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Das Tal der Götter

Der Silicon-Valley-Lifestyle: So lebt, arbeitet und tickt die neue US-Elite

AutorAlexandra Wolfe
VerlagPlassen Verlag
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl256 Seiten
ISBN9783864704901
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis17,99 EUR
Die US-Elite tummelte sich lange Jahre an den Ivy-League-Unis der Ostküste. Mittlerweile hat sich der Fokus verlagert. Das Silicon Valley ist der neue Hotspot. Hier werden Kids zu Milliardären. Hier tobt der Kampf um die größten Talente von morgen. Alexandra Wolfe begleitet drei dieser jungen Visionäre, die das College und ihr normales Leben aufgegeben haben, um im Silicon Valley zu leben und zu arbeiten. Ihr Ziel: der nächste Mark Zuckerberg oder Elon Musk zu sein. Peter Thiel, einer der ganz Großen im Silicon Valley, rekrutiert sie mit seinem Förderprogramm. Wolfe war dabei und gewährt exklusive Einblicke.

Alexandra Wolfe arbeitet als Reporterin beim Wall Street Journal und schreibt dort die Wochenkolumne 'Weekend Confiden­tial'. Nach ihrem Abschluss an der Duke University arbeitete sie u.a. beim 'New York Observer' und 'Condé Nast Portfolio'. Als Freelancer schrieb sie regelmäßig für 'Bloomberg Businessweek' und 'Vanity Fair'. 'Das Tal der Götter' ist ihr erstes Buch.

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VORWORT


EIN DONNERSTAGABEND um kurz nach sechs im kalifornischen San Mateo County in einem relativ neuen, schicken Hotel im kalifornischen Kunsthandwerkerstil namens Rosewood Sand Hill. Von der Veranda aus schaut man auf einen von unten beleuchteten Pool, der Olympianormen erfüllt und von Fuchsien umsäumt ist. Eine Gruppe schlanker blonder Frauen in hellen Strandkleidern und sich bauschenden Blusen hockt auf Sitzkissen im Rancho-Webstil an Tischen, voll besetzt mit Tech-Unternehmern in der legendären Technokluft: enge T-Shirts, Jeans und maßgeschneiderte Blazer. Sie hängen unter UV-Lampen ab, essen scharf gewürztes Popcorn und kleine Sandwiches vom Eichenkohlengrill, heruntergespült mit Wein aus Sancerre.

Doch heute Abend kriegen die jungen Blondinen Konkurrenz. Jeden Donnerstagabend ist Cougar Night, wie es die Stammgäste nennen. Die Cougars* sind Frauen über 30 oder 40 – oder womöglich noch älter? – auf der Pirsch nach genau den appetitlichen Sterblichen, die sie hier vor sich aufgereiht sehen: ein Tisch neben dem anderen und voll besetzt mit jungen Techies, ausschließlich männlich, überwiegend Singles, die Hälfte von ihnen keinen blassen Schimmer von den Waffen einer Frau – und darunter so viele Milliardäre und Männer mit einem Vermögen von Dutzenden oder einigen Hundert Millionen Dollar, dass sie jede beliebige Ansammlung von Investmentbankern und Hegdefondsmanagern vor lauter Minderwertigkeitsgefühlen und Befangenheit wegen des Altersunterschieds zusammenzucken lassen würden.

Sowohl die jungen als auch die auf Botox schwörenden Frauen sind auf die jungen Pioniere scharf, die früh zu Reichtum gelangten, als sich Mitte der 1990er-Jahre ein unüberschaubares, unerschlossenes Terrain namens Internet über die Welt ausbreitete. Nur die Jungen und Ehrgeizigen, die mit dem Computer aufgewachsen waren, erkannten sein künftiges Potenzial. Sie hatten die digitalen Arbeitsabläufe des Computers schon früh in ihrem Leben verinnerlicht. Für sie schien er weniger ein Werkzeug als vielmehr Teil ihres vegetativen Nervensystems zu sein – jenes Element des Zentralen Nervensystems, das Säugetiere atmen lässt, ohne dass sie daran denken müssen. Nur sie konnten die grenzenlosen Möglichkeiten des Webs erahnen. Erstaunlich wenige vor 1970 Geborene haben es jemals kapiert, auch wenn ihre Leistungen in geschäftlichen Dingen oder in der akademischen Welt herausragend sein mochten. Die Old Boys betrachteten das Internet von außen und fragten sich, was daran so aufregend sein sollte. Die Kinder des digitalen Zeitalters mussten es sich nicht anschauen. Sie fühlten es im Bauch. Sie waren visionäre junge Hüpfer, die erkannt hatten, dass das Internet die erste große neue Industrie seit einem halben Jahrhundert werden würde – erschaffen, entwickelt, bedient und – was am wichtigsten war – im Besitz von „Kindern“. Es hatte das Potenzial, Fernsehen und Kernkraft wie Antiquitäten aussehen zu lassen.

Obendrein hatte das Internet Einstiegsmöglichkeiten, von denen man an der Ostküste noch nie gehört hatte. Abgaben leisten im Silicon Valley? Hier zu sein hieß, man fing als Geschäftsführer eines Start-ups an und scheiterte dann. Das also war der erste Schritt: Die Glorifizierung war ein gutes Recht. Man konnte gleich ganz oben als Gründer – und nicht etwa ganz unten in der Poststelle – anfangen, dann dramatisch scheitern und künftig im Lebenslauf damit angeben. Es war eine neue Art zu reüssieren für jene, die keine mustergültige Herkunft hatten. Man konnte von sonstwo her sein, Land oder Abschluss spielten keine Rolle, und es gab auch keine festgelegten Schritte, denen man folgen musste. Wer es schaffte, ganz groß rauszukommen – auch wenn es nur wenige Milliarden-Dollar-Unternehmen gab –, hatte das Gefühl, der Durchschnittsbürger oder der Antinerd schlechthin zu sein. Das war eine hoffnungsfrohe Botschaft, selbst wenn es hauptsächlich die wenigen Glücklichen waren, die am lautesten mit ihrem für unmöglich gehaltenen Aufstieg in die Elite des Silicon Valley prahlten.

Auch ihr Aussehen war bemerkenswert. Zu Hause, woher so ein spindeldürrer Nerd mit starken Brillengläsern, ausgebeulten Jeans und T-Shirt auch immer kommen mochte, hätte er sich bei den Frauen mit ziemlicher Sicherheit einen Korb geholt. Hier aber, zur Cougar Night, wurde genau dieser Typ Mann von Frauen umschmeichelt.

Aber wie konnten die Cougars die Erfolgreichen von den Erfolglosen unterscheiden? Sie sahen doch alle gleich aus, von Risikokapitalgebern bis zu den Stanford-Studenten im achten Semester. Na gut, Erstere mochten vielleicht ihre Haare gefärbt haben.

Die Szene hier im Hotel spiegelte das erste Aufblühen dieser Industrie wider, die die sechseinhalb Kilometer lange Sand Hill Road in ein Ziel verwandelte, das genauso anziehend war wie Manhattan, Londons Mayfair District, die Champs Elysées in Paris, Rio, Hongkong, Las Vegas und die Via Veneto in Rom. Kurz gesagt, es ist das Herz des Silicon Valley, ein geografischer und emotionaler Ort, der auf eine vage definierte, 2.400 Quadratkilometer große Fläche verweist, die 40 Kilometer südlich von San Francisco beginnt, die Halbinsel entlang durch Palo Alto führt und schließlich bei Mountain View in der Nähe von San José endet.

Das war nicht immer so. Das Gelände des protzigen Rosewood Hotels war vor 200 Jahren eine Rinderfarm. Die Sand Hill Road? Ein Kuhpfad. Vor 100 Jahren? In der Gegend, wo jetzt der weitläufige Facebook-Campus etliche Hektar des Stadtgebiets von Menlo Park vereinnahmt, knapp zehn Minuten vom Rosewood entfernt, gab es früher Obstplantagen – und zwar so viele, dass der ganze Landstrich Valley of Heart’s Delight (Tal der Herzenslust) genannt wurde.

Damals war der reichste Mann im Tal ebenfalls ein Unternehmer, allerdings auf einem entschieden weniger technischen Gebiet. Er hieß James Lick, war Klavierfabrikant und brachte im 19. Jahrhundert 600 Pfund Ghirardelli-Schokolade nach San Francisco. Auf seinen Rat kam die Firma in die Vereinigten Staaten und gründete die Ghirardelli Chocolate Company. Lick kaufte auch Land. Leland Stanford, der Eisenbahnmagnat und Gründer der Stanford University, war ebenfalls eine Gottheit in jener Ära des Valley of the Gods. Der Stanford University gelang es, Fred Terman davon zu überzeugen, das MIT (Massachusetts Institute of Technology) zu verlassen und nach Palo Alto zurückzukehren, wo er seinen Bachelorabschluss und seinen Master gemacht hatte. Er sollte dort zu einem Zeitpunkt Ingenieurwissenschaften lehren, als die meisten von der Universität angesprochenen Ostküstenprofessoren die Idee verwarfen, an einen Ort überzusiedeln, der sich schon bald als die Eliteschmiede für eine noch wenig bekannte aufstrebende Institution im ganzen Land erweisen sollte – das „Start-up“.

Sie konnten nicht wissen, wie viele weitere Start-ups noch aus dieser Universität der Emporkömmlinge hervorgehen sollten. Bill Hewlett und Dave Packard studierten dort, bevor sie das Unternehmen gründeten, das Hewlett-Packard heißt. Bekanntlich wurde es in ihrer kleinen Garage gegründet – ein Ort, der im Silicon Valley einem antiken Tempel am nächsten kommt. Zuerst übernahmen sie Lohnarbeiten und entwarfen beispielsweise einen Motorantrieb für das Teleskop am Lick-Observatorium, benannt nach James Lick. Schließlich verkauften sie 1938 ihren Tonfrequenzgenerator, mit dem man Beschallungsanlagen testen konnte und der rund 55 Dollar kostete, an die Walt Disney Company für deren geplanten Zeichentrickfilm Fantasia. Disney war ihr erster echter Kunde. Sie gaben die Lohnarbeit auf und wurden stattdessen Fabrikanten.

Es war die erste große studentische Erfolgsgeschichte im Silicon Valley und die erste von vielen Firmen, die mittlerweile routinemäßig – und zu diesem Zeitpunkt fast schon aus Jux – in winzigen Garagen gegründet wurden. So war beispielsweise Halcyon Molecular, ein heute nicht mehr existierendes Start-up für Genomsequenzierung, schwer in diesen „Garagenmythos“ verliebt. Obwohl Risikokapitalgeber großzügige Büroräume und viele Hunderttausend Dollar Kapital zur Verfügung stellten, beschlossen die Gründer dennoch, in einer Garage zu arbeiten.

Das Silicon Valley, wie wir es kennen, bekam seinen Namen erst 1971, als der kalifornische Unternehmer Ralph Vaerst den Landstrich nach den Siliziumchip-Herstellern benannte, die hierher gezogen waren. Heute ragen legendäre und landschaftsprägende Bauwerke aus diesem Tal heraus – nicht nur Garagen, wo große Unternehmen ihren Anfang nahmen, sondern auch die Einrichtungen, in denen die Ideen ausgebrütet wurden. Heute haben neben den Internetfirmen ganze Industrien dauerhafte Stützpunkte hier, etwa Lockheed Martin und die Nationale Aeronautik- und Raumfahrtbehörde, besser bekannt als NASA. 1972 etablierte sich Kleiner Perkins (heute Kleiner, Perkins, Caufield and Byers oder KPCB) als erste Risikokapitalfirma an der Sand Hill Road. Inzwischen sind hier praktisch alle wichtigen Risikokapitalgesellschaften präsent.

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