Vorwort
Bertrand Russell vertritt in seiner Philosophiegeschichte “Philosophie des Abendlandes – Ihr Zusammenhang mit der politischen und sozialen Entwicklung“ eine neue Auffassung über die Geschichte der Philosophie, deren programmatische Intentionen er schon im Untertitel unterstreicht. Danach ist die Philosophie und ihre Geschichte keine zeitenthobene und von der menschlichen Sozietät abgelöste Selbstbespiegelung des menschlichen Geistes; sondern „Philosophen sind sowohl Ergebnisse als auch Ursachen: Ergebnisse ihrer sozialen Umstände, der Politik und der Institutionen ihrer Zeit; Ursachen (wenn sie Glück haben) der Überzeugungen, die der Politik und den Institutionen späterer Zeitalter die Form geben“ (Köln 2002). Dieser Generalthese folgt die Analyse. Sie wird im Hauptteil durch unstrittige Hinweise auf die Goldene Zeit der islamischen Philosophie argumentativ bestätigt. Im Schlussteil wird eine Prognose gewagt, wie sich eine Auseinandersetzung des Islam mit seiner eigenen und derjenigen der Neuzeit soziokulturell auswirken kann.
Das vorige Jahrhundert war in Europa durch drei Großideologien geprägt: Imperialismus, Nationalsozialismus und Kommunismus. Imperialismus und Nationalsozialismus haben sich in zwei Weltkriegen unter ungeheurem Verlust an Menschen und Material ausgetobt; der Kommunismus, der vor allem in den Gulags der Sowjetunion reiche Ernte an Menschenleben gehalten hat und in China unter Mao etwa 70 Millionen Menschen ermorden ließ, hat sich an seinen eigenen Widersprüchen, artikuliert durch Präsident Gorbatschow, selbst beerdigt. Was alle drei Ideologien2 einigt, ist ihr strukturell ähnliches Wertsystem, das dem Menschen nur eine instrumentelle Existenz zugesteht, mit dem diese Ideologien ihr Machtspiel treiben konnten.
Doch das Aufatmen auf der Welt wird zusehends schwächer, weil das ideologische Vakuum, entstanden durch den weitgehend unblutigen Untergang des Sowjetimperiums, sich schon wieder zu füllen beginnt. Die Religion „Islam“ gerät mehr und mehr unter den politischen Einfluss der Herrschaftsidee des Islamismus, einer fundamentalistischen Befreiungsideologie3 mit missionarischem Eifer und Eiferern, die ihre Weltanschauung einer wörtlichen Auslegung des Korans entnehmen und einen muslimischen Gottesstaat mit globalem Umfang planen, deren Feindbild, der Westen, immer mehr dämonisiert wird, so dass das christliche Abendland gemäß dieser Schilderung immer mehr einem Sodom und Gomorra gleicht, dessen Auslöschung ein gottwohlgefälliges Werk ist.
Ebenso wie die schon genannten Großideologien ihre Feindbilder entwickelt haben, der Imperialismus den gnadenlosen Konkurrenten, der Nationalsozialismus die ‚minderwertigen Rassen’, vor allem das internationale Judentum, der Kommunismus den ‚Klassenfeind’, die zur problemloseren Vernichtung vorher dämonisiert und ‚verteufelt‘ wurden, so präsentiert heute der Islamismus sein Feindbild des ‚kreuzzüglerischen Westens‘ mit den USA und Israel als Protagonisten.
Auch hier ist auffällig, dass der Andere (wir) nacheinander die Rolle des Mitbürgers, dann des Gegners, dann des Feindes, dann des teuflischen Abgesandten der Hölle, zum Schluss dann des Untieres, Unmenschen und Unwesens (Inkarnationen des Bösen) durchlaufen, so dass es jedem guten Bürger als Angehöriger einer wahrhaft gottgefälligen Weltanschauung Pflicht sein muss, den ‚Anderen’ (uns) schließlich als ‚Menschenmüll’ zu ‚entsorgen’. Der terroristische Flügel des Islamismus, ungerührt von den mahnenden Stimmen einiger religiöser Führer des Islam, hat sich diesem ‚Entsorgungsprogramm’ verschrieben. Es ist der Zynismus der Macht, der hier wie bei den anderen genannten Ideologien die Existenz des Menschen auf ein reibungsloses Funktionieren reduziert und höchstens als Mittel gelten lässt.
Der menschenverachtende Islamismus, der jetzt in der Reihe „Faschismus“, „Kommunismus“ und „Nationalsozialismus“ im Gleichschritt mitmarschiert, ist ein Angriff auf alle zivilisierten Nationen, was mich dazu führt, diese terroristische Ideologie argumentativ zu entlarven und dadurch zu bekämpfen, nicht zuletzt aus der leidvollen Erfahrung mit dem Kommunismus. „Veränderung durch Aufklärung“ – so möchte ich mein in diesem Buch niedergelegtes Programm plakativ zusammenfassen. Die argumentative Entlarvung des Islamismus als negative Karikatur einer missbrauchten Erlösungsreligion (ich sehe vor mir ständig die beiden zusammenstürzenden Tower des World Trade Centers in New York) lässt mich emotional nicht kalt, so dass ich meinen Standpunkt bei normativen Bewertungen engagiert und sprachlich unmissverständlich vertreten werde; für die Sachdarstellung gilt das Objektivitätspostulat. Der Leser kann immer zwischen normativer Subjektivität und deskriptiver Objektivität unterscheiden.
Dass vieles in Zukunft für eine militärische Konfrontation des Westens mit dem Islamismus spricht, ist Meinung von Huntington (1996)4. In seinem umstrittenen Buch “Kampf der Kulturen“ vertritt er die These: ‚Es gibt zwei Weltkulturen (besser Zivilisationen), die des Islam und die des Westens. Beide erheben einen universalen Machtanspruch.’ Die Muslime glauben, dass sie das Recht und damit die Macht haben, ihre Kultur mit physischem Nachdruck auf der ganzen Welt zu verbreiten; die Europäer sind von der Überlegenheit ihrer rationalen Zivilisation überzeugt und wollen trotz schwindender Macht eine westliche Weltzivilisation aufrechterhalten. Letztere hoffen, dass durch die Globalisierung der menschlichen Belange eine die Einzelkultur transzendierende Weltkultur entsteht. Im Grunde bedeutet der alleinige Machtanspruch eine Neuauflage der Bipolarität zwischen sowjetischem Kommunismus und amerikanischen Kapitalismus als Kampf zwischen Islamismus und freiem Westen.
Die Klärung der strittigen Begriffe „Zivilisation“ und „Kultur“ möchte ich hier mit dem Begriff „System“ umgehen. Der Einwand, dass es ein einheitliches islamisches System nicht gibt, sondern nur viele islamischen Staaten mit eigenen Interessen, die niemals eine Einheit bilden können, ist historisch und tatsächlich gut zu belegen, aber auch die Gegenthese5, weil der Karikaturenstreit gezeigt hat, dass in religiösen Fragen die Muslime ein einheitliches Bewusstsein besitzen und weil der Islamismus sich anschickt, länderübergreifend das gemeinsame Fundament des politischen Islam zu werden. Es gibt auch die Utopie eines gemeinsamen Gottesstaates, die unter Mohammed, den vier „rechtgeleiteten Kalifen“, den „Omaijaden“ und der „Hohen Pforte“ alle oder viele Muslime in einem historisch existenten Reich vereinigt hat und also wieder Realität werden kann, wenn sie ernsthaft angestrebt wird, weil sich die Glaubensbasis nicht geändert hat. Auch der Panarabismus ist trotz seiner Niederlage im Sechs-Tage-Krieg politisch noch immer eine Option.
Die deutsche Innen- und Außenpolitik hat diese drohende weltweite Konfrontation zweier Systeme lange ignoriert, dann verniedlicht, dann ungeschickt angegangen. Unkontrolliert konnten sich jahrzehntelang Muslime in Deutschland ansiedeln. Wer in dieser unbegrenzten Einwanderung ein kommendes Problem sah, wurde als Rassist verunglimpft, Neonazi beschimpft, Deutschtümler ironisiert, Rechtsradikaler indiziert. Auf der Multi-Kulti-Spielwiese sollte sich eine integrative Gesellschaft bilden. Das gelang den europäischen Migranten; denn es hat mit Italienern, Spaniern, Griechen, Portugiesen, Jugoslawen (als Sammelbegriff) keine politischen Spannungen gegeben.
Doch die Muslime blieben wegen ihres ganz anderen Wertsystems, das sie mit nach Westeuropa brachten, unter sich, engagierten sich gesellschaftlich wenig und waren Fremde, die auch die deutsche Sprache6 oft nur gebrochen beherrschten. Das war auch nicht so schlimm, denn inzwischen hatte sich eine muslimische Parallelgesellschaft, optisch sichtbar im Entstehen von Ghettos, gebildet, in der sich, verstärkt mittels der Medien in der Türkei, eine durch einen militanten türkischen Nationalismus7 beeinflusste muslimische Gesellschaftsstruktur bildete, in der Türkisch die Umgangssprache ist. Ein sich aus dem deutschen Staatswesen ausgliedernder Staat im Staate beginnt, sich allmählich zu etablieren. Das „Diaspora-Syndrom“, mangelhafte Bildungsqualifikation, der häufig propagandistische Einfluss der türkischen Medien, deren Schüren von Vorurteilen alte Verhaltensmuster des Denkens und Verhaltens vieler nicht nur türkischer Muslime bestimmen, die trostlose Situation auf dem Arbeitsmarkt, aber besonders das mit der Wirklichkeit nicht korrespondierende Überlegenheitsgefühl als Privilegierte Gottes sorgen zusätzlich für Abschottung vor der deutschen Gesellschaft und auch Ablehnung dieser Kultur. Trotz der vielen verfassungskonform lebenden Türken und Muslime in Deutschland bleibt der Vorbehalt, dass hier eine Entwicklung abläuft, deren Richtung kaum zu erkennen und zu steuern ist. Geringer Einsatz für deutsche Belange und Betonung der eigenen Andersartigkeit sorgt...