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Ubermacht

Fahrziel Weltherrschaft - Wie Uber weltweit nicht nur die Taxibranche aufmischt

AutorAdam Lashinsky
VerlagPlassen Verlag
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl256 Seiten
ISBN9783864704420
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis17,99 EUR
Uber ist eines der bekanntesten und umstrittensten Unternehmen der 'Sharing Economy'. Es hat die globale Taxibranche vollkommen umgekrempelt und ist mitverantwortlich dafür, dass der Begriff 'Disruption' in aller Munde ist. Doch was will Uber eigentlich? In welche Richtung will es den Verkehr der Zukunft lenken? Oder geht es dem Unternehmen um viel mehr als nur um den Verkehr der Zukunft? Adam Lashinsky deckt die Pläne und Motive der Firma und seines schillernden und skrupellosen Chefs Travis Kalanick auf. Und er zeigt, wie Disruption im großen Stil funktioniert, welche Konsequenzen sie für die Zukunft der Arbeit haben wird - und wie wir mit ihr umgehen können.

Adam Lashinsky schreibt für das Fortune Magazine über die Themenbereiche Technologie und Finanzen. Als Kolumnist war er unter anderem für TheStreet.com tätig. Er verfasste den Bestseller 'Inside Apple'.

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Leseprobe

1. EINE WILDE FAHRT DURCH CHINA


Travis Kalanick sitzt im Fond eines schwarzen Mercedes mit Chauffeur, der sich seinen Weg durch die verstopften Straßen von Peking bahnt. Es ist Hochsommer 2016 und der Himmel über der chinesischen Hauptstadt ist düster vor Dreck, die Luft schwül und unbewegt. Als CEO von Uber, des wertvollsten Start-ups der Welt, kommt Kalanick seit inzwischen drei Jahren ungefähr alle drei Monate nach China. Alle diese Reisen von seiner Heimatbasis in San Francisco aus sind Teil eines teuren und abenteuerlichen Versuchs, den globalen Erfolg von Uber als disruptivem Mitfahr-Dienst im bevölkerungsreichsten Land der Welt zu wiederholen.

Die drei Tage zuvor hat Kalanick in Tianjin verbracht, einer Megacity am Gelben Meer, zwei Stunden südöstlich von Peking. Er war dort Co-Vorsitzender bei dem vom Weltwirtschaftsforum (WEF) organisierten Jahrestreffen der New Champions, auch als Sommer-Davos bezeichnet. Wenige Wochen vor seinem 40. Geburtstag war Kalanick der Star von Tianjin und konnte die erheblichen Vorteile seiner neuen weltweiten Bekanntheit genießen. Das von ihm geführte Start-up aus Kalifornien gibt es erst seit sechs Jahren, doch bei der internationalen Konferenz in der Nebensaison bekam er eine Audienz beim zweitmächtigsten Mitglied der chinesischen Regierung, Premierminister Li Keqiang. Kalanick nahm an WEF-Podiumsdiskussionen teil, die von westlichen und chinesischen Fernsehjournalisten moderiert wurden, versuchte bei einem privaten Abendessen mit den lokalen Uber-Managern für Tianjin mutig, einen traditionellen Pfannkuchen zu wenden, und steckte die Köpfe mit anderen Entrepreneuren zusammen. Einer von ihnen war Lei Jun, Gründer des hoch bewerteten chinesischen Smartphone-Herstellers Xiaomi. Dessen mutige Aussagen und das umstrittene Geschäftsmodell seines Unternehmens, ultrabillige Telefone zu verkaufen, haben dafür gesorgt, dass Lei in China so berüchtigt ist wie Kalanick überall sonst.

Schon jetzt ist Kalanicks Reise ein Erfolg, jedenfalls gemessen an den dem Image förderlichen Erwähnungen in der chinesischen und internationalen Presse. Premierminister Li, der sich offensiv für Unternehmertum in China einsetzt, nannte Kalanick einen „Pionier“. Das tat er auf Englisch, eine schmeichelhafte Geste und ein Detail, auf das die in China tätigen Helfer des Uber-CEO die lokale Presse eifrig hinwiesen. Tatsächlich sorgt jede einzelne Äußerung von Kalanick auf dieser Reise für Schlagzeilen. Bei einem WEF-Kamingespräch wird er gefragt, ob autonome Autos von Menschen gefahrene überflüssig machen könnten. Als Antwort feuert Kalanick einen der Einzeiler ab, für die er bekannt ist und manchmal kritisiert wird, eine Kombination aus Leichtfertigkeit, Prahlerei und Humor von der Sorte „leg dich nicht mit mir an“. „Manche werden vielleicht noch ein Auto besitzen, so wie andere ein Pferd“, gab er unter den bewundernden Blicken des Publikums trocken zum Besten. „Sie wissen schon, um am Wochenende ein bisschen damit herumzufahren oder so.“

Nach der Abfahrt aus Tianjin und in der Privatheit seines von einem Menschen chauffierten Autos auf der Straße nach Peking jedoch weicht Kalanicks freche gute Laune einer gereizten Angespanntheit. Tatsächlich hat er gerade eine ausgewachsene Krise zu überstehen. Er wählt sich in eine Telefonkonferenz mit Uber-Führungskräften aus drei Ländern auf zwei Kontinenten ein. Ein Team von Kommunikationsmanagern ist aus San Francisco dabei. Andere Teilnehmer rufen aus Seoul in Südkorea an. Zwei weitere Führungskräfte sitzen mit Kalanick im Auto, beide entscheidend für die Pläne von Uber in Asien. Einer von ihnen heißt Emil Michael, ist Chief Business Officer von Uber und die rechte Hand des Chefs für alle Fälle; ihm hat Kalanick just auf dieser Reise den Auftrag gegeben, geheime Verhandlungen über den Verkauf des Uber-Geschäfts in China an den größten Konkurrenten Didi Chuxing zu führen, bei denen viel auf dem Spiel steht. Die zweite Führungskraft im Auto heißt Liu Zhen, ist Strategieleiterin bei Uber China und die bekannteste chinesische Mitarbeiterin des Unternehmens. Liu ist zugleich Cousine ersten Grades von Jean Liu, einem früheren Goldman-Sachs-Banker; er selbst ist heute President von Didi, sein Vater der Gründer des Computer-Giganten Lenovo.

Bei der Telefonkonferenz geht es um die Frage, ob Kalanick am nächsten Tag wie geplant für einen höchst ungewöhnlichen Termin nach Seoul reisen sollte. Ende 2014 hatte ein koreanischer Staatsanwalt ihn angeklagt, weil er ihn für den nach Ansicht der südkoreanischen Behörden illegalen Taxi-Dienst von Uber in dem Land verantwortlich machte. Konkret ging es um eine Variante des in den USA beliebten Dienstes UberX, bei dem private Fahrer Passagiere in ihren eigenen Autos transportieren. Kalanick hat sich bereit erklärt, vor Gericht zu erscheinen, um auf die Vorwürfe zu reagieren. Nach langen Verhandlungen mit der koreanischen Staatsanwaltschaft hatte das Rechtsteam von Uber sich folgenden Plan ausgedacht: Kalanick sollte sich eines Vergehens schuldig bekennen, das im Prinzip nur eine Ordnungswidrigkeit darstellt – und dann sofort freigelassen werden.

Aus rein rechtlicher Sicht ist der Auftritt vor einem Gericht in Seoul ein geringes Risiko. Die Staatsanwälte haben den Uber-Anwälten versichert, dass Kalanick auf jeden Fall eine Bewährungsstrafe bekommen wird, sodass er Seoul nach Belieben verlassen kann. Das wäre kein Problem für den CEO, der inzwischen daran gewöhnt ist, Streit mit Regulierungsbehörden und anderen offiziellen Stellen in der ganzen Welt anzufangen. Seit der ersten Unterlassungserklärung der Stadt San Francisco im Jahr 2010 liegt Uber im Clinch mit Gegnern von Seattle bis New York und von Paris bis Neu-Delhi und noch weiter – und häufig facht der kampfeslustige CEO das Feuer mit aufwieglerischen Aussagen in den Medien und haarsträubenden Twitter-Nachrichten noch weiter an. Hinzu kommt: Südkorea war gar kein sehr wichtiger Markt, weil die restriktiven Gesetze des Landes dafür sorgten, dass Uber dort nur die teuerste Limousinen-Version seines Dienstes anbieten konnte. Uber war also weniger aus geschäftlichen Gründen daran interessiert, den Fall abzuschließen, als durch den Wunsch, einen lästigen und peinlichen Stachel in der Flanke des CEO loszuwerden.

Doch während sich das Auto durch den Verkehr in Peking schlängelt, wird Kalanick zunehmend aufgeregt. Er befürchtet, dass aus dem eigentlich einfachen Gerichtsverfahren etwas werden könnte, das er als „Shit Show“ vor Ort in Südkorea bezeichnet. Mehrmals fragt er seine PR- und Rechtsberater, was es bedeuten würde, wenn die lokalen Medien von der Ankunft des Rebellen-CEO in Seoul erfahren. Sein Ziel ist, so wenig Aufsehen zu erregen wie möglich. Aus diesem Grund hat Uber einen Privatjet gemietet, der abflugbereit auf einem Rollfeld in Peking steht, um Kalanick nach Südkorea und wieder heraus zu fliegen, ohne dass die Presse von seinem Erscheinen erfährt. Doch irgendjemand, wahrscheinlich von der Staatsanwaltschaft, hat verraten, dass Kalanick am nächsten Tag kommen soll. Kalanick hat das denkbar schlimmste Szenario für seine eigene Marke und die von Uber vor Augen: Fotos von ihm, wie er in Handschellen durch einen koreanischen Gerichtssaal geführt wird – eine öffentliche Zurschaustellung in Asien genau zu der Zeit, zu der er hart daran arbeitet, in China und im Rest des Kontinents ein Bild von Führungsstärke zu vermitteln.

Wenn es darum geht, sein Image zu bewahren, ist Kalanick kein Detail zu unbedeutend. Zum Beispiel will er wissen, wie viele Türen es in dem Gerichtssaal gibt – um schon mal die besten Fluchtwege planen zu können. Wie sicher ist das Versprechen, ihn sofort freizulassen? Wird er die Zollkontrolle unauffällig im Privatflug-Terminal passieren können? Meinungen fliegen durch die Leitungen, während sich die Manager gegenseitig ins Wort fallen, sogar dem CEO. In einem besonders erhitzten Moment weist Kalanick seinen Mann in Seoul, den obersten Manager für Geschäftsentwicklung in Asien, an, er solle „aufhören, mich zu unterbrechen“.

Es wird Stunden dauern, bis Kalanick beschließt, den Gerichtstermin ausfallen zu lassen und seinen koreanischen Anwälten den Auftrag zu geben, zum vierten Mal eine Vertagung zu beantragen. Das ist ein kalkuliertes Risiko. Einen koreanischen Richter zu verärgern könnte bedeuten, dass Kalanick auf Dauer nicht willkommen in dem Land ist. Doch zumindest kurzfristig zahlt sich das aus. Dass Kalanick nicht erscheint, wird in der südkoreanischen Presse nur kurz erwähnt und überall sonst, auch in den USA, ignoriert. Monate später hat sich in dem Fall immer noch nichts getan, und das dürfte auch so bleiben, bis Uber beschließt, dass es sich wegen des Geschäfts in Südkorea lohnt, sich wieder mit der Angelegenheit zu beschäftigen.

In der Zwischenzeit hat die Uber-Entourage ihr Ziel in Peking erreicht, das glitzernde Shangri-La Hotel. Direkt daneben befindet sich ein Kongresszentrum, in dem Kalanick auf einer von dem chinesischen Internet-Unternehmen NetEase veranstalteten Konferenz auftreten wird. Er und seine Kollegen ziehen sich kurz...

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