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E-Book

Im Fadenkreuz der Spione

Wie Agenten Österreich unterwandern

AutorFlorian Horcicka
VerlagVerlag Kremayr & Scheriau
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl192 Seiten
ISBN9783218010528
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Spannend wie ein Thriller liest sich das neue Buch des Aufdeckungsjournalisten Florian Horcicka. Seit Jahren beobachtet er die Spionage-Szene in Österreich - jetzt packt er sein Wissen aus. Welche Bedeutung hat Österreich im internationalen Spionage-Geschäft? Wie arbeiten die Agenten aus den ehemaligen Ostblockstaaten, für die Wien eine zentrale Drehscheibe ist? Wie dicht geknüpft ist ihr Netzwerk, und wie beeinflussen sie die Politik? Welche Rolle spielt das Heeresnachrichtenamt in dieser geheimen Gesellschaft? Mit seinen guten Verbindungen zu politischen Entscheidungsträgern hat es eine nicht zu unterschätzende Macht im Staat. Von Bedeutung ist auch die Wirtschaftsspionage: Welche Firmen stehen im Visier? Wie gehen die Agenten vor? Und welchen Einfluss haben sie auf Unternehmens-Entscheidungen? OMV oder OPEC sind nur zwei Beispiele von Organisationen, für die sich Agenten aus aller Welt brennend interessieren. Mit vielen atmosphärischen Beschreibungen zeichnet Florian Horcicka ein plastisches Bild des Lebens in dieser Schattengesellschaft.

Florian Horcicka, geboren in Wien, ist seit 2000 als Journalist tätig. Seine berufsbedingte Neugier hat ihn tief in wirtschaftliche und politische Affären (Bawag-Skandal, NSA, Hypo) geführt. Regelmäßig sorgt er mit seinen Enthüllungen für Aufsehen. Nach Stationen bei News, Österreich und Format war er zuletzt beim trend tätig. Seine Spezialgebiete: Wirtschaftskriminalität, Ostpolitik und Geheimdienste.

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Leseprobe

Große und kleine Geheimnisse


Die an Langeweile grenzende Unaufgeregtheit des Geschäfts mit der Informationsbeschaffung darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Österreich noch immer – oder besser: so intensiv wie nie zuvor – im Mittelpunkt zahlreicher Interessen östlicher, westlicher und arabischer Geheimdienste steht. Ja, geradezu von deren Agenten unterwandert wird. Das ist kein Hirngespinst von Verschwörungstheoretikern, sondern offizielle Lesart. Der Verfassungsschutzbericht 2014 des Innenministeriums hält dazu wörtlich fest: „Das österreichische Bundesgebiet ist für fremde Nachrichtendienste attraktiv, die Gründe liegen in der geopolitischen Situation des Landes und haben auch historische Wurzeln.“ Und der Bericht nimmt auf echte Spione Bezug: „Die konspirative Beschaffung umfasst die klassische Spionagetätigkeit, wie beispielsweise das Anwerben von menschlichen Quellen, den Einsatz von Agenten/Informanten, die Einschleusung von nachrichtendienstlichen Mitarbeitern in Zielbereiche, das Eindringen in Informationssysteme oder die Überwachung der Telekommunikation.“ Das klingt ernst – vor allem vor dem Hintergrund, dass das Innenministerium in Sachen Spio­nage nicht unbedingt zu übertriebenem Alarmismus neigt. Noch bedenklicher, wenn man bedenkt, dass kein Ende dieses Spionage-Booms in Sicht ist. Im Gegenteil.

Österreich, wie auch andere mitteleuropäische Länder, werden mittelfristig noch weiter in den nachrichtendienstlichen Fokus geraten. Das hat mit dem zunehmend feindlichen Kräftemessen zwischen den Vereinigten Staaten in Kooperation mit deren engsten Verbündeten auf der einen Seite und Wladimir Putins Russland auf der anderen zu tun. Terrorismus, Ukraine-Konflikt, Spannungen im Baltikum, massive Migrationsbewegungen und arabische Investitionstätigkeit verschärfen die Situation zusätzlich. Hinzu kommen auch vordergründig wenig naheliegende Themen, wie versuchte (und gelungene) Embargo-Brüche Nordkoreas unter Zuhilfe­nahme österreichischer Gewährs- und Geschäftsmänner. Oder der Transfer von Atom-Technik in unfreundliche Weltgegenden via Wien. Sagen wir so: Trotz vergleichbarer Größe ist es in München oder Hamburg spionagemäßig deutlich ruhiger als in Wien. In Berlin sicher nicht …

Häufig stellt sich die Frage, was es denn in Österreich an politisch so interessanten Dingen gibt, die ausspioniert werden könnten. In der Wirtschaft gibt es deutlich mehr – dazu aber später. Die Wahrheit: relativ wenig. Es geht vielmehr um diskrete Treffen und Datenübergaben oder schlicht um Beobachtung der Aktivitäten anderer Länder und deren Diensten. Österreich selbst steht meist nicht als Spionage-Ziel im Mittelpunkt, sondern vielmehr seine Organe, seine Rechtsinstitute, seine im Land beheimateten Organisationen, die gebraucht und missbraucht werden. Österreich ist weniger Ziel- als Drehscheibe.

Es gibt in der Bartensteingasse im 1. Bezirk eine alte Tankstelle, die so eng ist, dass tankende Autos auf eine drehbare Platte fahren müssen, um die Zapfsäulen und dann wieder die Ausfahrt erreichen zu können. Österreich ist gewissermaßen diese Drehscheibe auf der geopolitischen Bühne der Geheimdienste. Das Land ist weder Tankwart noch Zapfsäule, sondern lediglich der Hilfsarbeiter, der die Scheibe dreht und selbst bei auffälligen Wagen wegschaut. Und es kommen viele Wagen. Einzig das Trinkgeld muss stimmen. Und die Öffentlichkeit soll möglichst wenig davon mitbekommen. Das klappt im Großen und Ganzen recht gut.

Kommen wir dennoch kurz zu Spionage-Interessen an Österreich selbst. Die meisten Informationen in über das Land sind verhältnismäßig leicht zu erlangen. Trotz Amtsgeheimnis und Datenschutz ist Österreich nämlich im Vergleich, vor allem zu seinen östlichen Nachbarn, ziemlich transparent. Und wer sich einmal in den Vereinigten Staaten (und sei es nur auf dem Konsulat) auf einen Papierkrieg eingelassen hat, wird das Service heimischer Magistratsabteilungen und Gemeindeämter hoch schätzen. Schlussfolgerung: Wer Auskünfte will, bekommt sie in der Regel auch.

Zudem ist Österreichs Militär spätestens seit den 1990er Jahren unbedeutend. Feste Verteidigungsanlagen sind demontiert oder verrottet. Die Luftstreitkräfte werden von Militärs anderer Länder in Anlehnung an einen einstigen Austrian-Airlines-Werbeslogan als „Friendly Airforce“ bezeichnet. Die Miliz ist am Boden, und über den Zustand der (gepanzerten) Fahrzeugflotte bleibt besser ein vornehmes Schweigen gebreitet. Österreich bedroht niemanden. Es kann sich nicht einmal selbst ausreichend schützen. Es verwaltet sich – und das gilt insbesondere für das Bundesheer.

Eine gewisse Nachfrage gibt es bisweilen nach nicht öffentlichen Informationen der Wirtschaftskammer. Vor allem die Listen von an Wirtschaftsmissionen und Staatsbesuchen teilnehmenden Firmen sind für einige nebenberufliche Agenten von Interesse. Denn dabei geht es wirklich um Geld, viel Geld. Und eine Bemerkung sei noch erlaubt: Um das sagenumwobene Maturazeugnis von Ex-Bundeskanzler Werner Faymann hat sich offenbar noch kein Nachrichtendienstler bemüht.

Freilich sind Nachrichtendienste in Einzelfällen auch an Gerichtsakten, Vorstrafen und Führerscheinabnahmen von Einzelpersonen interessiert (der Grund ist schlichte Erpressbarkeit), doch es gibt noch einen Gegenstand von quasi übergeordneter Wichtigkeit.

Was wenige Bürger wissen und zugleich wie ein Wort aus einem Trash-Roman klingt: Es gibt in Österreich sogenannte Staatsgeheimnisse. Dem Gesetzgeber ist es aber ernst damit. Deren Schutz ist im Strafgesetzbuch in den Paragraphen 252 bis 255 geregelt und mit Strafdrohungen bis zu zehn Jahren Haft bedroht. Es handelt sich allerdings um totes Recht – im Gegensatz zu dem gelegentlich angewendeten nachfolgenden Paragraphen betreffend den Tatbestand „Geheimer Nachrichtendienst zum Nachteil Österreichs“. Dazu, und was Ex-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer, der bekannte Rechtsanwalt Gabriel Lansky und die Ex-Sowjetrepublik Kasachstan damit zu tun haben, ebenfalls später.

Zu den wenigen, die mit Staatsgeheimnissen aus journalistischer Sicht in Berührung kamen, zählt der weitgereiste Reporter Karl Wendl, der sich einst für den Notfallbunker der Regierung in der Stiftkaserne interessierte. Das Bundesheer war wenig erfreut und machte große Schwierigkeiten, die aber nach juristischen Strohfeuern und einigem Getöse auf österreichische Art kalmiert wurden. Worum geht es in der Sache? Die Details dieses geheimen Kommandostands mit Notversorgung für mehrere Monate und unterirdischer Verbindung zu Hofburg und Ballhausplatz zählen wohl zu den bestgehüteten Mysterien der Republik. Im bzw. unter dem einstigen Flakturm hinter dem Museumsquartier befindet sich der wichtigste Rückzugsort für die Verantwortungs- und Würdenträger des Landes. Die meterdicken Stahlbetonmauern aus Hitlers Großmachtfantasie sollen die Handlungsfähigkeit im Fall einer Natur- oder Nuklearkatastrophe ebenso garantieren wie im Falle von Kriegshandlungen, Revolten und Ähnlichem. Auch gegen Seuchen ist man hier gewappnet. Das Ding spielt alle Stückerln. Ist aber streng geheim. Technische Ausstattung, Bevorratung, ja selbst die Gestaltung der Schlafmöglichkeiten unterliegen dieser strengsten Geheimhaltung. Oder doch nicht? Immer wieder tauchen Details über den Bunker auf – etwa Zeitungsartikel über die „geheime“ U-Bahn-Verbindung vom Ballhausplatz unter die Stiftskaserne und andere Spezial-U-Bahn-Tunnel, die angeblich bis zum Körner-Kommandogebäude des Heeresnachrichtenamtes HNaA in Breitensee führen sollen (Letzteres ist völliger Schwachsinn, da es bereits einen sehr großen und viel befahrenen Tunnel, nämlich den der Vorortelinie S45 gibt. Dieser wäre einer U-Bahn-Verbindung zum HNaA quasi im Weg). Die Verbindung zur Stiftskaserne mit ihrem Flakturm gibt es aber tatsächlich und sie ist auch in Open-Source-Quellen der Stadt Wien online abrufbar. Einmal im Jahr wird übrigens die Verlegung der Mächtigen der Republik dorthin geübt – freilich mit Statisten und nicht mit echten Ministern.

Seit Kurzem haben die Geheimniskrämer rund um den Stiftsbunker freilich mit unerwarteter Transparenz zu kämpfen. Die Russen sind nämlich dabei, ihre sogenannten Trophäendokumente zu digitalisieren und zu veröffentlichen. Das sind Akten aus dem Dritten Reich, die nach der Kapitulation Hitler-Deutschlands im Mai 1945 von den Befreiern mitgenommen wurden. Die Sowjets hatten besonderes Glück – ihnen fiel der Reichstag in Berlin samt umfangreichem bürokratischem Fundus in die Hände. Darunter auch Unterlagen der SS, der Gestapo, aber auch Dossiers und Pläne aus dem Führerhauptquartier. Was das mit Wien zu tun hat? Nun, darunter sind auch detaillierte Pläne zum Bau des Flakturms in der Stiftskaserne, die bis auf einige technische Modernisierungen bis heute Gültigkeit haben. Besonders interessant: Die Akte 580 zu den „Unterlagen zu den Flak-Türmen in Wien in russischer Sprache“. Man sieht den Innenaufbau des Turms, Fotos der Errichtungsphase, Lüftungstechnik und – besonders interessant – das Fundament. Das Abwehramt des Bundesheers weiß natürlich davon und ist über diese mit etwas Anstrengung und Russisch-Kenntnissen online gut abrufbare „Forschungsleistung“ alles andere als glücklich. Geheim bleibt der Regierungsbunker am Spittelberg dennoch.

Im Zusammenhang mit den Nachrichtendiensten des Bundesheers sind noch einige bemerkenswerte Dinge zu vermelden. So gibt es einen Widerspruch zwischen der anerkannten Aufklärung am Balkan und in anderen Ländern und einer profanen Darstellung im Inneren Österreichs. Bekannterweise logiert das Heeeresnachrichtenamt (HNaA) im sogenannten General-Körner-Kommandogebäude in der Wiener Hütteldorfer Straße 126 (ein kleinerer Teil ist in der...

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