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E-Book

Soziale Innovation durch Gender Mainstreaming?

AutorDietrich Englert
VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl281 Seiten
ISBN9783531913704
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis40,00 EUR
Die Arbeit untersucht die Bedingungen der Möglichkeit der Veränderung des Mainstreams im europäischen Mehrebenensystem mit Blick auf die Integration von Gender-Aspekten. Dabei werden anhand einer Fallstudie in Brandenburg und einer Fallstudie in Schweden zwei Ansatzpunkte für soziale Innovation aufgezeigt. Entweder können Grundüberzeugungen auf der diskursiven Ebene verändert, oder konkrete Entscheidungsprozesse direkt beeinflusst werden. Vor dem Hintergrund eines machttheoretischen Governance-Modells wird gezeigt, dass die große Schwäche europäischer Politik darin liegt, nur unzureichend mit den alltäglichen Lebensformen in den verschiedenen Mitgliedstaaten verknüpft zu sein.


Dietrich Englert war im Kompetenzzentrum für Chancengleichheit und im Genderkompetenzzentrum der Humboldt-Universität zu Berlin tätig und arbeitet jetzt im BMAS sowie als Lehrbeauftragter an der FHW Berlin.

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Leseprobe
3. Empirische Untersuchung (S. 67-68)

In diesem Kapitel wird das Untersuchungsdesign erläutert. Dazu werden in Abschnitt 3.1 drei Governance-Typen für den Umsetzungsprozess dargestellt und Umsetzungsstrategien skizziert. Aufbauend auf diesen Überlegungen werden Hypothesen für die Implementierung von GM auf nationaler und regionaler Ebene formuliert (Abschnitt 3.2), die im Rahmen der Fallstudie überprüft werden. Anschließend wird ein Analysemodell für die Fallstudien entwickelt (Abschnitt 3.3) und der Untersuchungsansatz der Arbeit präsentiert (Abschnitt 3.4).

Dabei wird erläutert, wie die Beziehung zwischen den verschiedenen Politikebenen mit Hilfe der Analyse strategischer Situationen hergestellt wird. Zum Abschluss werden die Untersuchungsmethoden beschrieben (Abschnitt 3.5). Das Forschungsparadigma der Studie orientiert sich an den Grundsätzen der „Grounded Theory" (Corbin/Strauss1996): Zum einen werden die aus den theoretischen Überlegungen erarbeiteten Hypothesen in der Praxis erprobt. Zum anderen werden empirische Ergebnisse genutzt, um den theoretischen Ansatz in Richtung eines Governance-Modells weiterzuentwickeln.

3.1 Governance-Typen und Umsetzungsstrategien

Auf Grundlage der theoretischen Überlegungen lassen sich drei verschiedene Governance-Typen für den Umsetzungsprozess von GM beschreiben.

1. Regelorientierter Governance-Typ: Die Akteure richten ihr Hauptaugenmerk auf die Verbreitung neuer Regeln durch Lernprozesse. Sensibilisierungs- und Bildungsmaßnahmen dienen hier als geeignete Instrumente. Feldspezifischen Eigenlogiken und situativen Handlungsdynamiken wird dabei kaum Beachtung geschenkt. Voraussetzungen für diesen Typ sind ein starker politischer Wille in Verbindung mit einer hohen Bedeutung von Gleichstellungszielen in der Öffentlichkeit und die Bereitstellung von neuen Ressourcen.

2. Diskursorientierter Governance-Typ: Hier wird eine Veränderung der Entscheidungsgrundlage angestrebt, indem der bestehende Handlungsrahmen mit Hilfe neuer Informationen skandalisiert wird. Ziel ist dabei die Etablierung einer gendersensiblen Sichtweise, die dann Entscheidungsprozesse in die gewünschte Richtung leitet. Voraussetzung hierfür wiederum sind Akteurskoalitionen, die den Kampf um die öffentliche Aufmerksamkeit aufnehmen können.

Dieser Ansatz ist folglich sehr vom politischen Mobilisierungsgrad abhängig, womit bereits ein Problem umrissen ist. Die Gefahr einer solchen Strategie liegt zudem in ihrer hohen Anfälligkeit gegenüber politischen Erstickungsversuchen. Am Ende könnte es sich nämlich erweisen, dass etablierte politische Akteure das Gender-Thema nur nutzen, um ihren eigenen Aufmerksamkeitsgrad zu erhöhen, ohne Gender-Aspekte tatsächlich in wichtige politische Entscheidungen einfließen zu lassen oder gar die Verteilung von Ressourcen zu verändern. Außerdem delegieren schlagkräftige Koalitionen in der Regel einen Teil ihrer Macht an einige wenige Sprecher, die in der Öffentlichkeit für die Gruppe agieren können. Das kollektive Handeln ist dann von Usurpation und Veruntreuung bedroht (Bourdieu 2001: 119).

3. Kooperativer Governance-Typ: Diese Strategie richtet ihr Augenmerk auf die Schaffung von Synergien zwischen einer Veränderung des diskursiven Bezugssystems auf der gesellschaftlichen Ebene und der handlungsleitenden Routinen vor Ort. Dabei kommt es zu Synergien zwischen einem Teil des politischen Establishments und mobilisierenden Akteurskoalitionen. Folglich ist dieser Typ auf problembezogene Diskurskoalitionen auf den verschiedenen Ebenen angewiesen, zwischen denen ein Informationsaustausch stattfindet.

Wenn sich die erhofften Synergien zwischen top-down und bottom-up tatsächlich ergeben, hat dieser Typ große Erfolgsaussichten. Allerdings besteht ein Grundproblem hier darin, dass die kooperative Strategie sehr voraussetzungsvoll ist: Kooperationsbeziehungen müssen erst einmal auf der Basis einer gemeinsamen Situationsdeutung entwickelt werden, was sich unter den gegebenen Bedingungen großer Unterschiede in den jeweiligen Handlungsrationalitäten als äußerst aufwendig erweisen kann.

Zudem müssen sie zeitlich koordiniert werden, damit sie nicht jede für sich ins Leere laufen. Folglich erfordert dieser Governance-Typ hohe politische Kompetenzen der Akteure. Auf der Grundlage eines substanzialistischen Politikverständnisses ist diese Strategie zum Scheitern verurteilt, da es zwangsläufig zu einer Aufsplittung der Kräfte kommt. Am wahrscheinlichsten ist dieser Typ als positiver Effekt aus der zweiten Handlungsstrategie zu erwarten.
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Inhalt5
Abkürzungsverzeichnis10
Abbildungsverzeichnis11
Tabellenverzeichnis11
Vorwort12
1. Einführung14
1.1 Forschungsansatz15
1.2 Politische Gestaltung: Erste theoretische Annäherung16
1.3 Zusammenfassung26
2. Strategische Situationen: Analytisches Konzept28
2.1 Netzwerke als soziale Beziehungsmuster29
2.2 Macht und Handeln33
2.3 Politisches Handeln37
2.4 Diskurs, diskursive Praktik und diskursive Formation42
2.5 Gegenständliche Welt49
2.6 Machttheoretisches Interaktionsmodell54
3. Empirische Untersuchung65
3.1 Governance-Typen und Umsetzungsstrategien65
3.2 Hypothesen72
3.3 Analysemodell76
3.4 Untersuchungsansatz80
3.5 Methode84
4. Das europäische Mehrebenensystem88
4.1 Governance der Europäischen Union88
4.2 Europäische Beschäftigungsstrategie (EBS)98
4.3 Gender Mainstreaming als europäische Strategie115
5. Gender Mainstreaming auf der nationalen Ebene125
5.1 Gleichstellungspolitik in Schweden und Deutschland125
5.2 Die Governance-Form in Schweden140
5.3 Die Governance-Form in Deutschland158
5.4 Vergleich der Governance-Formen172
6. Gender Mainstreaming auf der regionalen Ebene184
6.1 Die Fallstudie Brandenburg184
6.2 Die Fallstudie Gävleborg217
6.3 Regionale Governance-Formen232
6.4 Fazit238
7. Innovationspotenziale europäischer Governance241
7.1 Wechselwirkungen im Mehrebenensystem241
7.2 Transparenz und Beteiligung248
7.3 Politische Gestaltung und europäische Governance252
7.4 Governance-Modell256
7.5 Fazit260
Literaturverzeichnis265

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