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Das Ja zum Leben und zum Menschen, Band 7

Predigten 1996-1997

AutorWolfgang Nein
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783743134874
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis5,49 EUR
Das theologische Reden ist ein sehr spezielles. Es handelt von dem Grundlegendsten unserer Existenz mit all ihrem Hintergründigen und Unergründlichen. Wie können wir darüber reden in einer Sprache, die jeder versteht? Luther hat "dem Volk aufs Maul geschaut". Er ist freilich ohne theologische Begriffe und Bilder nicht ausgekommen. Die Predigten dieser Predigtsammlung sind im inneren Dialog vor allem mit denjenigen entstanden, die der Kirche eher fernstehen und sich das kirchliche Reden eher kritisch anhören.

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Leseprobe

Es führen viele Wege in den Stall!


7. Januar 1996

1. Sonntag nach Epiphanias

Matthäus 2,1-12

Gestern, am 6. Januar, war also das Epiphanienfest, das Fest der Erscheinung des Herrn oder - wie es auch genannt wird: das Fest der Heiligen Drei Könige.

Drei Magier aus dem Osten waren einem Stern gefolgt, dem Stern von Bethlehem. Was sind Magier? Das sind doch Zauberer. Und wie nennen wir Menschen, die sich nach den Sternen richten? Das sind doch Astrologen. Schämt sich denn Matthäus gar nicht, uns solche abergläubischen Gestalten als Vorbilder zu schildern? Aus den heidnischen Sterndeutern hat er fromme Anbeter des Christkindes gemacht. Wen kann es da noch wundern, dass nicht lange danach die Kirchengeschichte die drei Heiden in drei Heilige verwandelt hat! Die Zauberer und Astrologen feiern wir als die Heiligen Drei Könige. Für die orthodoxen Christen, auch für die mazedonisch-orthodoxen Christen, die unserer Gemeinde angeschlossen sind, ist dies, wie bereits gesagt, das eigentliche Weihnachtsfest.

Ist das nicht bemerkenswert, dass hier drei Menschen aus einem anderen Land, einer anderen Religion als diejenigen geschildert werden, die in dem neugeborenen Kind von Bethlehem mit Freude die bedeutende Persönlichkeit erkannt haben, die es wert war, sich mit wertvollen Geschenken auf den weiten Weg zu machen? Wir können es dahingestellt sein lassen, ob es sich hier um eine historisch zutreffende Begebenheit handelt; wir können aber auch gleich davon ausgehen, dass wir hier eine Legende vor uns haben. Aber das Interessante ist doch, dass Matthäus, der Evangelist Matthäus, uns diese Männer als Vorbild hinstellt.

Stellen wir uns nur einmal vor, der Bischof der Evangelischen Kirche Deutschlands würde in seinem Weihnachtsbrief an die evangelischen Gemeinden drei bekannte Astrologen zitieren, die in den Zeitschriften ihre Horoskope veröffentlichen, und würde sie uns als vorbildliche Christen hinstellen! Da hätten wir doch Magenkneifen, auch wenn die drei Astrologen etwas Bedenkenswertes gesagt haben mögen. Aber ihr Berufsstand würde die Seriosität aller ihrer Aussagen schon im Vorwege zweifelhaft erscheinen lassen. Wenn Astrologen die christliche Botschaft in Ordnung finden, dann kann an der christlichen Botschaft etwas nicht in Ordnung sein, könnte man argwöhnen. Wir hätten gern andere Zeugen der frohen Botschaft, bekannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wie den Bundespräsidenten z. B. oder andere herausragende Persönlichkeiten.

Was war das Anliegen von Matthäus? Die Antwort lässt sich aus dem Gegenspieler der drei Männer erschließen. Herodes, der König der Juden, will das neugeborene Kind von Bethlehem umbringen lassen aus Furcht vor einem unliebsamen Konkurrenten. Und die religiöse Führung des Landes vollbringt schließlich, was Herodes erfolglos versucht hatte. Von den führenden Vertreter seines eigenen Volkes war Jesus nicht als der Christus erkannt und anerkannt worden. Von ihnen war er verfolgt und hingerichtet worden. Die Anhänger Jesu waren schließlich aus der jüdischen Religionsgemeinschaft hinausgedrängt worden und hatten sich in eigenen Gemeinden organisieren müssen, wie z. B. in der des Matthäus in Syrien vermutlich. Ist es da noch verwunderlich, wenn Matthäus seinen Lesern und Zuhörern mitteilt: Die eigenen Leute haben Jesus verstoßen, aber bei den Fremden hat er Anerkennung gefunden?! Die Obersten der Frommen haben ihn zu Tode gebracht, aber die als Heiden gering geachtet waren, die haben in Jesus den gottgesandten Messias erkannt.

Es steckt also zum einen eine gehörige Portion Kritik und wohl auch Polemik in der Darbietung dieser Szene von den drei Magiern aus dem Osten. Es ist eine Spitze gegen die etablierte Frömmigkeit, die zu blind war für die neue Offenbarung Gottes.

Zum anderen enthält diese Szene aber auch eine positive Aussage: Matthäus bekennt sich hier zu der Möglichkeit, dass auch unter den sog. Heiden von deren eigenen Voraussetzungen her die grundlegende Bedeutung Jesu Christi erkannt werden kann. Jeder Mensch, ganz gleich in welchem Land er lebt, welcher Kultur, welcher Religion er zugehört, kann in Jesus Christus denjenigen erkennen, der den Menschen das Heil bringt. Und umgekehrt gilt: Jesus Christus bietet das Heil jedem Menschen an - ganz gleich in welchem Land er lebt, welcher Kultur und welcher Religion er angehört. Das ist die Botschaft, die uns Matthäus mit seiner Szene von den drei Magiern aus dem Osten vermittelt.

Wie ist diese Botschaft zu verstehen? Ist es nicht so, dass in jedem Menschen gleiche Fragen vorhanden sind, dass jeder Menschen mit den gleichen Problemen zu kämpfen hat, dass in jedem Menschen gleiche Bedürfnisse, Wünsche, Sehnsüchte vorhanden sind? Steht nicht jeder Mensch erstaunt vor dem Wunder seiner Geburt? Und hat nicht jeder mit der unausweichlichen Tatsache seines eigenen Todes fertigzuwerden? Ist nicht jeder Mensch von Krankheit bedroht, und ist nicht jeder den mannigfaltigen Gefährdungen des Daseins ausgesetzt? Hat nicht jeder die tägliche Mühsal der Lebenserhaltung zu ertragen? Und muss nicht jeder die Frage beantworten: Wie halte ich es mit meinen Mitmenschen? Wie gehe ich mit den zwiespältigen Erfahrungen um, die ich mit ihnen sammle, den erfreulichen und den enttäuschenden? Und wie bestimme ich mein Verhältnis zu mir selbst - dem schillernden, mir am besten bekannten und doch auch unbekannten, dem mir gehorsamen und zugleich auch ungehorsamen Wesen? Jeder muss mit diesen Fragen zurechtkommen. Und in irgendeiner Weise hat jeder darauf seine vorläufigen Antworten gefunden. Es bleibt aber jeder ein Fragender und Suchender.

Da kann es doch sein, dass sich jemandem das Kind von Bethlehem als die Antwort offenbart, die alle bisherigen Antworten in den Schatten stellt. Jemand, der bisher in den Sternen nach einer Antwort auf die drängenden Fragen seines Lebens gesucht hat, kann doch mit einem Mal erkennen: Nicht in den Sternen liegt mein Heil verborgen, sondern in einem Menschen, dem Kind von Bethlehem. Nicht die Sonne ist Gott, nicht der Mond ist Gott, nicht irgendein Stern ist Gott. Sondern Sonne, Mond und Sterne sind Geschöpfe des einen unsichtbaren Gottes, der auch den Menschen geschaffen hat - in Liebe, entworfen nach seinem Bild und auf sein Abbild hin.

Matthäus teilt ganz bestimmt nicht die religiösen Vorstellungen der Magier und Astrologen. Aber er spricht ihnen das Recht zu, von ihren Vorstellungen her, sich mit ihren Bildern und Begriffen dem Christkind zu nähern. Er selbst greift ihre Vorstellungen auf und integriert sie wie selbstverständlich in seine Darstellung des Christusgeschehens, und wir sind ihm auf diesem Weg gefolgt. Nehmen wir den Stern von Bethlehem in unsere gottesdienstliche Darstellung des Krippenspiels mit hinein, weil wir daran glaubten, Gott würde sich uns in den Sternen offenbaren? Nein, uns ist der Stern eine liebe Erinnerung daran, dass er drei Menschen den Weg zum Stall gewiesen hat. Uns hätte der Stern nichts zu sagen gehabt. Aber für diese drei Männer ist er wichtig gewesen. Für uns ist wichtig, dass sie in dem Kind den Christus erkannt haben. Der Stern ist uns dafür das bleibende äußere Zeichen.

Diesen Vorgang erleben wir vielfach - die Bibel ist voll davon: dass wir Vorstellungen, Formen, Bilder, Begriffe anderer Kulturen und Religionen übernommen haben, um mit ihnen unsere christlichen Glaubensinhalte zu beschreiben und zu praktizieren. Wie die Magier hat auch Jesus z. B. Wunder vollbracht - allerdings nicht um der Zauberei willen, sondern um der Menschlichkeit willen.

Es führen viele Wege zu Gott, und Gott kommt uns auf vielen Wegen entgegen. Nehmen wir die Schilderungen der Bibel: Gott offenbart sich in der Schöpfung, er erscheint in Naturereignissen, er macht seinen Willen durch die Geschichte kund. Er lässt uns seinen Willen durch Gesetze wissen. Er erscheint in Träumen, er spricht durch Engel, durch Propheten, er handelt sogar durch Tiere. Er offenbart sich schließlich in der menschlichen Gestalt Jesus Christus. Die biblischen Autoren scheuen sich nicht, die Darstellungsweisen Gottes aufzugreifen, wie sie in den Kulturen verwendet wurden, mit denen sie sich in engem Kontakt befanden. Sie vermochten es dennoch, die übernommenen Formen mit ihren je eigenen Inhalten zu füllen.

Jesus Christus ist der ganzen Welt zum Heil erschienen. Er ist in allen Teilen der Welt angenommen worden. Seine Bedeutung wird unterschiedlich ausgelegt je nach dem, in welchem Zusammenhang sich Menschen ihm zuwenden. Es ist schon ein Unterschied, ob sich ein nordeuropäischer Theologieprofessor über Jesus Christus äußert oder ein Mädchen vom Lande in Tansania, das dort in einer Gemeinde biblische Geschichten kennengelernt hat. Und wenn wir uns hier untereinander befragen würden, dann kämen wir gewiss auch zu unterschiedlichen Ergebnissen - wenn uns natürlich auch viel Gemeinsames verbinden würde.

Matthäus berichtet, wie die gebildeten, wohlhabenden, fremdgläubigen Magier aus dem Osten auf weitem Weg zu Jesus gelangten. Lukas berichtet, wie die armen, ungebildeten Hirten vom Feld den Weg zu Jesus fanden. Jeder von uns kann nur seinen eigenen Weg gehen. Darin wollen wir uns auch gegenseitig respektieren. Das andere ist ebenso wahr: Jedem von...

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