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E-Book

Bochum

Kleine Stadtgeschichte

AutorStefan Pätzold
VerlagVerlag Friedrich Pustet
Erscheinungsjahr2017
ReiheKleine Stadtgeschichten 
Seitenanzahl168 Seiten
ISBN9783791761206
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Noch vor wenigen Jahrzehnten sang Herbert Grönemeyer, die Stadt sei 'vor Arbeit ganz grau' und habe einen 'Pulsschlag aus Stahl'. Heute ist sie eine grüne Stadt, die sich als zukünftige Gigabit-City mit hoher Lebensqualität positioniert. Außerdem ist Bochum so alt, wie ein Ort im Ruhrgebiet nur sein kann: Hervorgegangen aus einem Königshof Karls des Großen wurde die Ackerbürgerstadt im Laufe der Zeit zu einem der führenden Kohle- und Stahlstandorte sowie zu einer modernen Groß- und Universitätsstadt. 2010 wurde das Ruhrgebiet als Region sogar zur 'Europäischen Kulturhauptstadt' ernannt. Friedliche Jahrzehnte hat Bochum ebenso erlebt wie Phasen tiefgreifenden Wandels, etwa während der Industrialisierung, oder die Leiden der Nazi-Diktatur. Stefan Pätzold liefert eine spannende und lebendig erzählte Kleine Stadtgeschichte!

Stefan Pätzold, Dr. phil., geb. 1966, ist stellvertretender Leiter des Bochumer Zentrums für Stadtgeschichte sowie Lehrbeauftragter der Ruhr-Universität Bochum.

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Leseprobe

Viele Höfe und ein Gotteshaus: Der Ort im frühen und hohen Mittelalter


Die Anfänge: Altenbochum und Cobbos Bochum


Wie man sich die frühe Siedlungsentwicklung vorzustellen hat, ist ungewiss. Um hierüber überhaupt Erkenntnisse zu gewinnen, bedarf es der Kombination und Deutung mehrerer Einzelbeobachtungen. Erstens: Bei Grabungen in der heutigen Propsteikirche St. Peter und Paul im Stadtzentrum entdeckten Archäologen Überreste eines karolingischen Gotteshauses, ohne sie freilich genauer zu datieren. Es könnte demnach ebenso aus dem ausgehenden 8. wie aus dem späten 9. Jh. stammen. Zweitens: Die älteste Erwähnung eines Ortes namens Altenbochum (»Aldanbuchem«) bietet das bereits erwähnte Werdener Urbar A, das um 900 angelegt wurde. Darin verzeichnete man die im Besitz des Klosters befindlichen Hofstellen, deren Inhaber sowie die Abgaben, die diese Grundholden an den Benediktinerkonvent zu leisten hatten. Zu denjenigen Siedlungen, in denen diese Höfe lagen, gehörte auch Altenbochum. Drittens: Dort, wo es ein Alten-Bochum gab, musste auch ein Neu-Bochum existiert haben. Diese Überlegung passt zum erwähnten archäologischen Befund insofern, als der moderne Stadtteil Altenbochum südöstlich vom heutigen Stadtzentrum liegt, wo ja die Propsteikirche steht, in der man die Überreste des karolingischen Gotteshauses fand. Man hat also in Betracht zu ziehen, dass es zwei Orte namens ›Bochum‹ gab.

Viertens: Indizien, die Rückschlüsse auf das ›neue‹ Bochum erlauben, begegnen erst rund eineinhalb Jahrhunderte später in einer Urkunde Erzbischof Hermanns II. von Köln für das Kloster Deutz. Mit diesem Stück aus dem Jahr 1041 bestätigt der Metropolit, dem Kloster elf Hufen und 40 Hörige aus der unmittelbaren Umgebung eines »Cofbuokheim« genannten Königshofs übertragen zu haben. Dafür, dass es sich bei diesem Ort um das »neue« Bochum handeln könnte, spricht zunächst der zweite Namensbestandteil »-buokheim«, denn er lässt sich, wie der Namenforscher Paul Derks (1984, S. 2) meint, auf dieselben sprachlichen Wurzeln zurückführen wie »-buchem«, nämlich auf ›boka‹ (die Buche) und ›hem‹ (die Siedlung). ›Bok-hem‹ bzw. Bochum wäre demnach die Bezeichnung für eine Siedlung unter Buchen. Hinzu kommt, dass Königshöfe oft über Gotteshäuser zur geistlichen Versorgung der dort lebenden Menschen verfügten. Diese Funktion dürfte auch der karolingische Vorgängerbau der Propsteikirche erfüllt haben. So bleibt – fünftens – noch der erste Bestandteil des Ortsnamens »Cofbuokheim« zu klären. Auch hierfür gibt es eine plausible Deutung: Um 860 übte ein Adliger namens Cobbo im Bochumer Raum Grafenrechte aus. Dass dessen Name in den Siedlungsnamen einging und dabei lautlich zu Cof- verändert wurde, hält Paul Derks für wahrscheinlich. »Cof-Buokheim« wäre somit als »Cobbos Buchensiedlung« zu deuten.

Demnach hätte man sich die frühe Entwicklung folgendermaßen zu denken: Ursprünglich gab es nur eine einzige Siedlung »Bok-hem/Bochum«, nämlich das Altenbochum des Werdener Urbars. Als nach der Mitte des 9. Jhs. mit dem Königshof und einigen dazugehörigen Hofstellen eine zweite entstand, wurde diese zur Unterscheidung von der älteren nach dem Grafen Cobbo als dem örtlichen Amtsträger des Königs und faktischen Grundherrn benannt. Cobbos Bochum mitsamt Gotteshaus war der Siedlungskern der späteren Stadt Bochum.

Die Entwicklung des Ortes bleibt bis etwa zur Mitte des 11. Jhs. im Dunkeln. Damals befanden sich bereits mehrere Hofstellen im Besitz der Kölner Erzbischöfe, von denen ja mehrere 1041 dem Benediktinerkloster Deutz übertragen worden waren. Schließlich zählte, wie aus den um 1160 entstandenen Aufzeichnungen des Deutzer Küsters Dietrich hervorgeht, auch das Gotteshaus in Bochum zu denjenigen Kirchen, die der Abtei gehörten und deshalb einen Zins zu entrichten hatten. Allem Anschein nach hatte einer der Könige des römisch-deutschen Reichs (welcher ist unbekannt) Hufen und Kirche, vielleicht sogar den gesamten Königshof, einem Kölner Metropoliten übertragen – und dieser oder einer seiner Nachfolger beschenkte das Kloster Deutz aus dieser Vermögensmasse.

Der Ort im 12. und 13. Jahrhundert


Zu jener Zeit waren die Erzbischöfe von Köln auch die für die Bochumer Kirche zuständigen Ortsbischöfe. Das mag erklären, warum der Apostel Petrus, der Patron des Kölner Domes, zugleich auch zum Schutzheiligen des Bochumer Gotteshauses bestimmt wurde. Den karolingischen Bau gestaltete man im 11. Jh. zu einer etwas größeren Saalkirche um, die dann im 12. Jh. erweitert wurde. Um 1100 entstand das frühromanische Kernwerk eines Schreins, welcher Teile der sterblichen Überreste der beiden antiken Heiligen Perpetua und Felicitas barg. Beide hatte man im März 202 oder 203 in der Arena von Karthago hingerichtet, weil die Annahme des christlichen Glaubens von Kaiser Septimius Severus unter strenge Strafe gestellt worden war. Der wiederholt aufwändig verzierte Schrein befindet sich ebenso wie ein romanischer Taufstein von ungefähr 1175 noch heute in der Propsteikirche. Dass ein Gotteshaus über einen Taufstein verfügte, belegt, dass dort zumindest das Sakrament der Taufe gespendet und damit eine wesentliche Pfarrfunktion ausgeübt wurde. Demnach war die Bochumer Peterskirche wohl spätestens im Hochmittelalter eine Pfarrkirche, selbst wenn dies in den schriftlichen Quellen bis dahin nirgends ausdrücklich erwähnt wird. Die künstlerische Gestaltung des Taufbeckens lässt überdies vermuten, dass es wohlhabende Stifter gab, die bereit waren, ein solches liturgisches Gerät zu finanzieren. Schließlich erweisen die Um- und Ausbaumaßnahmen, dass die Kirchengemeinde – und damit zugleich auch die Einwohnerschaft Bochums – wuchs.

Bochum befand sich somit im 12. Jh. in einem gewissen Wandlungsprozess, der allem Anschein nach auch die Herrschaft über den Ort betraf. Nachdem ihn zunächst die Könige des römisch-deutschen Reichs kontrolliert hatten, gewannen dort die Erzbischöfe als Grund- und Diözesanherren sowie nach 1180 als Herzöge von Westfalen an Einfluss. Demgegenüber traten andere Grundherren wie die Kölner Klöster Deutz und St. Pantaleon sowie das Stift Essen in den Hintergrund. Doch auch die Erzbischöfe verloren ihre Führungsposition offenbar wieder, denn im Jahr 1243 teilten Graf Adolf I. von der Mark und Graf Dietrich von Isenberg, verfeindete Verwandte und Häupter zweier Linien der Grafenfamilie von Berg-Altena, die wesentlichen Elemente der Herrschaft über Bochum untereinander auf: Jedem von ihnen sollten seitdem die gräflichen Gebots- und die Gerichtsrechte im Ort, ferner der Herrenhof und schließlich das Patronatsrecht, also die weltliche Schirmherrschaft, über die Peterskirche gleichermaßen zustehen.

Abb. 3: Der Taufstein der heutigen Propsteikirche St. Peter und Paul zeigt fünf Motive: die Geburt Christi, die Anbetung der Heiligen Drei Könige, den Kindermord von Bethlehem, die Taufe Christi im Jordan und die Kreuzigung (im Bild).

Die Entwicklung, die zu diesem Vertrag führte, ist undeutlich, da Quellenbelege fehlen. Erkennbar ist im Wesentlichen nur dies: Im Verlauf des 12. Jhs. gewannen die Grafen von Berg durch vorteilhafte Eheschließungen, gute Beziehungen zu den Erzbischöfen von Köln und durch die Ausübung der Vogteien über Kloster Deutz und Stift Essen Einfluss sowie Besitz im südlichen Westfalen und damit auch im Raum Bochum. Durch eine Erbteilung im Jahr 1160 entstand die Seitenlinie der Grafen von Berg-Altena, die sich 1180 wiederum in die Zweige Altena-Isenberg (benannt nach der Burg Isenberg bei Hattingen an der Ruhr) und Altena-Mark (Burg Mark, heute im Stadtteil Hamm-Uentrop) aufspaltete. Graf Friedrich von Isenberg († 1225) amtierte als Vogt der Klöster Deutz und St. Pantaleon in Köln, die über Hofstellen in Bochum verfügten; Graf Adolf I. von Altena-Mark hingegen war Lehnsmann der in Bochum begüterten Kölner Erzbischöfe. Dass sich Adolf mit Friedrichs Sohn Dietrich 1243 die Herrschaftsrechte über Bochum teilte, überrascht nicht.

Es waren in späterer Zeit allerdings Adolf I. von der Mark und seine Nachfolger, die über Bochum herrschten. Gesichert wurde ihre Macht durch die Burg Blankenstein an der Ruhr. Ein märkischer Richter, wohl ein Ministeriale, war in der Siedlung bereits 1236 tätig. Der gräfliche Herrenhof unterstand der Aufsicht eines Schulten bzw. Schultheißen. Allerdings gab es wiederholt Versuche, die märkische Herrschaft zu unterminieren. Spätestens seitdem sich das Verhältnis zwischen den Grafen von der Mark und den Erzbischöfen von Köln 1265 erheblich verschlechtert hatte, bemühten sich Letztere intensiv, in dem für sie strategisch wichtigen Ort Fuß zu fassen. Doch schon 1288 wendete sich das Blatt erneut: Nach seiner Niederlage in der Schlacht bei Worringen musste Erzbischof Siegfried von Westerburg die erst 16 Jahre zuvor erworbenen Rechte an Bochum dem Märker Eberhard II. (1278–1308), einem Mitglied der Siegerkoalition, verpfänden.

Herrenhof und Peterskirche bildeten den Kern des Ortes. Darum herum lagen die Hofstellen der Märker und anderer Grundherren. Allerdings wurden diese von den Grafen nach und nach verdrängt. Möglicherweise wurde der Grund und Boden der Deutzer Hofstellen nach der Aneignung durch die Märker parzelliert und ergab so den Raum für die Hausplätze der grundherrschaftlichen Handwerker und Händler. Dazu passt, dass sich an einem nach Nordosten (heute Richtung Castrop) führenden Abzweig des von Essen kommenden Hellwegs unweit der Kirche spätestens im 12. Jh. ein Markt etablierte.

Allem Anschein nach prosperierte Bochum im 12. und 13. Jh.: Die Bevölkerungszahl stieg an, die Einwohnerschaft des Ortes erwarb ihren Lebensunterhalt nicht mehr allein in der Landwirtschaft. Ein wenigstens...

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