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E-Book

Der Urriese Ymir

Die Götter der Germanen - Band 33

AutorHarry Eilenstein
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl220 Seiten
ISBN9783743155398
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Die Reihe Die achtzigbändige Reihe 'Die Götter der Germanen' stellt die Gottheiten und jeden Aspekt der Religion der Germanen anhand der schriftlichen Überlieferung und der archäologischen Funde detailliert dar. Dabei werden zu jeder Gottheit und zu jedem Thema außer den germanischen Quellen auch die Zusammenhänge zu den anderen indogermanischen Religionen dargestellt und, wenn möglich, deren Wurzeln in der Jungsteinzeit und Altsteinzeit. Daneben werden auch jeweils Möglichkeiten gezeigt, was eine solche alte Religion für die heutige Zeit bedeuten kann - schließlich ist eine Religion zu einem großen Teil stets der Versuch, die Welt und die Möglichkeit der Menschen in ihr zu beschreiben. Das Buch Der Urriese ist neben der Großen Mutter, der Seele und dem Totempfahl eines der wenigen Symbole, die sich bis weit in die Altsteinzeit hinein zurückverfolgen lassen. Er ist die Welt selber, die als Mensch aufgefasst wird. Die Parallelen zu Ymir lassen sich in den Religionen der Indogermanen über die der Ägypter, Sumerer und Chinesen bis hin zu der Religion der Quechuas ('Inkas') finden. Er spielt in den Mythen der Germanen naturgemäß nur in der Schöpfungsgeschichte eine prägende Rolle, aber die Vorstellungen über ihn strahlen auch bis in die späteren Mythen hinein und bilden deren Grundlage.

Ich bin 1956 geboren und befasse mich nun seit 40 Jahren intensiv mit Magie, Religion, Meditation, Astrologie, Psychologie und verwandten Themen. Im Laufe der Zeit habe ich ca. 40 Bücher und ca. 50 Artikel für verschiedene Zeitschriften verfasst. Seit 2007 habe ich meine jahrzehntelange Nebentätigkeit ausgeweitet und bin nun hauptberuflich Lebensberater. Dies umfasst die eigentlichen Beratungen, aber auch das Deuten von Horoskopen, Heilungen, Rituale, Hilfe bei Spukhäusern u.ä. Problemen, Ausbildung in Meditation und Feng Shui und vieles mehr. Auf meiner Website www.HarryEilenstein.de finden Sie einen Teil meiner neueren Artikel und auch einen ausführlichen Lebenslauf.

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Leseprobe

I Ymir in den Texten der Edda


Die Edda ist eine Sammlung von Liedern und Erzählungen über die germanischen Götter und z.T. auch über die germanischen Helden.

Das Wort „Edda“ ist vermutlich eine Umbildung des lateinischen Wortes „editio“, das „Herausgabe“, „Textsammlung“, „Zusammenfassung“ u.ä. bedeutet und von dem sich auch das heutige „Edition“ ableitet. Man kann Edda etwas freier auch mit „Erzählungen“ übersetzen.

Der Name dessen, der die Lieder-Edda zusammengestellt hat, ist unbekannt. Die Prosa-Edda wurde um ca. 1220 n.Chr. von dem isländischen Skalden (Dichter) und Politiker Snorri Sturluson (1179-1241) aus alten isländischen Liedern und Erzählungen, die wahrscheinlich schon mehrere Jahrhunderte mündlich weitergegeben worden waren, zusammengetragen. Auf dieses Alter weisen u.a. deutlich ältere Bildsteine hin, auf denen Szenen aus der Edda dargestellt worden sind.

Ein Skalde war nicht nur jemand, der Mythen und Lieder vortrug, sondern vor allem auch ein Bewahrer dieser auswendig gelernten Texte – auch dies spricht dafür, daß die Texte der Edda deutlich älter als 1220 n.Chr. sind. Ein dritter Grund für diese Annahme sind die Übereinstimmungen der dargestellten Mythen mit denen von anderen indogermanischen Völkern.

Snorri Sturluson hat diese Texte in seiner Edda niedergeschrieben, um sie dem norwegischen König Hákon Hákonarson und seinem Freund, dem norwegischen Jarl Skule Bårdson, zusenden zu können. Ein Jarl ist ein germanischer Fürst – der Titel entspricht dem englischen Earl und dem deutschen Graf.

I 1. Die Vision der Seherin


In diesem „Völuspa“, also „Ausspruch der Seherin“ genannten Lied beschreibt eine Seherin ihre Vision über die wesentlichsten Elemente der germanischen Weltanschauung im Zusammenhang mit der Götterdämmerung. Dieses Lied ist vermutlich das älteste in der Lieder-Edda.

In älteren Ausgaben der Edda wird „Völuspa“ oft mit „Der Seherin Gesicht“ übersetzt, wobei mit „Gesicht“ das „Zweite Gesicht“, also eigentlich die „Zweite Form des Sehens“, d.h. eine Vision gemeint ist.

Einst war das Alter, da Ymir lebte:

Da war nicht Sand, nicht See, nicht salzige Wellen,

Nicht Erde fand sich noch Überhimmel,

Gähnender Abgrund und Gras nirgends.

In der „Vision der Seherin“ wird Ymir noch ein zweites Mal erwähnt – allerdings nicht mit seinem Namen – er ist nur daran zu erkennen, daß aus seinen Gliedern die Zwerge erschaffen werden sollen.

Der umschreibende Name „Brimir“ für den Urriesen Ymir in dieser Strophe bedeutet „Brandung“, womit Yymirs Blut gemeint ist, aus dem das meer entstanden ist.

Der Name „Blain“ hat die Bedeutung „der Blaue“. Er bezieht sich wahrscheinlich auf die blau-schwarze Farbe der Leichen, da Ymir tot ist.

Die „Berater“ oder „Rater“ sind die Asen. Das altnordische Wort „Ragnar“ hat sowohl die Bedeutung „Ratgeber“ als auch „Macht“. Mit ihm ist das deutsche Wort „(König-)Reich“ verwandt, das sich auch in dem keltischen Wort „Reg“ für König, dem lateinischen „rex“ für „König“ oder in dem indischen „Radscha“ für „Fürst, König“ findet. Ein Ragnar ist also ein mächtiger Herr, der alles weiß und der über alles nachdenkt und alles entscheidet.

Da gingen die Berater zu den Richterstühlen,

Hochheilige Götter hielten Rat,

Wer schaffen sollte der Zwerge Geschlecht

Aus Brimirs Blut, aus Blains Gliedern.

Später heißt es in der „Vision der Seherin“, daß an dem Ort Okolnir („niemals kalt“) die Bierhalle eines Riesen stand, die „Brimir“ genannt wurde – sie ist vermutlich nach dem Namen dieses Riesen benannt worden. Hier wird Brimir der ehemalige Sonnengott-Göttervater Tyr als Riese im nächtlichen bzw. winterlichen Jenseits sein – Ymir als der zeitlich gesehen erste Riese und Tyr als der rangmäßig erste Riese sind mehrfach einander gleichgesetzt worden. Dies lag auch deshalb nahe, weil beide von den Asen getötet worden sind.

Der Name „Nidawellir“ in derselben Strophe bedeutet „die dunklen Felder“, was vermutlich eine Anspielung auf die Gräber der Toten ist, da der Saal, der an diesem Ort steht, der Sippe des Zwerges Sindri („Funken“) gehört und die Zwerge in der Erde die Ahnengeister in der Unterwelt sind – „Zwerg“ bedeutet wörtlich „Ahnengeist“. Sindri hat einige wichtige magische Gegenstände hergestellt.

Sindri ist einer der beiden Zwillings-Söhne des Tyr (der hier „Brimir“ genannt wird), die die Gestalt von zwei Jünglingen, zwei Schimmeln, zwei Wölfen, zwei Raben und zwei Zwergen annehmen konnten (siehe „Alcis“ in Band 12).

Die beiden Hallen in der folgenden Strophe werden ursprünglich vermutlich derselbe Saal des Tyr in der Unterwelt gewesen sein: die Grabkammer in seinem Hügelgrab.

Im Norden stand in Nidawellir

Ein Saal aus Gold, von Sindris Geschlecht;

Ein anderer stand auf Okolnir,

der Biersaal eines Riesen, und der heißt Brimir.

Auf diesen Saal bezieht sich auch ein Satz über die Skaldenkunst aus der Prosa-Edda (Skaldskarpamal). Dort erscheint diese Halle erst nach der Götterdämmerung. Dies Motiv stammt aus der Gleichsetzung des Ymir mit Tyr, der als Sonnengott jeden Morgen bzw. jedes Frühjahr wiedergeboren wird.

Der „reichliche Trank“, den es dort gibt, könnte sich auf den Met beziehen, der im Bestattungsritual getrunken wurde und der in den Mythen als Göttermet erscheint.

Überaus reichlich gibt es guten Trank für die, denen es Vergnügen bereitet, in dem Saal, der Brimir heißt. Er steht in Okolnir.

I 2. Das Grimnir-Lied


Das Grimnir-Lied ist eines der vielen Lieder, die Wissensgedichte sind, die in eine kleine Rahmenhandlung eingefügt wurden, die den Grund für die Darstellung dieses Wissens liefern. Diese Wissensgedichte wurden sehr wahrscheinlich von den Skalden (Dichtern) benutzt worden, um die Überlieferungen über die Götter auswendig zu lernen. Sie haben häufig die Frage-Antwort-Form eines Rätsels, die sich sehr gut zum Abfragen des Wissens des Skalden-Schülers durch den Skalden-Lehrer eignete.

Aus Ymirs Fleisch ward die Erde geschaffen,

Aus dem Schweiße die See,

Aus dem Gebein die Berge, die Bäume aus dem Haar,

Aus der Hirnschale der Himmel.

Aus den Augenbrauen schufen gütige Asen

Midgard den Menschensöhnen;

Aber aus seinem Hirn sind alle hartgemuten

Wolken erschaffen worden.

I 3. Das Wafthrudnir-Lied


Auch dieses Lied ist ein Wissens-Rätsel-Gedicht. Der „Lehrer“, der die Fragen stellt, ist in diesem Lied Gangrad (Odin) und der „Schüler“, der ihm die richtigen Antworten geben muß, ist der Riese Wafthrudnir (Tyr). Hier ist der Rätsel-Wettstreit von den Skalden dazu benutzt worden, um die Überlegenheit des Odin über den von ihm abgesetzten ehemaligen Göttervater Tyr (Wafthrudnir) zu „beweisen“.

Der Name Wafthrudnir bedeutet „der im Verwickeln Starke“ – dieser Name bezieht sich möglicherweise nicht nur darauf, daß Wafthrudnir geschickt im Fesseln und Binden ist, sondern auch darauf, daß er mit seinen Worten Unachtsame binden und fesseln kann, denn dieser Riese galt als besonders weise. Seine Weisheit besaß Wafthrudnir vermutlich deshalb, weil er der Sohn des Urriesen Ymir und zudem, was hier jedoch nicht ausgesprochen wird, der ehemalige Göttervater Tyr gewesen ist.

Im Wafthrudnir-Lied gibt es neben der direkten Erwähnung des Ymir auch eine indirekte Erwähnung über den Urriesen, der dabei Aurgelmir genannt wird. Snorri erzählt in der Prosa-Edda, daß Ymir von den Eisriesen Aurgelmir genannt wird.

Die Bedeutung dieses Namens ist „Licht-Rufer-Riese“, womit der Priester, der des morgens die Sonne (Tyr) anruft gemeint ist. Der Name ist jedoch auch für Tyr selber benutzt worden – ähnlich wie die Priester des Tyr „Diar“ genannt wurden, was nur eine ältere Variante von „Tyr“ ist.

Der Name des Bergelmir Aurgelmir-Sohn bedeutet „Bär-Rufer-Riese“ und der Name des Drudgelmir Bergelmir-Sohn bedeutet „Kraft-Rufer-Riese“. Der Priester scheint des morgens den hell leuchtenden („aur“) Sonnengott-Göttervater Tyr, der stark („drud“) wie ein Bär („ber“) bzw. wie ein Berserker (Bären-Kampfekstase-Krieger) ist, angerufen zu haben.

Gangrad...

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