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Vom Anfang bis heute

Eine kleine Geschichte der Welt

AutorLoel Zwecker
VerlagPenguin Verlag
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl432 Seiten
ISBN9783641187835
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis2,99 EUR
Es war einmal ... eine Reise, die mit dem Urknall begann und die noch lange nicht zu Ende ist. Von der ersten Zelle zu den Goldenen Zwanzigern und vom alten Ägypten zur App ist es dabei bisweilen nur ein Katzensprung. Loel Zwecker erzählt davon anschaulich und alltagsnah, mit einem Blick für überraschende Details und verborgene Zusammenhänge: Wie im Mittelalter die Brille erfunden, in Indien die Meditation zu einer echten Macht wurde und die Waschmaschine unser Leben veränderte. Ein Buch zum Lesen und Vorlesen, das allen ab zehn Lust auf Geschichte macht. Denn Geschichte braucht Geschichten - und diese ist eine ganz besondere.

Loel Zwecker, geboren 1968, ist Autor und Übersetzer. Er hat über das Thema Kunst und Politik promoviert und war Dozent für Kunstgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität in München und schrieb für verschiedene Tageszeitungen. Zuletzt erschien von ihm bei Pantheon Was bisher geschah. Eine kleine Weltgeschichte (2010).

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Leseprobe

VORWORT

Was ist Geschichte? Wozu von früher erzählen?

Vor ein paar Jahren fragte mich ein Freund, was das früheste Erlebnis aus meiner Kindheit sei, an das ich mich erinnern könne. Die Frage fand ich gar nicht so leicht zu beantworten. Manchmal meinen wir, etwas schon lange im Gedächtnis gespeichert zu haben, aber in Wahrheit haben wir nur kürzlich ein Foto davon gesehen, zum Beispiel von uns als Kleinkind beim Spielen mit einem Ball oder beim Buddeln mit einer Plastikschaufel am Strand. Oder unsere Eltern haben uns etwas erzählt, und wir halten das dann für unsere eigene Erinnerung. Auf die Frage meines Freundes fielen mir letztlich jedoch zwei Ereignisse aus meiner frühen Kindheit ein.

Das eine ist die Geschichte mit dem Birnenjoghurt. Als ich klein war, mochte ich besonders gern eine bestimmte Sorte Birnenjoghurt mit Obststücken drin. Einmal kam ich mit meiner Mutter vom Einkaufen heim. Ich freute mich so auf den Joghurt, dass ich ihn aus der Einkaufstasche nahm und damit in Richtung Küche rannte, um einen Löffel zu holen. Vor lauter Ungeduld riss ich den Deckel schon beim Laufen auf. Etwas Joghurt schwappte raus und tropfte auf den Steinboden. Ich rutschte darauf aus und knallte mit der Stirn genau auf die Holzstufe vor der Küche. Die Wunde blutete so stark, dass ich zum Arzt musste, um genäht zu werden.

Ich weiß nicht mehr, ob ich das Detail, dass ich auf dem Joghurt ausgerutscht bin, dazuerfunden habe, denn es klingt ein bisschen wie aus einem Zeichentrickfilm. Der Rest der Geschichte stimmt jedenfalls. Ich lief noch einige Zeit danach mit einem Verband um den Kopf herum, der so ähnlich aussah wie der Kopfschutz, den Boxer oft tragen.

Die andere frühe Erinnerung hat mit dem Hund Schnuffel zu tun, den meine Familie hatte, als ich ungefähr vier Jahre alt war. Es war ein Vizsla, ein ungarischer Jagdhund mit kurzem ockerfarbenem Haar. Einmal waren wir an einem Baggersee baden. Schnuffel schwamm sehr gern. Es gelang mir, mich an ihm festzuhalten, und er zog mich durch den ganzen See. Er war voller Energie, und ich war eigentlich nur ein lästiger Ballast für ihn; dennoch paddelte er behutsam und vorsichtig, damit er mich nicht verlor.

Meine beiden frühesten Erinnerungen haben mich zwar nicht tief greifend verändert, aber seit dem Sturz habe ich eine Narbe auf der Stirn, und vielleicht bin ich seither in der Nähe von kantigen Stufen etwas vorsichtiger mit Joghurts. Was die zweite Erinnerung betrifft, kann ich immerhin sagen, dass ich mich noch heute, über vierzig Jahre später, freue, wenn ich einen Vizsla auf der Straße sehe. Auch wegen des Erlebnisses im Baggersee sind Vizslas meine Lieblingshunde. Hätten meine Eltern damals einen Dackel gehabt, würden mir womöglich diese Hunde am besten gefallen.

Wir alle haben im Lauf unseres Lebens bestimmte Erfahrungen gemacht. Manche sind angenehm, andere weniger angenehm. Manche haben Narben hinterlassen, einige haben uns darin geprägt, wen oder was wir besonders schön oder sympathisch finden. Deshalb spielen solche Erinnerungen aus der Vergangenheit eine Rolle in unserer Gegenwart. Wir sind auch deshalb zu dem geworden, was wir sind, weil wir ganz spezielle Erfahrungen gemacht haben, an die wir uns erinnern. Erinnerungen sind sehr wichtig. Dank ihrer können wir aktuelle Situationen mit früheren vergleichen und besser einschätzen. Man stelle sich vor, wir hätten keinerlei Erinnerungen, etwa an unsere Zeit im Kindergarten, in der Grundschule oder an frühere Wohnorte. Dann wüssten wir nicht, wo wir herkommen und wer wir sind. Natürlich hat jeder unterschiedliche Erinnerungen. Außerdem reagieren Menschen auf ähnliche oder gleiche Erfahrungen jeweils anders. Aber beeinflusst werden wir alle durch sie.

Wir erinnern uns nicht immer genau an alles, aber viele von uns wissen noch, wer und wie ihre erste Liebe war, die erste Lehrerin oder das erste Popkonzert. Uns fällt eine besonders gefährliche oder schwierige Situation ein, in die wir geraten sind, und auch, wie wir wieder rausgekommen sind. Natürlich profitieren wir außerdem von den Erinnerungen anderer Leute, die uns ihre Geschichten erzählen. Sie helfen uns dabei, uns zu orientieren. Unsere Freunde und Eltern teilen ihre Erfahrungen mit uns. Da unsere Eltern älter sind als wir, können sie aus einem größeren Erfahrungsschatz schöpfen. Sie können zudem meist auf das Wissen ihrer Eltern zurückgreifen, also unserer Großeltern. Die haben ihnen schon von ihren Erlebnissen erzählt, bevor wir überhaupt auf der Welt waren. Die Kette der Erinnerungen reicht teils über Urgroßeltern und Ururgroßeltern bis zurück zu Vorfahren, die wir nicht mehr kennen. Zu Leuten, die vor hundert, zweihundert, dreihundert oder tausend Jahren lebten. So haben uns viele Dinge aus der Vergangenheit mit geformt. Sie sind Teil unserer Geschichte.

Für manche Menschen sind ihre frühesten Erinnerungen allerdings mit schlimmen Ereignissen verbunden. Sie denken vielleicht an Schreie, Explosionen, Splitter, Blut, Tote und Verletzte, die vor ihnen auf der Straße liegen. Sie erinnern sich an einen Bombenangriff auf die Stadt, in der sie im Alter von vier Jahren lebten. Oder an die lebensgefährliche Flucht auf einem kleinen Boot über das Meer aus ihrer Heimat, in der Hunger, Armut oder Bürgerkrieg herrschten. Für diese Menschen sind ihre persönlichen Erinnerungen mit solchen verbunden, die historische Bedeutung haben. Das heißt, die erinnerten Ereignisse betreffen gleichzeitig auf dieselbe oder ähnliche Weise zahlreiche Menschen. Sie haben viele Menschen in Gefahr gebracht oder ihr Leben verändert. Das sind historische Ereignisse. Das ist die Geschichte.

Manche historischen Ereignisse liegen nur ein paar Monate, Wochen oder sogar Stunden zurück. Mit den meisten haben wir nicht direkt zu tun, weil sie beispielsweise an einem anderen Ort stattfinden. Es gibt natürlich auch solche, die so dramatisch sind, dass wir uns ihnen trotz räumlicher Entfernung nicht ganz entziehen können. Dazu zählen Terroranschläge, Bürgerkriege und Flüchtlingskrisen. Diese Ereignisse konnten oder können wir über die Fernsehnachrichten, Zeitungen oder das Internet verfolgen. Ihretwegen haben wir vielleicht mehr Angst als früher, müssen am Flughafen länger vor der Sicherheitskontrolle warten. Wir sind traurig, weil anderen so etwas Schlimmes passiert, und würden gern helfen. Manche der Ereignisse haben vor Kurzem stattgefunden oder dauern noch an. Andere liegen Jahrzehnte, Jahrhunderte oder Jahrtausende zurück. Über sie berichten uns unsere Eltern oder Großeltern – oder Geschichtsbücher.

Wenn wir an Geschichte denken, fallen uns oft Kriege ein, etwa der Zweite Weltkrieg. In ihm starben Millionen von Menschen, litten furchtbar, verloren ihre Familie oder ihr Zuhause. Sie mussten ihr Leben ganz neu ordnen. Manche von uns würden heute vielleicht woanders leben, wenn der Zweite Weltkrieg nicht stattgefunden hätte. Warum? Weil die Großeltern oder Eltern damals wegen des Krieges aus ihrer Heimat fliehen mussten und an einen anderen Ort zogen. Doch selbst historische Ereignisse, die schon Jahrhunderte her sind, spielen eine Rolle in unserem Leben. Seit den Zeiten der Französischen Revolution von 1789 hat sich beispielsweise nach und nach eine wichtige Erkenntnis durchgesetzt: nämlich dass alle Menschen gleich viel wert sind und die gleichen Rechte haben, und zwar unabhängig davon, ob sie arm oder reich sind, Bettler oder Milliardäre, Bauern oder Barone. In den Jahrhunderten davor war das anders. Die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung war sehr arm und ohne Macht. Die meisten Menschen mussten ihr Leben lang Befehle von Fürsten, Bischöfen und Königen befolgen. Sie lebten in Angst vor ungerechten Strafen. Das hat sich erst vor etwas über 200 Jahren geändert, und die Rechte, die wir heute genießen, haben damals viele mutige Menschen gemeinsam hart erkämpft.

Es gibt sogar noch viel ältere Entwicklungen, die sich bis heute auswirken. So hörten die Menschen vor rund 12000 Jahren nach und nach auf, ständig durch die Gegend zu ziehen und in Höhlen oder Zelten zu übernachten, also Jäger und Sammler zu sein; stattdessen begannen sie, sich an einem Ort niederzulassen und Häuser zu bauen. Als die Menschen damals sesshaft wurden, steckten sie den Rahmen für unseren aktuellen Lebensstil ab.

Unser Leben und Verhalten und das von Milliarden von Menschen wird durch Ereignisse aus der Vergangenheit mitbestimmt. Manche Ereignisse sind nur Teil unserer jeweils persönlichen Lebensgeschichte. Andere sind von historischer Bedeutung und prägen uns alle auf die eine oder andere Art und Weise. Von diesen Ereignissen werde ich in den folgenden Kapiteln berichten. Dabei werde ich gelegentlich die Geschehnisse von historischer Bedeutung mit den persönlichen Erfahrungen verschiedener Menschen verbinden.

Zur Geschichte zählen nicht nur Ereignisse wie Revolutionen und Kriege. Im Lauf der Jahrtausende wurden auch philosophische Ideen entwickelt, Religionen gegründet und Kunstwerke geschaffen, die den Alltag der Menschen bis heute durchdringen. Außerdem wurden wichtige Erfindungen gemacht. Etwa die des Faustkeils, des Lagerfeuers, der Schrift, der Pyramide, der Schminke, des Sports, der Ritterlichkeit, der Eisenbahn, der Vollnarkose, der Glühbirne, der Mode, der Popmusik und des Internets. Die meisten dieser Dinge haben bis heute Einfluss darauf, wie wir leben und denken und was wir schön finden. Sie wirken sich sogar darauf aus, welche Wünsche, Träume und Vorstellungen vom Glück wir haben.

Deshalb ist es...

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