1. Prinzipien: man weiß, was man erlebt hat
Die folgenden Sprichworte und Redewendungen beschreiben eine der am besten bekundeten Weisheiten der Germanen – offensichtlich waren sie Pragmatiker ...
„Man kann es nicht wissen, bevor man es nicht versucht hat.“
anonym: Saga über Grettir den Starken
„Man wird erkennen, was man länger geprüft hat.“
anonym: Malashatta-Kvädi
„Man erkennt ein Ding, wenn man es erlebt.“
Snorri Sturluson: Gylfaginning (Edda)
„Was man erprobt hat, weiß man.“
anonym: Saga über Grettir den Starken
„Wenig weiß man, bevor man es nicht versucht hat.“
anonym: Saga über König Harald Hart-Rat
„Mehr weiß der, der mehr versucht hat.“
anonym: Saga über den starken Grettir
„Was weiß der, der nichts versucht hat?“
anonym: Erreks-Saga
„Je mehr man erprobt, desto mehr lernt man.“
anonym: Saga über Grettir den Starken
„Unerprobtes hat keinen Nutzen“
anonym: Saga über Sigurd Thögla
anonym: Saga über Ketil Lachs
anonym: Saga über Feuer-Njal
anonym: Sigurd-Saga
anonym: Bosa-Saga
anonym: Saga über König Harald Hart-Rat
„Man muß es versuchen, wenn man vorankommen will.“
anonym: Saga über König Hrolf Stange und seine Berserker
„Wenn man sich nicht bemüht, wird man nie erfahren, in welche Richtung sich das Geschick wenden wird.“
anonym: Saga über König Hrolf Stange und seine Berserker
„Dann laßt es uns versuchen.“
anonym: Saga über Grettir den Starken
„Wir werden es ausprobieren.“
anonym: Saga über Grettir den Starken
„Man sagt, jede Sache könne zuende geführt werden, wenn sie dreimal erprobt worden ist.“
anonym: Geschichte über Egil Hall-Sohn
„Eine Sache ist erprobt, wenn sie dreimal erprobt worden ist.“
anonym: Kalund-Saga
„Es ist wahr, was man sagt: Man soll die Menschen lange auf die Probe stellen.“
anonym: Saga über den starken Grettir
„Man muß sich gegenseitig prüfen.“
anonym: Ältere Fridthjof-Saga
„Man braucht Jahre, um einen Mann zu kennenzulernen.“
anonym: Morkinskinna
„Probieren geht über studieren.“
heutiges deutsches Sprichwort
„Versuch macht klug.“
heutiges deutsches Sprichwort
Man weiß, was man versucht, gesehen und erforscht hat – alles andere weiß man nicht und ist unsicher.
2. Prinzipien: sich auf sich selber verlassen
Die Frage, wem man vertrauen und auf wen man sich verlassen kann, ist vermutlich in allen größeren Gemeinschaften gestellt worden.
„Vertraue Dir selber!“
anonym: Die Beschwörung der Groa
„Vertraue nie einem mehr als Dir selbst!“
anonym: Saga über Grettir den Starken
anonym: Konrad-Saga
„Ich sage Dir: Es scheint mir besser für Dich zu sein, was Du in deiner eigenen Brust trägst, als das, was er weiß und was er entscheiden will.“
anonym: Konrad-Saga
„Du mußt selber am besten wissen, was wahr ist.“
anonym: die sehr hilfreichen Aussprüche des Weisen
„Seinen eigenen Händen kann man am meisten trauen.“
anonym: Saga über Speer-Glum
„Es ist wahr, dies alte Sprichwort, daß 'die eigene Hand die verläßlichste ist'.“
anonym: Saga über Kampf-Glum
Snorri Sturluson: Saga über König Olaf den Heiligen
„Die Wölfe fressen den Auftrag, den sie erhalten.“
(Was man anderen zu tun aufträgt, wird nur schlecht ausgeführt – insbesondere, wenn es um Kampf u.ä. geht. ('Wölfe' = 'Krieger'))
anonym: Saga über Feuer-Njal
Am sichersten kann man sich immer auf sich selber verlassen. Insbesondere im Kampf und in ähnlich existentiellen Situationen ist es riskant, auf die Unterstützung anderer zu bauen.
Allerdings kannten die Germanen durchaus auch die Treue und Freundschaft (siehe die Sprichworte über die Freundschaft).
3. Prinzipien: geschehen ist geschehen
Die Germanen waren recht pragmatisch, was begangene Fehler oder geschehene Unglücke anging: Da man sie nicht mehr ändern konnte, hatte es wenig Sinn, sie sich selber vorzuhalten oder in einer anderen Weise darüber zu klagen.
„Was getan wurde, ist getan.“
anonym: Saga über Grettir den Starken
„Es ist sinnlos, sich über das zu sorgen, was bereits geschehen ist.“
anonym: Saga des Bjarna, Kämpfer aus dem Heiß-Tal
„Es ist sinnlos, sich selbst dafür zu tadeln, was getan wurde.“
anonym: Saga über Kampf-Glum
„Mit den Dingen, die bereits getan wurden, müssen wir zufrieden sein.“
anonym: Saga über Fridthjof den Kühnen
„Geschehen ist geschehen.“
heutige deutsche Redewendung
„Vorbei ist vorbei.“
heutige deutsche Redewendung
„nicht über vergossene Milch klagen“
heutige deutsche Redewendung
Klagen und Selbstvorwürfe helfen niemandem, weshalb man lieber wieder etwas Nützliches tun und evtl. etwas aus dem Geschehen lernen sollte.
4. Prinzipien: Unbeständigkeit und Unvorgesehenes
Es ist eine allgemeine menschliche Erfahrung, daß das Leben viele unvorhergesehene Wendungen nimmt und nur wenig beständig ist. Diese Erfahrung hat u.a. auch den Titel des chinesischen Orakel- und Weisheitsbuches „I Ging“ („Buch der Wandlungen“) geprägt.
4. a) Wetter
„Der Nacht freut sich wer des Vorrats gewiß ist,
Doch herb ist die Herbstnacht.
Fünfmal wechselt oft das Wetter am Tag:
Wie viel mehr im Monat!“
anonym: Odins Weisheiten im Havamal
4. b) Reichtum
„Wer wenig weiß, der weiß auch nicht,
Daß einen oft der Reichtum äfft;
Einer ist reich, ein andrer arm:
Den soll niemand narren.“
anonym: Odins Weisheiten im Havamal
„Volle Speicher sah ich bei Fettlings Sprossen,
Die heute am Hungertuch nagen:
Überfluß währt einen Augenblick,
Dann flieht er, der falscheste Freund.“
anonym: Odins Weisheiten im Havamal
„Besitz und Gesundheit sind niemandem sicher, wie gut es ihm auch gehe.“
anonym: Sonnenlied
„Ich sah in einer Menschenmenge
einen Mann mit langem Haar;
ihm war jedoch bestimmt,
kahl zu werden,
so wie dieser ist der Mann mit vielem Geld,
der später arm wurde.“
anonym: die sehr hilfreichen Aussprüche des Weisen
4. c) neue Erfahrungen und Erkenntnisse
„In unserer Jugend dachten wird, daß das Gegenteil wahr sei.“
anonym: Saga König Harald Hart-Rat
„Reisen weiten in unerwarteter Weise.“
anonym: Streit-Tal-Saga
„Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erleben.“
veraltetes deutsches Sprichwort
„Rede nicht zu viel
über mancherlei Dinge,
tadle wenig und lobe nicht,
denn schon nach kurzer Zeit wird das,
was die Leute als gut und übel angesehen haben
sich verändern.“
anonym: die sehr hilfreichen Aussprüche des Weisen
4. d) Erwartung von Veränderungen
„Ich glaube, daß sich vieles schnell ändern wird.“
anonym: Saga über Grettir den Starken
4. e) alles ist vergänglich
„Dies verging und jenes wird wohl auch vergehen.“
anonym: Deor (Exeter-Buch)
„Nichts ist so heiß, daß es nicht erkalten würde;
und nichts ist so weiß, daß es nicht schmutzig werden würde;
und nichts ist so geliebt, daß es nicht verhaßt werden kann;
und nichts ist so angenehm, daß es nicht unangenehm werden kann;
und alles, was nicht ewig ist, muß vergehen – die ganze Freude der Welt.“
Nicholas von Guildford: Die Eule und die...