3. Datensparsamkeit
3.1 Datensparsamkeit, Tao und Anarchie – Das hilft beim Schutz der Privatsphäre
Unsere Privatsphäre schützen wir effektiv dadurch, dass wir sie eben nicht freiwillig preisgeben. Das ist eine ganz simple Sichtweise, nur ist sie für viele gar nicht so simpel umzusetzen. Wir sind mittlerweile einfach so sehr daran gewöhnt worden, dass wir unsere Daten freiwillig - und dazu noch gerne - hergeben.
Und gerade dadurch setzen wir einen Großteil unserer Privatsphäre aufs Spiel: indem wir unsere Daten ganz ohne Zwang, ohne Überwachung von außen abgeben.
- Einfach aus uns heraus.
- Weil Daten hergeben, so toll ist.
- Weil ich doch nix zu verbergen habe.
- Weil doch die ganze Welt (oder zumindest meine 3875 “Freunde”) unbedingt wissen muss, wo ich gestern um 23:36 Uhr war.
Hier spielt die Überwachung durch Datenkraken noch gar keine Rolle.
Und wenn wir nicht gerade Edward Snowden sind (und das sind - zum Glück - die wenigsten), dann spielen an dieser Stelle auch die Geheimdienste nur eine untergeordnete Rolle. Die Daten, welche die Geheimdienste hier abgreifen, ist einfach Beifang (wie ein Delphin in der Thunfischdose eben).
Die Datenkraken müssen in diesem Fall auch noch nicht einmal aktiv nach unseren Daten verlangen, denn wir schenken sie ihnen ja!
3.1.1 Tao und Stoa
Und was können wir nun dagegen tun?
Lassen wir ein wenig mehr Tao in unserem Leben zu!
Und wie das? Indem wir nichts tun. Nutzen wir das Konzept des wu wei, des Handelns durch Nicht-Handeln, für den Schutz unserer Privatsphäre.
Einfach dadurch, dass wir keine Daten über uns ausplaudern, tragen wir einen wesentlichen Teil dazu bei, dass wir unsere Privatsphäre stärken. Dies ist ein Konzept, welches vollkommen konträr zu der entsetzlichen Aussage von Eric Schmidt13 steht:
„Wenn es etwas gibt, von dem Sie nicht wollen, dass es irgendjemand erfährt, sollten Sie es vielleicht ohnehin nicht tun.“
Ich will, dass wir alle weiterhin auch die Sachen tun können, von denen wir nicht wollen, dass es jemand erfährt (auch meine Mutter nicht, zum Beispiel, ach - Google und die ganze Geheimdienst-Blase auch nicht. Aber vor allem meine Mutter). Ich plädiere nur dafür, dass wir nicht in einen dauerberieselnden Datenstrom verfallen und mit unseren sinnlosen Gemeinplätzen, Selbstbildnissen und geopositionierten Orientierungslosigkeiten die Datenwelt fluten und uns dabei vollkommen seelisch leeren.
Tun wir einfach öfter mehr für uns (und alle anderen!), indem wir nichts tun - was unsere Datenmiteilsamkeit angeht.
Dabei sei dir selbst genug, übe dich in Affektkontrolle und genieße den Moment in gelassener Seelenruhe: lasst uns ein wenig stoisch werden!
***
Anarchy In The Data Sovereignity
Was wir auf jeden Fall im Hinterkopf halten sollten (und uns dafür bei Gelegenheit selbst leichte Schläge auf denselben versetzen sollten), ist die Tatsache, dass wenn wir unsere Daten hergeben, wir zum einen die Herrschaft über diese Daten verlieren und zum anderen auch tatsächlich jedes Recht daran aufgeben.
Geben wir Daten über uns preis, so geben wir auch die Kontrolle über diese Daten ab. Ich bin kein Kontrollfreak, aber ich auch kein Freund davon, jemand anderem die Kontrolle über mich zu geben.
Denn jemand der Kontrolle über meine Daten hat, hat auch leicht Kontrolle über mich.
Daher lasse ich Ton, Steine, Scherben für mich sprechen:
“Keiner hat das Recht, Menschen zu regier’n.”.
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You Post it - you lose it
Dazu kommt auch noch, dass wir - rein juristisch gesehen - tatsächlich sämtliche Rechte an unseren Daten aufgeben, wenn wir diese auf unsozialen Plattformen wie Facebook posten.
So heißt es in den Nutzungsbedingungen von Facebook:
“Du gewährst uns eine nicht-exklusive, übertragbare, unterlizenzierbare, gebührenfreie, weltweite Lizenz für die Nutzung jedweder IP-Inhalte, die du auf bzw. im Zusammenhang mit Facebook postest (IP-Lizenz)”.
(Als lustiges Bonmot am Rande: Facebook hat gar keine Daten-SCHUTZrichtlinie, Facebook nennt es einfach Datenrichtlinie - das sollte uns allen doch schon einen Wink mit dem Gartenzaun geben ;) ):
Deswegen noch mal:
Nix posten, was du behalten willst, sonst kann jeder damit tun, was er will.
Ja, und was beim posten noch zu beachten ist: du verlierst zwar die Rechte an deinen geposteten Inhalten, aber die Auswirkungen auf dich kleben an dir schlimmer als Zwei-Komponenten-Kleber und gar nicht so praktisch ablösbar wie die gelben Klebezettelchen ;)
Darum schließe ich heute wieder mit einem wahren Wort von Oscar Wilde:
“Gesegnet seien jene, die nichts zu sagen haben und den Mund halten!”
Poste nicht so viel und genieße umso mehr - so gelingt dein Leben nebenher ;)
3.2 Was ich tun kann, wenn die Datenkraken mir an die Daten gehen wollen
Schutz meiner Privatsphäre durch Datensparsamkeit - schön, aber wie soll ich das machen?
In jedem Formular werden doch - meistens mehr als notwendig - Daten von mir eingefordert, meistens auch in Form von “Pflichtfeldern” (ob diese Felder sinnvoll sind für die Erbringung der Dienstleistung, ist dabei mehr als zweifelhaft).
Und was tun wir jetzt?
Sei rebellisch
“When they kick at your front door
How you gonna come?
With your hands on your Head
Or on the trigger of your gun”
The Clash, The Guns Of Brixton
Damit habe ich doch mal die Position, die ich hier verteidigen will, klar gemacht: Die Datenkraken wollen mir mit ihrem datengierigen Formular die Eingangstür zu meiner Privatsphäre eintreten.
Jetzt habe ich die Wahl, ergebe ich mich und händige ihnen meine Daten und damit mich aus, oder setze ich mich zur Wehr?
Mir hilft es, wenn mein innerer Rebell mir diese Zeilen von The Clash noch mal vorsummt, denn dann bin in der richtigen Stimmung (rebellisch und eben nicht unterwürfig) um diesem Formular so zu begegnen, wie dies es eben verdient hat: freundlich, selbstbestimmt und kreativ.
Damit komme ich zu meinem ersten Rezept für datengierige Formulare:
Sei kreativ bei “Pflichtfeldern”
Die meisten Felder, die ein Datenkrake (Oder müsste es Datenkraken heißen? Vom mythologischen Kraken. Das passt besser, finde ich) abgreifen will, sind für die angefragte Dienstleistung vollkommen unerheblich und tragen nur zum Datenhort eben jenes Kraken bei.
Ein Streaming-Dienst braucht halt deine Postanschrift nicht.
Und eine Fluggesellschaft braucht deine Telefonnummer nicht, schließlich hat sie ja schon deine E-Mail Adresse.
Deswegen, übe dich in deiner schriftstellerischen Kreativität und lass deiner Fantasie freien Lauf.
Halte dich an Johann Nepomuk Nestroy, der es folgendermaßen formulierte:
“Nur eine lebhafte Einbildungskraft muss man haben, die muss aber schon verflucht lebhaft sein, nachher is es recht angenehm auf der Welt.”
Einfach mal nichts sagen
“Reden ist Silber, Schweigen ist Gold
Schweige o Mensch und iss.”
Wilhelm Raabe bringt es hier trefflich auf den Punkt, wie wir uns noch vor der Datengier der Kraken schützen können.
Gib keine Daten an.
Nichts anzugeben lässt die Datensammler gänzlich im Dunklen, was dein Profil angeht.
Wo sie bei falschen Daten noch etwas haben, mit dem sie ihre Profile füttern können, so lässt digitales Schweigen sie gänzlich im Unklaren.
Daher “schweige o Mensch”.
Wo immer es möglich ist, gib gar keine Daten preis.
Widerstehe der unterschwelligen Aufforderung, du müsstest deine Daten dankbar und freiwillig den Datenkraken in ihre gierigen Fangarme werfen.
Folge dem Aufruf der Sex Pistols
“No Future For You!”
und formuliere daraus ein “No Data For You!” (vielleicht noch ein leises “Up Yours!” hinter her denken und zwei Finger hochstrecken).
Wir müssen wieder lernen Dinge in Frage stellen
“Lass dir von keinem Fachmann imponieren, der dir erzählt: ‘Lieber Freund, das mache ich schon seit zwanzig Jahren so!’ - Man kann eine Sache auch zwanzig Jahre lang falsch machen.”
Kurt Tucholsky
Immer nur nicken und gedankenlos seine Daten jedem Datensammler hinter her zu tragen führt halt zwangsläufig in den Bankrott der eigenen Privatsphäre.
Auch wenn wir zwanzig Jahre lang treu unsere Daten zu diesem und jenem Kundenvorteilsprogramm getragen haben - sei es Pay back oder ein anderer Seelen ... äh ... Datenhändler, irgendwann wird es für uns einfach mal Zeit “Nein!” zu sagen!
Auch wenn diese vermeintlichen Bonusprogramme uns immer einreden wollen, sie tun uns etwas Gutes - lieber Mensch, werde dir gewahr, dass sie dir einfach schon immer das Falsche erzählt haben.
Sie tun sich etwas Gutes - nämlich deine Daten.
Was du...