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Desmond Tutu als Mentor der Versöhnung. Die Aufarbeitung der Apartheid durch die Wahrheits- und Versöhnungskommission (TRC) in Südafrika

AutorConstanze Ruppert
VerlagStudylab
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl309 Seiten
ISBN9783668491274
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
1996 berief der damals amtierende südafrikanische Präsident Nelson Mandela Desmond Tutu als 1. Vorsitzenden der Wahrheits- und Versöhnungskommission, um Südafrika im Übergang von der Apartheid zur Postapartheid zu begleiten. Die Wahrheits- und Versöhnungskommission (TRC) war von 1996 - 1998 in East London in der Provinz Ostkap in Südafrika tätig. Ihre Aufgabe war es, Menschenrechtsverletzungen aufzuklären, die während der Zeit der Apartheid verübt wurden, Amnestieanträge zu prüfen und Empfehlungen für Entschädigungs- und Schmerzensgeldzahlungen gegenüber der Regierung auszusprechen. Inspiriert durch seinen Glauben reifte in Tutu die Vision, dass eine Veränderung der Gesellschaft und die Heilung der Wunden der Apartheid möglich sind. Die Aufarbeitung der Apartheid, untersucht aus einer theologischen und historischen Perspektive, steht im Zentrum dieses Buches. Anhand der Biographien prägender Persönlichkeiten, die sich als Resultat ihres Glaubens für gesellschaftspolitische Veränderungen eingesetzt und Nationen in Transformationsprozessen begleitet haben, wird die Aufarbeitung der Apartheid im Rahmen der TRC erforscht. Der Fokus liegt hierbei auf dem Friedensnobelpreisträger und anglikanischem Bischof Desmond Tutu, der mit seinem jahrzehntelangen Einsatz gegen Rassismus zu einer Schlüsselperson der Anti-Apartheids-Bewegung wurde. Betrachtet wird seine Rolle als 1. Vorsitzender der TRC. Es wird die These aufgestellt, dass Tutu zu einem Mentor für eine ganze Nation in der Aufarbeitung der Apartheid wurde. In der Verifizierung dieser These findet eine Auseinandersetzung mit Tutus Biographie, seinem Gottes-; Menschen- und Weltbild statt. Ein spezieller Schwerpunkt liegt hierbei auf der afrikanischen Ubuntu-Philosophie, welche Tutu kulturell stark geprägt hat. Im Laufe der Thesis wird der Begriff des gesellschaftlichen Mentorings entwickelt und definiert. Explizit wird auch auf die Gefahren des gesellschaftlichen Mentorings - insbesondere die Gefahr des Machtmissbrauches - hingewiesen. Aus dem Inhalt: - Desmond Tutu; - Anti-Apartheid; - Rassismus - Südafrika; - Ubuntu-Philosophie

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Leseprobe

1 Die Themenfindung


 

In der Vorbereitung auf diese Masterthesis hat die Autorin interkulturelle Konflikte in den Fokus genommen. Sie hat Biographien von unterschiedlichen Menschen gelesen, die sich als Resultat ihres Glaubens für gesellschaftspolitische Veränderungen eingesetzt und Nationen in Transformationsprozessen begleitet haben. Dabei ist sie u. a. auf die Biographien von Nelson Mandela, dem ersten schwarzen[3] Präsidenten Südafrikas[4] und Desmond Tutus, dem ersten schwarzen anglikanischen Bischof Südafrikas und Vorsitzenden der Wahrheits- und Versöhnungskommission[5], gestoßen.

 

Es kristallisierte sich in der Recherche heraus, dass sich während Nelson Mandelas Regierung und unter Desmond Tutus Wirken, u. a. als Resultat ihres von ihrem Glauben inspirierten Handelns, ein komplexer Transformationsprozess mit tiefgreifenden politischen und sozialen Veränderungen in der südafrikanischen Gesellschaft zwischen verschiedenen nationalen Gruppen vollzog.

 

Die Autorin hat sich daraufhin entschieden in ihrer Masterthesis die Bearbeitung eines interkulturellen Konfliktes zu untersuchen.

 

Diese Masterthesis trägt deshalb den Titel: „Desmond Tutu als Mentor der Versöhnung in der Aufarbeitung der Apartheid im Rahmen der Wahrheits- und Versöhnungskommission[6] in der Nation Südafrika“.

 

Die Autorin stellt zu Beginn die These auf, dass durch das Evangelium inspirierte Mentoringprozesse nicht nur ein Individuum oder ein kleines Kollektiv, sondern auch eine komplette Nation betreffen können.

 

1.1 Die Informationssammlung


 

Im Rahmen ihrer Recherche ist die Autorin nach Südafrika gereist, um einen direkten Einblick in die Gegebenheites des Landes zu gewinnen und um Kontakt mit Menschen vor Ort aufzunehmen. Die erste Station ihrer Reise war Johannesburg, die mit etwa 3,8 Millionen Einwohnern[7] größte Stadt Südafrikas.[8] Gleichzeitig ist der gesamte Großraum Johannesburgs mit nahezu acht Millionen Einwohnern auch die größte Metropolregion im südlichen Afrika.[9] Aufgrund der großen Kluft zwischen dem Reichtum der Weißen in Vororten wie Rosebank und Sandton und der Armut der Schwarzen und Farbigen in den Townships[10] ist es gleichzeitig auch die kriminelle Hochburg Südafrikas.[11]

 

Die wirtschaftliche Situation ist verfahren. Bei schwarzen und farbigen Jugendlichen unter 20 Jahren beträgt die Arbeitslosenquote mehr als 70%. Im Vergleich dazu liegt die Arbeitslosenquote der Weißen bei 2%.[12] Johannesburg wird zu den zehn gefährlichsten Städten weltweit gezählt.[13]

 

Die Autorin besuchte in Begleitung eines schwarzen Südafrikaners,[14] der gebürtig aus Johannesburg stammt, das Township Soweto (SoWeTo - offizielle Abkürzung für South Western Townships),[15] das als Wiege der Anti-Apartheids-Bewegung und als ein Symbol des Widerstandes bezeichnet wird.[16]

 

Im Jahr 1976 wurde dort bei friedlichen Schülerprotesten gegen die Einführung von Afrikaans als Unterrichtssprache Hector Pieterson, ein südafrikanischer Schüler im Alter von zwölf Jahren, erschossen. Die Demonstrationen gingen unter dem Namen Soweto-Aufstand in die Geschichte Südafrikas ein.[17] Der Journalist und Redakteur Roman Heflik[18] bezeichnet den Tag, an dem Hector Pieterson starb, als

 

 „den Anfang vom Ende der Apartheid“.[19]

 

 Pieterson wurde durch seinen Tod zu einer Symbolfigur der schwarzen Bevölkerung in ihrem Kampf gegen das Apartheidsregime. Um die Anfänge und Wurzeln der Anti-Apartheidsgeschichte tiefer zu verstehen, besichtigte die Autorin die Gedenkstätte und das Museum, das in Erinnerung an Pieterson errichtet wurde.[20]

 

Des Weiteren besuchte sie in Soweto die Vilakazi Street, die einzige Straße weltweit, aus der zwei Nobelpreisträger stammen: Desmond Tutu und Nelson Mandela.[21]

 

 Sie besichtigte dort das ehemalige Wohnhaus von Nelson Mandela, das heutzutage ein Museum ist, welches seinem Wirken und Leben als Anti-Apartheids-Kämpfer gewidmet ist.[22]

 

In Ormonde, einem Vorort von Johannesburg, informierte sie sich tiefergehend über die Geschichte der Apartheid in Südafrika, welche dort im Anti-Apartheids-Museum eindrücklich und facettenreich beleuchtet wird.

 

Die Dokumentation beginnt mit den frühen Anfängen der Apartheid, ihrer Entstehung ab 1948. Es wird die menschenverachtende und gesellschaftliche Entwicklung, bis hin zu ihrer Beendigung 1994, dargelegt. Hierbei wird der Museumsbesucher direkt mit in die Erfahrung und das Erleben der Rassentrennung hineingenommen, indem am Eingang z. B. willkürlich Eintrittskarten verteilt werden, auf denen die fiktive Rasse des Besuchers vermerkt ist. Je nachdem, ob er weiß, farbig oder schwarz ist, muss er das Museum durch unterschiedliche, seiner „Rasse“[23] zugeordnete Eingänge betreten.[24] Auf diese Art und Weise wird versucht etwas von der Willkür der Rassentrennung und ihren strukturellen Auswirkungen im Alltag zu vermitteln.[25] Auch der internationale, politische Kontext der Apartheid wird in der Ausstellung detailliert erläutert. Es ist das einzige Museum weltweit, das ausschließlich der Geschichte der Apartheid gewidmet ist. Ein großer Schwerpunkt wird hierbei auf die Aufarbeitung der Apartheid gelegt.

 

Im Januar 2014, als die Autorin vor Ort war, fand dort in Gedenken an Nelson Mandela, der einen Monat zuvor, am 5.12.2013, verstorben war,[26] gerade eine Sonderausstellung zu seinem Leben statt. In dieser Ausstellung wurden u. a. auch seine Beziehung zu Desmond Tutu und ihr gemeinsames Wirken beleuchtet.[27]

 

Die Verfasserin dieser Thesis bereiste im Anschluss Pretoria, die Hauptstadt Südafrikas.[28] Dort besuchte sie die Union Buildings, den Sitz der südafrikanischen Regierung. Diese waren von

 

1994-1999[29] auch der Regierungssitz Mandelas.[30] Im Dezember 2013 wurde er dort aufgebahrt, so dass das südafrikanische Volk von ihm Abschied nehmen konnte.[31] Beigesetzt wurde er zehn Tage später im Familiengrab in seinem Heimatdorf Qunu, welches in der südafrikanischen Provinz Ostkap liegt.[32]

 

In Pretoria nahm die Autorin außerdem an einer Führung durch den Freedom Park (deutsche Übersetzung: Freiheits-Park) teil. Dieser Park dient als Mahnmal und erinnert in symbolträchtiger Weise an die Menschen, die in kriegerischen Konflikten in Südafrika ihr Leben gelassen haben.[33]

 

Von dort aus führt direkt eine Straße mit dem Titel Road of Reconciliation (deutsche Übersetzung: Straße der Versöhnung) zu dem Voortrekker Monument,[34] einem Bauwerk,[35] entstanden im Zeitraum von 1937-1949, welches die Vorherrschaft der Weißen über die dort vorab lebenden einheimischen Stämme demonstriert. Ganz konkret erinnert das Monument an die kriegerischen Auseinandersetzungen der burischen Voortrekker mit den Zulus. Dieser Stamm wurde 1838 bei der Schlacht am Blood River vernichtend geschlagen.[36] Das Bauwerk zeugt von der gewaltsamen Kolonialisierung Südafrikas,[37] welche u. a. auch ideologische Grundlagen für die später folgende Apartheid legte.

 

Die Autorin reiste durch den Osten Südafrikas und führte Gespräche mit Südafrikanern unterschiedlichster Hautfarbe, unter der Fragestellung, wie 2014, also 20 Jahre nach der Apartheid, Menschen unterschiedlichster ethnischer Herkunft miteinander oder auch getrennt leben.

 

Von Kapstadt aus fuhr sie dann mit einem Schiff nach Robben Island,[38] die Insel auf der Nelson Mandela 18 Jahre als Gefangener gelebt hatte (1964-1982)[39], und besichtigte seine ehemalige Haftzelle. Ihr Weg führte sie in den Kalksteinbruch, in welchem Mandela und seine Kameraden in der glühenden südafrikanischen Hitze ohne Schutzbedeckung bis zu zehn Stunden pro Tag Steine von einer Ecke des Steinbruches in die andere transportierten, nur um sie am nächsten Tag wieder zurücktransportieren zu müssen.[40] Aufgrund dieser Arbeitsbedingungen, dem blendend gleißenden Licht und dem feinen Staub in dem weißen Kalksteinbruch ausgesetzt, erlitt Mandela Augenschäden[41] und erkrankte an Lungentuberkulose[42].

 

Um einen Einblick in die Lebensbedingungen zur Zeit der Apartheid zu bekommen, die Zwangsumsiedlungen...

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