatz

Das Denken ist ein Attribut Gottes, oder Gott ist ein denkendes Ding.

Beweis

Die einzelnen Gedanken oder dieses und jenes Denken sind Daseinsformen, welche die Natur Gottes auf gewisse und bestimmte Weise ausdrücken (nach Zusatz zu Lehrsatz 25, Teil 1). Es kommt also (nach Definition 5, Teil 1) Gott ein Attribut zu, dessen Begriff in allen einzelnen Gedanken eingeschlossen ist und durch welches sie auch begriffen werden. Das Denken ist also eins von den unendlichen Attributen Gottes, welches das ewige und unendliche Wesen Gottes ausdrückt (s. Definition 6, Teil 1), oder Gott ist ein denkendes Ding. – W.z.b.w.

Anmerkung

Dieser Lehrsatz erhellt auch daraus, daß wir ein unendlich denkendes Wesen begreifen können. Denn je mehr ein denkendes Wesen denken kann, desto mehr Realität oder Vollkommenheit enthält dasselbe in unserm Begriff. Ein Wesen also, welches Unendliches auf unendliche Weisen denken kann, ist notwendig an Kraft des Denkens unendlich. Da wir also, auf das bloße Denken achtend, ein unendliches Wesen begreifen, so ist (nach den Definitionen 4 und 6, Teil 1) das Denken notwendig eins von den unendlichen Attributen Gottes, wie ich behauptet habe.

Zweiter Lehrsatz

Die Ausdehnung ist ein Attribut Gottes, oder Gott ist ein ausgedehntes Ding.

Beweis

Der Beweis dieses Satzes wird auf dieselbe Weise geführt wie der Beweis des vorigen.

Dritter Lehrsatz

In Gott gibt es notwendig eine Idee sowohl seines Wesens als alles dessen, was aus seinem Wesen notwendig folgt.

Beweis

Denn Gott kann (nach Lehrsatz 1 dieses Teils) Unendliches auf unendliche Weisen denken, oder (was dasselbe ist, nach Lehrsatz 16, Teil 1) er kann die Idee seines Wesens und alles dessen, was notwendig aus demselben folgt, bilden. Nun ist alles, was in Gottes Macht steht, notwendig (nach Lehrsatz 35, Teil 1). Also gibt es notwendig eine solche Idee und (nach Lehrsatz 15, Teil 1) nur in Gott. – W.z.b.w.

Anmerkung

Das Volk versteht unter Gottes Macht Gottes freien Willen und sein Recht auf alle Dinge, welche sind und welche deshalb gewöhnlich als zufällige betrachtet werden. Denn, sagt man, Gott hat die Macht, alles zu zerstören und in nichts zu verwandeln. Auch vergleicht man häufig Gottes Macht mit der Macht der Könige. Doch habe ich dies in den Zusätzen I und II zu Lehrsatz 32, Teil 1, widerlegt und im Lehrsatz 16, Teil 1, bewiesen, daß Gott mit derselben Notwendigkeit handelt, mit welcher er sich selbst erkennt, d.h., sowie aus der Notwendigkeit der göttlichen Natur folgt (was alle einstimmig behaupten), daß Gott sich selbst erkennt, ebenso folgt mit derselben Notwendigkeit, daß Gott Unendliches auf. unendliche Weisen tut. Ferner habe ich in Lehrsatz 34, Teil 1, bewiesen, daß Gottes Macht nichts ist als Gottes tätiges Wesen. Daher ist es uns ebenso unmöglich zu begreifen, daß Gott nicht handle, als daß Gott nicht sei.

Wenn ich dies weiter verfolgen dürfte, könnte ich hier noch zeigen, daß jene Macht, welche das Volk Gott andichtet, nicht bloß eine menschliche ist (was zeigt, daß Gott als Mensch oder nach dem Bilde eines Menschen vom Volk begriffen wird), sondern auch Ohnmacht einschließt.

Doch will ich über dieselbe Sache nicht so oft ausführlich reden. Ich will nur den Leser dringend bitten, daß er alles, was im ersten Teil von Lehrsatz 16 an bis zum Schluß über diesen Gegenstand gesagt ist, aber und abermals erwäge. Denn niemand wird das, was ich meine, recht verstehen können, wenn er sich nicht außerordentlich hütet, die Macht Gottes mit der menschlichen Macht oder dem menschlichen Recht der Könige zu vermengen.

Vierter Lehrsatz

Die Idee Gottes, aus welcher Unendliches auf unendliche Weisen folgt, kann nur eine einzige sein.

Beweis

Der unendliche Verstand umfaßt nichts als die Attribute Gottes und seine Erregungen (nach Lehrsatz 30, Teil 1). Nun ist Gott einzig (nach Zusatz I zu Lehrsatz 14, Teil 1). Somit kann die Idee Gottes, aus welcher Unendliches auf unendliche Weisen folgt, nur eine einzige sein. – W.z.b.w.

Fünfter Lehrsatz

Das formale Sein der Ideen erkennt Gott als Ursache an, sofern er nur als denkendes Ding betrachtet wird, nicht aber sofern er durch ein anderes Attribut erklärt wird. Das heißt, die Ideen sowohl der Attribute Gottes als auch der Einzeldinge erkennen nicht das Gedachte selbst oder die wahrgenommenen Dinge als wirkende Ursache an, sondern Gott selbst, sofern er ein denkendes Wesen ist.

Beweis

Der Satz erhellt zwar schon aus Lehrsatz 3 dieses Teils. Denn dort folgerten wir, daß Gott die Idee seines Wesens und alles dessen, was aus demselben notwendig folgt, bilden kann, daraus allein, daß Gott ein denkendes Ding ist, nicht aber daraus, daß er das Objekt seiner Idee ist. Daher erkennt das formale Sein der Ideen Gott als Ursache an, sofern er ein denkendes Ding ist.

Indessen kann der Satz auch noch auf folgende Weise bewiesen werden. Das formale Sein der Ideen ist eine Form des Denkens (wie an sich klar), d.h. (nach Zusatz zu Lehrsatz 25, Teil 1) ein Modus, welcher die Natur Gottes, sofern er ein denkendes Ding ist, auf gewisse Weise ausdrückt. Es schließt also (nach Lehrsatz 10, Teil 1) den Begriff keines andern göttlichen Attributes in sich und ist demzufolge (nach Axiom IV, Teil 1) die Wirkung keines andern göttlichen Attributes als des Denkens.

Somit erkennt das formale Sein der Ideen Gott als Ursache an, sofern er nur als denkendes Ding betrachtet wird usw. – W.z.b.w.

Sechster Lehrsatz

Die Daseinsformen (modi) jedes Attributs haben Gott zur Ursache nur, sofern er unter jenem Attribut, dessen Daseinsformen sie sind, betrachtet wird, nicht aber, sofern er unter irgendeinem andern Attribut betrachtet wird.

Beweis

Denn jedes Attribut wird durch sich und ohne ein anderes begriffen (nach Lehrsatz 10, Teil 1). Darum schließen die Daseinsformen jedes Attributs den Begriff ihres Attributs, nicht aber den eines andern ein. Also haben sie (nach Axiom IV, Teil 1) Gott zur Ursache nur, sofern er unter jenem Attribut, deren Daseinsformen sie sind, nicht aber, sofern er unter einem andern betrachtet wird. – W.z.b.w.

Zusatz

Hieraus folgt, daß das formale Sein der Dinge, welche keine Daseinsformen des Denkens sind, nicht darum aus der göttlichen Natur folgt, weil sie die Dinge früher erkannt hat; sondern die...

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