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Überlebensintelligenz
Im Folgenden werden Sie einige spannende neue Methoden lernen. Wenn Sie das Buch gelesen haben, werden Sie mühelos Fesseln aus Seil oder Klebeband entkommen, wissen, wann jemand Sie anlügt oder versucht, Sie durch Social Engineering (etwa: soziale Manipulation bzw. zwischenmenschliche Manipulation) in eine unangenehme Situation zu bringen. Allerdings brauchen Sie zusätzlich zu diesen Techniken etwas ebenso Wichtiges, das ich »Überlebensintelligenz« nenne. Zur Überlebensintelligenz gehört auch das Selbstbewusstsein, in jeder Notsituation angemessen reagieren zu können. Die Techniken dafür stelle ich Ihnen weiter hinten vor. Dann sind Sie vorbereitet und können Ihre Familie schützen. Da ich der Ansicht bin, dass Überlebensintelligenz ebenso wichtig ist wie die im folgenden beschriebenen Techniken, habe ich sieben einfache Regeln aufgestellt, wie Sie Überlebensintelligenz erwerben und anwenden. Das Befolgen dieser Regeln versetzt Sie in die bestmögliche Ausgangsposition, um sich und Ihre Familie zu schützen.
Im Verlauf dieses Buchs werde ich Sie immer wieder an die Wichtigkeit dieser Regeln erinnern, denn ich bin der festen Überzeugung: Das Befolgen dieser Regeln kann den Unterschied ausmachen, ob eine Situation gut ausgeht oder in einer Tragödie endet. Ich werde anhand von Geschichten aus aller Welt zeigen, wie sich meine Taktiken einsetzen lassen. Wenn Sie von den geschilderten Tragödien und Beinahe-Tragödien lesen, werden Sie sich gelegentlich fragen: »Wo hatten die eigentlich ihren Kopf?« oder »Wie konnten die nur so blind sein?«. Wer meine Regeln befolgt, wird nie in eine solche Lage geraten, sondern angesichts gefährlicher Situationen schnell und angemessen reagieren können – versprochen.
Regel 1: Anpassungsfähig bleiben
Das Leben ist selten eindeutig. Während meiner Geheimdienstausbildung habe ich gelernt, dass es zwar wichtig ist, in Notsituationen zu wissen, wie man reagiert, doch letztendlich ist es Ihre Anpassungsfähigkeit, die Sie retten kann. Bedenken Sie: Bei allen Techniken, die ich Ihnen im Verlauf des Buchs vorstelle, kommt es letztlich auf Ihre Fähigkeit an, sie in unerwarteten Situationen umzusetzen. Das Leben verläuft nicht immer wie geplant, und Sie sollten jederzeit bereit sein, mit den Ihnen zur Verfügung stehenden Techniken zu bewältigen, was das Schicksal Ihnen hinwirft. Lassen Sie sich das Schicksal der Dinosaurier als Warnung dienen: Mitunter nutzt es gar nichts, schnell, stark und mächtig zu sein, wenn man sich an neuartige und möglicherweise gefährliche Situationen nicht anpassen kann. Bemühen Sie sich, Ihre Anpassungsfähigkeit bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu trainieren.
Regel 2: Verlassen Sie sich nur auf sich selbst
Das ist mein unbedingtes Credo. Ich möchte es nicht darauf ankommen lassen, dass jemand anderes mich oder meine Familie vielleicht beschützen wird. Unabhängigkeit und Eigenverantwortung haben für mich allerhöchsten Wert. Und das ist mehr als nur meine persönliche Einstellung: Im Verlauf dieses Buchs werden Sie immer wieder von Situationen lesen, die völlig unnötig tragisch endeten, weil jemand sich auf andere verließ statt auf sich selbst. Ich halte es für unabdingbar, sowohl die richtigen Methoden zu kennen als auch die tatsächliche Fähigkeit zu haben, sich im Notfall selbst zu retten. Unser Land hat schwierige Zeiten hinter sich, Terroranschläge und Naturkatastrophen haben die Menschen gelehrt, dass sie sich in Krisen nicht auf den Staat oder andere verlassen dürfen. Manche waren einfach bereit, für sich selbst zu sorgen, und andere nicht – mit tragischen Folgen.
Wer sich selbst retten kann, kann anderen helfen
Die Fähigkeit, für sich selbst zu sorgen, ist in Krisenzeiten überlebenswichtig, doch sie ist auch noch aus einem weiteren Grund wichtig: Nur wer für sich selbst sorgen kann, ist auch in der Lage, anderen zu helfen. Ich hoffe sehr, dass Sie nach Lektüre dieses Buchs dank Ihrer neuen Fähigkeiten und Ihrer größeren Selbstständigkeit besser in der Lage sind, auch anderen Menschen in Notsituationen zu helfen.
Regel 3: Spielen Sie nicht den Helden
Lassen Sie mich klarstellen: Mit dieser Regel meine ich nicht, dass Sie sich passiv verhalten und den Kopf einziehen sollen. Nein, bei dieser Regel geht es um die Größe, einer potenziellen Konfrontation aus dem Weg zu gehen – auch wenn ein Teil von Ihnen sich dagegen sträubt. Glauben Sie mir, ich weiß, wie schwer das fallen kann. Einmal war ich früh morgens in Baltimore joggen, als mir zwei Typen auf dem Gehweg auffielen. Die beiden trugen normale Alltagskleidung, was um diese Tageszeit in dieser Gegend einigermaßen ungewöhnlich war. Als ich näher kam, bemerkte ich, wie die beiden sich ansahen und jeweils einen Schritt nach außen traten. Dadurch wäre ich gezwungen gewesen, zwischen den beiden hindurch zu laufen. Wer weiß, was die beiden vorhatten, wenn ich zwischen ihnen war? Ich beschloss, auf Nummer sicher zu gehen, die Straße zu überqueren und ihnen per Blickkontakt klarzumachen, dass ich aufpasste. Vielleicht hatte ich nur Gespenster gesehen. Vielleicht hatten sie auch sechs Freunde in der Nähe, die nur darauf warteten, mich auszurauben. Worauf ich hinaus will: Ich habe meinem Ego nicht erlaubt, dazwischenzufunken; ich habe der Versuchung widerstanden, mir selbst etwas zu beweisen und trotz des Risikos zwischen den beiden hindurchzulaufen. Im Folgenden erzähle ich Ihnen, warum es in dieser Situation wichtig war, den Blickkontakt zu den beiden Männern herzustellen.
Bei einer anderen Gelegenheit kam ein besoffener Idiot aus einer Tankstelle, zeigte mir den Stinkefinger und überschüttete mich mit Beleidigungen. Dann merkte er, dass er mich mit jemandem verwechselt hatte, der das gleiche Auto fuhr. Meine Reaktion? »Passt schon!« Klar hätte ich dem Kerl gern gesagt, was ich von ihm hielt, ich war aber so vernünftig zu erkennen, dass es das einfach nicht wert war.
Die härtesten und fähigsten Typen, die ich während meiner Zeit bei der CIA kennengelernt habe, waren auch die zurückhaltendsten. Sie wussten um ihre Fähigkeiten und hatten es nicht nötig, mit ihnen anzugeben. Ich bin klug genug zu wissen, dass man jede Eskalation vermeiden sollte. Warum sollte ich das Risiko eingehen, auf jemanden zu treffen, der noch besser ausgebildet ist oder einfach nur Glück hat? Bewegen Sie sich im Vertrauen auf Ihre Fähigkeiten selbstbewusst durchs Leben, aber überlegen Sie genau, bevor Sie sie anwenden.
Regel 4: Bewegung rettet Leben
Auf dieser Regel werde ich immer wieder herumreiten: Bewegung rettet Leben. Immer wieder werde ich Beispielfälle erzählen, wie Menschen ihr Leben retteten, indem sie in Bewegung blieben und »aus dem Fadenkreuz« traten. Das Konzept funktioniert in verschiedenen Situationen; dazu später mehr. Die Grundidee ist folgende: Wenn jemand mit einem Messer nach Ihnen sticht, gibt es zwei Möglichkeiten: Sie weichen aus oder Sie werden getroffen. Klar, ich vereinfache hier, doch bei vielen Bedrohungen ist das Allerwichtigste, in Bewegung zu bleiben. Zum Beispiel auch nach einem Flugzeugabsturz: Viele Passagiere überleben den Absturz, nur um dann an einer Rauchvergiftung zu sterben. Manche Menschen sind von dem Unfall derart geschockt, dass sie nicht einmal ihre Sitzgurte aufbekommen und in ihrem Sitz verbrennen oder ersticken. Nur wer sich nach dem Absturz bewegt, seinen Sitzgurt löst und der Gefahr entflieht, überlebt das Unglück. Vergessen Sie das nie: In gefährlichen Situationen, sei das nun ein Wirbelsturm, ein Flugzeugabsturz oder ein Terrorangriff, rettet Bewegung Leben.
Regel 5: Auf den Eindruck kommt es an
Meine einfachsten Erfolgsgeheimnisse sind mir fast am liebsten. Beispielsweise können Sie buchstäblich das Buch zur Seite legen und in nur wenigen Sekunden eine umwälzende Veränderung in Ihrem Leben einleiten. Wahrnehmung ist alles – und ich zeige Ihnen, was Sie tun können, um nach außen einen ganz bestimmten Eindruck zu erwecken: Nämlich den, dass man sich mit Ihnen besser nicht anlegt. Das Gleiche gilt für Ihr Zuhause: Kriminelle erkennen schon von außen, bei welchen Häusern man es besser nicht versucht.
Um die physischen und psychologischen Kniffe, die ich Ihnen weiter hinten vorstellen werde, richtig umsetzen zu können, müssen Sie sich zuerst darüber klar werden, welchen Eindruck Sie und andere vermitteln. Stellen Sie sich folgende Fragen: Wirke ich wie ein leichtes Opfer? Bewege ich mich selbstbewusst? Erscheint mein Haus unbewohnt? Wie sieht es mit meiner Umgebung aus? Verhält sich der Mensch, der im Restaurant am Nebentisch sitzt, verdächtig? Verfolgt Sie der Mann, den Sie schon vorhin im Supermarkt gesehen haben? Sich darüber bewusst zu werden, wie man von anderen wahrgenommen wird, spielt eine wichtige Rolle bei der Vermeidung von Verbrechen.
Regel 6: Machen Sie sich klar, was »normal« ist
Geheimdienstarbeit beruht genau darauf. Solange man sich mit einem Ort nicht vertraut gemacht hat, kann man nicht wissen, wann Gefahr droht. Ist auf dieser Straße immer so viel los? Ist der Geräuschpegel normal für diesen Ort? Oder ist etwas passiert? Sie müssen schon genau wissen, was für Ihr Zuhause, Ihre Straße und die Gegend um Ihren Arbeitsplatz »normal« bedeutet, sonst erkennen Sie nicht rechtzeitig, wenn Gefahr droht und sofortiges Handeln erforderlich ist. Die Fähigkeit festzustellen, was »normal« ist, ist das A und O jeder geheimdienstlichen Tätigkeit, und ich bringe sie Ihnen bis in die Feinheiten bei.
Regel 7: Seien Sie sich jederzeit Ihrer Umgebung bewusst
Diese letzte Regel bildet den Eckpfeiler meiner Philosophie. Keine Ausbildung...