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E-Book

Die FPÖ - Blaupause der Neuen Rechten in Europa

AutorHerbert Auinger
VerlagPromedia Verlag
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl200 Seiten
ISBN9783853718520
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis15,99 EUR
Die gängige Auseinandersetzung mit der FPÖ bedient sich des Vergleichs: Etablierte Politik und Öffentlichkeit messen die Positionen der Rechten an den eigenen Vorstellungen bzw. an Positionen, die als 'politisch korrekt' gelten. Kritisiert wird von der Warte liberaler, sozialdemokratischer und grüner Standpunkte aus, die eigentliche Gedankenwelt der Rechten bleibt weitgehend unbehandelt. Das Problem bei dieser Vorgehensweise: Wer nicht schon vorher den 'Rechtsextremismus' ablehnte, findet durch dieses Verfahren kaum Argumente dagegen. Dabei unternimmt die FPÖ viel, um sich zu erklären. Ihr Gedankengebäude ist längst zu einer ausgearbeiteten Weltanschauung geworden, einer umfassenden, vom Mainstream abweichenden Deutung von Individuum, Staat, Gesellschaft und Politik. Herbert Auinger spürt dieser Weltanschauung nach, indem er die politischen Postulate der FPÖ ernst nimmt. Damit legt er die Fundamente des neuen rechten Selbstverständnisses frei. Nur so kann nach Ansicht des Autors genuine Kritik stattfinden. Die einzelnen Kapitel des Bandes ranken sich etwa um den Freiheitsbegriff der FPÖ bzw. wie sich in diesem die Freiheit des Individuums mit völkischer Konformität überlappt. Auch die Dreieinigkeit der angeblich 'natürlichen' Daseinsformen von Volk, Nation und Familie gehört zum rechten Standardrepertoire, genauso wie das Begriffspaar 'Heimat' und 'Identität'. Dem Heimatbewussten steht der 'Andere' gegenüber, der Ausländer, Flüchtling und Migrant, einer, der nicht hierher gehört. Der Blick in die weit geöffneten Kulissen des freiheitlichen Weltbildes mag für viele befremdlich sein. Ihn nicht zu tun, hieße allerdings, die stetig wachsende und gesellschaftlich bedeutender werdende Rechte zu unterschätzen. Denn die FPÖ ist in ihrer Politik ein Vorbild für viele andere rechtsextreme Bewegungen in Europa.

Herbert Auinger, geboren 1954 in Gmunden/Oberösterreich, studierte Raumplanung an der Technischen Universität Wien sowie Politikwissenschaften am Institut für Höhere Studien. Er ist als Print- und Hörfunkjournalist tätig. Im Promedia Verlag erschien von ihm im Jahr 2000 'Haider. Nachrede auf einen bürgerlichen Politiker'.

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Leseprobe

Die Freiheit: Für das Kollektivwesen


Für eine freiheitliche Partei ist es wohl selbstverständlich, ihren Begriff von der Freiheit des Individuums unmissverständlich zu definieren. Vor allem, um deren wahres freiheitliches Wesen im Unterschied zu ideologischen Verzerrungen im Gefolge der sogenannten »68er-Bewegung« herauszuarbeiten, wo »Freiheit« mit egoistischen Entgleisungen wie Selbstbestimmung oder Emanzipation verwechselt wurde! Die FPÖ-Freiheit jedenfalls sieht so aus:

»Es entspricht freiheitlicher Geisteshaltung, dem einzelnen Menschen die Freiheit als höchstes Gut einzuräumen und darin gleichzeitig einen unverzichtbaren Wert zu sehen. Der einzelne Mensch ist jedoch stets in eine Gemeinschaft gestellt, die ebenfalls selbständig Träger von Freiheitsrechten ist – von der Familie bis zum Volk. Wir Freiheitlichen sind daher bestrebt, eine Gesellschaftsordnung zu verwirklichen, die dem Einzelnen einen, durch Grund und Freiheitsrechte garantierten, staatsfreien Raum gewährleistet. Auf der anderen Seite wollen wir unsere Heimat als möglichst autonomen und autarken Staat in der internationalen Staatengemeinschaft etabliert wissen.«[5]

Nach dem pathetischen Bekenntnis zur Freiheit als höchstem Gut kommt, wie im bürgerlichen Denken gewohnt, die Relativierung bzw. – in weiterer Folge – die richtig zu verstehende Ausgestaltung der Freiheit. Der Unterschied zur klassischen Variante der Relativierung, jene von der notwendigen »Grenze der Freiheit« an der »Freiheit des Anderen«, also noch immer um der Freiheit der Individuen willen, ist hier aber unübersehbar. Denn das zur Freiheit gegenläufige »jedoch« markiert hier völlig ansatzlos die Zugehörigkeit zu diversen Kollektiven; der freie Einzelne ist je schon oder eben »stets«, wie es hier heißt, ein Kollektivwesen, ein Bestandteil eines oder mehrerer Verbände, die ihm gegenüber »Freiheitsrechte« ausüben. Und da ist der freie Einzelne dezidiert nicht Mitglied, weil er und andere – aus welchen guten oder schlechten Gründen auch immer, jedenfalls aus freier Entscheidung! – sich zu einem wie auch immer beschaffenen Verband freier Menschen zusammengetan hätten, um ihren wie auch immer gearteten gemeinsamen Bedürfnissen und Interessen zu frönen! Beides ist vorausgesetzt, also der Freiheit des Einzelnen entzogen: Sowohl die Zugehörigkeit zu diesen Veranstaltungen steht fest, und fest steht auch, um welche – nicht frei ausgesuchte oder gegründete Kollektive – es sich handelt. Fest steht auch die wesentliche Eigenart dieser »Gemeinschaften«, im Umgang mit denen ein höfliches »Nein, Danke!« einfach nicht zur Debatte stehen kann. Schlicht und ergreifend deswegen, weil sie – »von der Familie bis zum Volk« – ihrerseits Ansprüche gegen und Verpflichtungen für das Individuum verkörpern, also im Jargon der FPÖ »selbständig Träger von Freiheitsrechten« gegen das Individuum sind.

Warum ist das so? Nun, das ist eben so, das ist im freiheitlichen Weltbild eine Art von gesellschaftlichem Naturzustand, jeder staatlichen Ordnung vorgelagert und deswegen einer Begründung weder bedürftig, noch einer ablehnenden Entscheidung oder einer Kritik zugänglich. Die freiheitliche Freiheit ist die des selbstbewussten Kollektivwesens in »Familie bis Volk«; so wie man nicht bloß geboren, sondern gleich in eine Familie hineingeboren wird und dadurch dazugehört, so geht es dem Freien auch mit dem Volk: Er gehört dazu und ist dabei, jenseits jeder Beurteilung oder Abwägung, wo es einen da hinein verschlagen hat und ob so eine Eingemeindung sinnvoll ist oder nicht.

»Männer sind Väter, Frauen sind Mütter«, wird später für die Familie und gegen die These ins Treffen geführt, wonach es sich dabei doch bloß um gesellschaftlich erwünschte Rollen handelt – und genauso verhält es sich mit dem Österreicher, die Zugehörigkeit zum Volks-Kollektiv steht fest – und damit auch, dass das gut so ist. Auf dieser Basis und als dieses Teilchen eines größeren Ganzen darf das Individuum sich dann in Freiheit entfalten, seine Zugehörigkeit also annehmen und sich darin einordnen. Die wesentlichen Entscheidungen, seine Existenz und Lebensführung betreffend, die sind gefallen, bevor es darangeht, in deren Rahmen seine freien Entscheidungen zu treffen. Die hoheitlichen Rechtssetzungen vom Familienrecht bis zum Staatsbürgerschaftsrecht, die diese Kollektive realiter konstituieren, und die Ausgestaltung der Freiheit in einem umfassenden Rechtskatalog, das alles gilt der Partei wesentlich als Nachvollzug von Zuständen, die der Staat immer schon (»stets«) vorfindet: eine natürliche Bestimmung zum Konformismus, der er bloß Verbindlichkeit verleiht. Als dieser wesentlich bestimmte, als dieser determinierte Einzelne darf sich der Bürger im vom Staat gewährten »staatsfreien Raum« bewegen.

Sehr bezeichnend ist, dass den Freiheitlichen, kaum haben sie den Menschen einen staatsfreien Raum gestiftet – offenbar eine Wohltat, die man wertschätzen sollte –, »auf der anderen Seite« gleich die Autonomie und Autarkie der österreichischen Staatsgewalt einfällt: »Auf der anderen Seite wollen wir unsere Heimat als möglichst autonomen und autarken Staat in der internationalen Staatengemeinschaft etabliert wissen.« Freiheit gewähren ist der FPÖ nach gut und wichtig, die staatliche Souveränität aber erst recht; da heißt es an den Hebeln der Macht die richtige Balance finden zwischen Selbstbestimmung der Menschen und Selbstbestimmung des Staats!

Aber zurück zum staatsfreien Raum. Wer da was darf, erläutert das »Handbuch« unter der Überschrift »Freiheitsrechte des Einzelnen und der Gemeinschaft«. Der nächste Absatz ist mit »Selbstverantwortung als Voraussetzung für Freiheit« überschrieben und bekräftigt den höheren Sinn und die Erfüllung der Freiheit des Individuums in der Freiheit des Staates:

»Der Wille zur Selbstverantwortung ist Voraussetzung für echte Freiheit. Dies betrifft auch unseren Staat. Österreich kann nicht frei sein, wenn wir Verantwortung delegieren. … Freiheitliche Politik sieht es als Teil der Eigenverantwortung freier Menschen an, notwendige Verpflichtungen im Dienste von Volk, Heimat und Staat zu übernehmen. Wahrgenommene Eigenverantwortung ist der beste Schutz vor Fremdbestimmung.«[6]

Echte Freiheit setzt Verantwortung voraus, und Verantwortung wieder ist identisch mit der Verpflichtung, nicht nur für sich selbst zu sorgen, sondern auch »Volk, Heimat und Staat« zu dienen. Genauer: Wenn das Individuum seinem nationalen Kollektiv dient, dann nimmt es nichts als seine Eigenverantwortung für sich selbst als dessen Teilchen wahr. Freie Entfaltung und Dienst an der Gemeinschaft sind identisch, nur so kann sich der Staat innerhalb von seinesgleichen »möglichst autonom und autark« behaupten. Noch ist die freiheitliche Welt aber nicht ganz in Ordnung. Denn Bedrohungen der Freiheit, man mag es sich kaum vorstellen, gibt es auch:

»Strikt lehnen wir jegliche Tendenz ab, deren Absicht es ist, die traditionellen Grund- und Freiheitsrechte zu Gunsten einer missinterpretierten Gleichbehandlungspolitik auszuhöhlen. … Zum Beispiel sieht eine Novelle des Gleichbehandlungsgesetzes weitere Einschränkungen für Geschäftsleute und Vermieter bei der Auswahl ihrer Kunden vor. Bereits jetzt darf aus ethnischen Gründen keine Differenzierung vorgenommen werden. Außerdem soll niemand wegen seiner Weltanschauung, seines Alters, seines Geschlechtes, seiner Religion oder seiner sexuellen Orientierung in irgendeiner Form benachteiligt werden, da ansonsten konkrete Schadenersatzansprüche entstehen. Solche Einschränkungen der Privatautonomie auf dem Altar eines weltfremden Gutmenschentums lehnen wir ab.«[7]

Wenn es um den ökonomischen Verkehr der Bürger geht, hat der Gesetzgeber ein Diskriminierungsverbot auch für »Geschäftsleute und Vermieter« erlassen. Jeder Bewohner der Marktwirtschaft muss mit seinen Mitteln zurechtkommen und sich in der Welt von Angebot und Nachfrage durchschlagen. Die Härten, die das mit sich bringt, sollen nicht auch noch durch – nach dem unparteilichen Standpunkt des Rechts – unsachliche Gesichtspunkte verschärft werden; da soll vielmehr allein das Geld und die mit ihm errungene, quasi nur diese redlich verdiente Freiheit gelten. Wer zahlen kann, kriegt auch, was er bestellt hat. Nicht so aus der Sicht der FPÖ. Echte Privatautonomie aus freiheitlicher Sicht muss natürlich die Freiheit zur Benachteiligung anderer freier Individuen wegen unerwünschter »Weltanschauung, Alter, Geschlecht, Religion oder sexueller Orientierung« beinhalten. Einem heimatbewussten österreichischen Vermieter muss es nach freiheitlichem Weltbild doch wohl gestattet sein, nicht an Muslime oder Schwule zu vermieten, wenn er – als guter Patriot – solche Leute wegen »Religion« oder »sexueller Orientierung« einfach nicht leiden kann, und auf diese Weise seine Volksnatur, seine nationalen Ressentiments auslebt.

Aber! Auch die Freiheit zur Diskriminierung durch ordentliche Ge­schäftsleute hat sehr wohl wieder ihre Grenzen! Die Betreiberin eines Wiener Cafés hatte nach dem ersten Wahlgang im Frühjahr 2016 Wähler von FPÖ-Bundespräsidentschaftskandidat Norbert Hofer aufgefordert, an ihrem Lokal vorbeizugehen, und das ausdrücklich als »Bitte« vorgetragen. Ein »Shitstorm« im freiheitlichen Milieu war die Folge, ergänzt von der spöttischen Erinnerung einiger Beobachter mit einem durchschnittlichen Gedächtnis, an die Zustimmung desselben weltanschaulichen Lagers nämlich zum Lokalverweis zweier knutschender Lesben aus einer anderen Gastwirtschaft.[8] Lesben...

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