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E-Book

Für eine bessere Zukunft

AutorJustin Trudeau
VerlagHerbig
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl320 Seiten
ISBN9783776682571
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Der sympathischste Regierungschef der Welt. Oh wie schön ist Kanada! Neben atemberaubender Natur und faszinierenden Großstädten hat das Land nun auch ihn: Justin Trudeau. Sein gutes Aussehen und seine charismatische Art brachten ihm weltweite Aufmerksamkeit, doch man darf ihn darauf nicht reduzieren. Seine progressive Politik, ein Kabinett, das zur Hälfte aus Frauen besteht und in dem auch Minderheiten zahlreich vertreten sind, sein menschlicher Umgang mit syrischen Flüchtlingen - er macht einfach alles richtig. Hier erzählt er seine Geschichte. Von der Kindheit mit dem naturverbundenen Vater bis hin zu den Menschen und Ereignissen, die seinen Werdegang und seine politischen Ansichten prägten. Dabei war und ist er durchaus auch ein Rebell. Ein tätowierter Boxer, der sich selbst als Feminist bezeichnet, gerne Yoga macht und Marihuana legalisieren möchte. Ein Widerspruch? Ganz und gar nicht!

Justin Trudeau, Sohn des ehemaligen kanadischen Premierministers Pierre Trudeau, ist seit 2013 der Vorsitzende der Liberalen Partei Kanadas und wurde 2015 zum Premierminister gewählt. Nach dem Studium der Literaturwissenschaft in Montreal arbeitete er als Lehrer in Vancouver. 2003 machte er seinen zweiten Hochschulabschluss in Ingenieurwesen, bevor er 2006 in die Politik ging. Mit seiner Frau Sophie hat er drei Kinder.

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Leseprobe

Prolog

Wo immer man in der Küche und im Wohnzimmer unseres Hauses in Ottawa hinschaut, entdeckt man Fotos. Sie kleben auf dem Kühlschrank, stehen eingerahmt auf Regalböden und Arbeitsflächen, hängen an den Wänden. Offizielle Momente wechseln sich ab mit Lieblingsmotiven aus dem Familienkreis – Sophie mit den Trauzeugen bei unserer Hochzeit, Xaviers Einschulung, wir vier in Haida Gwaii auf unserer letzten Reise nach British Columbia, bevor Hadrien geboren wurde, ich mit Wählern in Papineau posierend, meine Brüder Sacha, Michel und ich, mit dem Fahrrad die Einfahrt zu 24 Sussex entlangfahrend, meine Mutter Margaret, lächelnd mit ihren Enkelkindern. Jedes einzelne dieser Fotos löst besondere Erinnerungen aus und hat eine Bedeutung für uns. Doch drei Fotos, die ein guter Freund von uns geschossen hat, fallen mir immer wieder ins Auge. Es sind Fotos, die nicht nur schöne Erinnerungen wachrufen, sondern auch eine Geschichte erzählen.

Auf dem ersten Foto sitzt ein Mann mittleren Alters im Heck eines Kanus und hält mit breitem Grinsen auf dem Gesicht das Paddel bereit. Das Kanu gleitet über einen Abschnitt rauen Wassers, und der Mann beobachtet einen im Bug des Kanus sitzenden Jungen, der sein Paddel mit bestenfalls fragwürdig zu nennendem Geschick handhabt. Der Mann ist mein Vater, der Junge bin natürlich ich. Wir fahren an einem milden Frühlingstag auf dem Wasser. Das Grinsen im Gesicht meines Vaters deutet darauf hin, dass er nicht zufriedener sein könnte. Ich glaube auch, dass er es ist, denn er nimmt mich auf eine besondere Fahrt mit, ein Initiationsritus, dem all seine Söhne unterzogen wurden.

Wir alle – Sacha, Michel und ich – haben diese Fahrt mit meinem Vater über diese Stromschnellen unternommen. Wir konnten noch kaum laufen, als Dad uns schon ein Paddel in die Hand drückte und uns in die Techniken der Voyageurs einwies. Unter seinem wachsamen Auge steuerten wir auf eine kleine Ansammlung von Stromschnellen zu, die den Abfluss des Harrington Lake in die Gatineau Hills markieren. Mein Vater wollte nicht, dass wir eine beschauliche Fahrt genossen; er wollte, dass wir uns einer Herausforderung stellten, an der Fahrt beteiligt waren, irgendwie mitarbeiteten und die Dinge selbst in die Hand nahmen. Er wollte, dass wir Spaß haben.

Auf dem nächsten Foto steuern zwei Männer ein Schlauchboot durch weit schwierigeres Gewässer als auf dem ersten Foto. Tatsächlich befinden sie sich inmitten einer Reihe ernst zu nehmender, reißender Stromschnellen. Der ältere Mann, der einen etwas strubbeligen Bart trägt, sitzt vorn im Boot und hat sich sein Kajakpaddel quer über die Beine gelegt. Angesichts der gefährlichen Krängung des Boots und des tückischen Gewässers ringsum wirkt er gleichermaßen beschwingt und besorgt. Hinter ihm, im Heck, konzentriert sich der wesentlich jüngere Mann darauf, einem wuchtigen Felsen in der Nähe auszuweichen.

Es sind dieselben beiden Menschen auf den zwei Fotos, die im Abstand von zwanzig Jahren aufgenommen wurden. Auf dem zweiten Bild genießt mein Vater die Fahrt, ich steuere das Boot, und wir gehen beide total in diesem Moment auf. Die Bilder sind Ausschnitte aus dem Lauf der Zeit und dessen Auswirkungen auf uns.

Das dritte Bild zeigt – Überraschung! – wieder ein Kanu. Dieses ist rot und glänzend, gleitet auf spiegelglattem Wasser dahin, und ich sitze erneut im Heck. Vom Bug aus winkt Sophie in die Kamera. Hinter ihr tut Ella-Grace es ihr nach, während Xavier auf der mittleren Bank sitzt und sich alles in Ruhe anschaut. Die Fotografie hält einen unserer zahlreichen Kanu-Ausflüge mit den Kindern fest. Dieses Foto, aufgenommen oberhalb von Miles Canyon auf dem Yukon River, ist deshalb von Bedeutung, weil es unseren letzten gemeinsamen Sommer als vierköpfige Familie festhält: Im folgenden Winter wurde unser Sohn Hadrien geboren.

Die Präsenz meines Vaters dominiert die ersten beiden Fotos, und ich bilde mir ein, dass er auch auf dem dritten präsent ist, dieses Mal im Geiste. Dass er Kanufahren liebte, ist kein Geheimnis. Es verband ihn mit der freien Natur, stärkte seinen Überlebensinstinkt und sein Unabhängigkeitsgefühl, und es knüpfte an seine Wurzeln als junger Mann, begnadeter Sportler und als Kanadier an. Er nutzte jede Gelegenheit, zumindest einen Teil des Tages damit zu verbringen, auf dem Wasser zu paddeln, einen Skihang hinabzupreschen oder einen Wanderweg zu erkunden. Ich werde wohl nie einem ausgebuffteren Naturburschen begegnen.

Die Fotos zeugen davon, wie die Zeit vergeht. Es sind aber auch die Bilder, die tief in mir einen Widerhall auslösen und mich meinen Vater am meisten vermissen lassen. In dieser gemeinsamen Zeit, in der wir damals miteinander paddelten oder wanderten, fühlten wir uns einander als Familie am engsten verbunden. Die Stadt war es, die durch Arbeitsstress und Politik sein Familienleben zuweilen zu ersticken drohte. In der Natur hingegen entspannten wir, indem wir Kontakt zu uns selbst aufnahmen, so, wie wir waren, und nicht so, wie andere uns haben wollten. Gemeinsam lernten wir, uns Hindernissen entgegenzustellen, Ängste zu überwinden, und wir fühlten uns unendlich mit unserem Land und seiner großartigen natürlichen Schönheit verbunden.

Heute ist es mir nicht mehr möglich, mir aus einer Laune heraus ein Snowboard oder ein Paddel und eine Schwimmweste zu schnappen und mich stundenlang oder tagelang auf einem Berg oder einem Fluss zu verlieren. Sophie und ich müssen derlei Momente für unsere Familie erkämpfen, im Urlaub oder an mit großer Vorfreude herbeigesehnten Sonntagen. Doch die Erfahrungen aus meiner Jugend sind in mir lebendig, und Sophie und ich wollen unseren Kindern diese weitergeben. Xavier, Ella-Grace und Hadrien sind der Mittelpunkt unserer Welt und der Grund, weshalb wir gemeinsam diese Reise unternommen haben.

Ich hatte die einmalige Gelegenheit, dieses Land in vielen Phasen meines Lebens zu erkunden – als Junge auf den Reisen mit meinem Vater, als junger Mann auf dem Weg in die Berge im Westen und während der Lehrerausbildung, als Leiter von Katimavik und jetzt als Vater und als Politiker. Jede dieser Reisen führte mir das Land vor Augen, in dem wir leben, die geografischen Entfernungen, die wir überbrücken müssen, und die reichen Gaben, die dieses Land hervorbringt. Landkarten können keinen Eindruck von Kanadas tatsächlichen Größenverhältnissen vermitteln, und Flugreisen verkleinern alles, was unser Land zu bieten hat. Aus zehntausend Metern Höhe kann man die Ausdehnung der Kornkammern in den Prärieprovinzen oder die Ingenieurleistung am Rogers Pass nicht wertschätzen. Man muss dafür auf dem Boden stehen, von wo aus man nicht nur das Land erkunden, sondern auch den Menschen begegnen kann, die diesem Land genauso zugetan sind, wie ich es bin.

Allzu viele von uns Kanadiern betonen ihre regionalen Unterschiede und vergessen dabei, was uns verbindet. Wir sind ein Volk, das zwei offizielle Sprachen spricht und eine Fülle anderer miteinander teilt. Bei all unseren Unterschieden, was Kultur, Geschichte und Geografie betrifft, verbinden uns doch gemeinsame Werte, welche die kanadische Identität ausmachen. Ich empfinde fest verwurzelte Liebe und Respekt gegenüber Kanada und weiß, dass außerordentliches Potenzial in uns steckt. Alles, was ich in meinem Leben gesehen und erlebt habe, hat diese Tatsache untermauert und verstärkt. Alle Vorschläge, die ich in meiner politischen Laufbahn mache, beruhen auf dieser Prämisse.

Allerdings kann dieses Potenzial leicht vertan und, einmal verschwendet, nicht so einfach wiederhergestellt werden. In den letzten Jahren verblasste die potenzielle Größe unseres Landes im Schatten polarisierender Politik und einer Tendenz, die Macht um ihrer selbst willen zu ergreifen. Das ist nicht das, was das Land braucht, und auch nicht das, was wir Kanadier wirklich wollen. Die Gründung unseres Landes basiert auf besseren Zielen als diesen, ist geprägt von einer Vision, die für Menschen in aller Welt einzigartig und auch ermutigend war.

Die Gefahr, dass diese Ziele aus den Augen verloren werden, war einer der Gründe, die mich in die Politik gehen und mich für eine andere Haltung plädieren ließen, um Kanada voranzubringen. In vielerlei Hinsicht spiegelt sich in meiner Haltung meine Erziehung wider und mein Bewusstsein, dass wir nicht nur den Reichtum unseres Landes, sondern auch die Verantwortung, diesen Reichtum zu schützen und zu fördern, teilen müssen. Wir müssen unsere viel gepriesene Toleranz und Integrationsbereitschaft und unseren Respekt für demokratische Werte zu schätzen wissen, aber auch noch einem Feinschliff unterziehen. Wir müssen das unschätzbare Erbe dieses weiten und wunderschönen Landes ehren und auch seine Verheißung einer reichen Zukunft für unsere Kinder und Kindeskinder.

Sehen Sie es mir bitte nach, wenn sich das jetzt ein wenig überschwänglich anhört. So etwas passiert mir bei Dingen, die ich liebe und hoch schätze. Ich habe dieses Buch geschrieben, um zu erklären, weshalb ich so empfinde in Bezug auf unser Land und wie ich lernte, die Initiative zu ergreifen.

Meine Vision für dieses Land ist stark geprägt von meinen Erfahrungen und den Einflüssen, unter denen ich stand – Trudeau und Sinclair, Vater und Mutter, Französisch und Englisch, Ost und West. So wie ein Fluss die Summe aus hundert Nebenflüssen ist, so bin ich das Produkt von vielen Menschen und Regionen.

Sohn war ich immer, aber heute bin ich auch Ehemann, Vater und ein Mensch voller Leidenschaft für sein Land. Und wenn ich den Wunsch hege, eines Tages die Gelegenheit zu bekommen, Kanada in eine Zukunft der Gerechtigkeit, Gleichheit und mit gemeinsamen Zielen zu führen, dann muss ich Ihnen meine Geschichte mit meinen eigenen Worten erzählen, sodass Sie...

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