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Mainz

Kleine Stadtgeschichte

AutorPeter C. Hartmann
VerlagVerlag Friedrich Pustet
Erscheinungsjahr2017
ReiheKleine Stadtgeschichten 
Seitenanzahl168 Seiten
ISBN9783791761220
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Bedeutende Römerstadt, wichtigster Erzbischofssitz, kurfürstliche Haupt- und Residenzstadt, Universitäts- und Festungsstadt, Wiege der Buchdruckerkunst, moderne Medienstadt - Mainz kann auf eine traditionsreiche, über 2000-jährige Geschichte zurückblicken. Diese wird in der Kleinen Stadtgeschichte sachkundig und allgemein verständlich geschildert. So erschließt die informative, anschaulich bebilderte Überblicksdarstellung nicht nur dem Besucher die ereignisreichen Zeiten in Mainz' Vergangenheit, sondern erhellt auch für die Bürger so manches vielleicht weniger bekannte Kapitel aus der bewegten Geschichte der Stadt. 'Der sachkundige, allgemein verständliche Über-blick ist auch für die Mainzer Bürger eine informative und spannende Lektüre.' Der Mainzer

DDr. Peter Hartmann, geb. 1940, war 1988-2005 Professor für Allgemeine und Neuere Geschichte an der Universität Mainz. Zahlreiche Veröffentlichungen.

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Leseprobe

Im frühen und hohen Mittelalter


Ein Mittelpunkt des Merowingerreiches


Als sich der 482 bis 511 regierende Frankenkönig Chlodwig von Remigius taufen ließ und somit im Gegensatz zu den meisten Germanenstämmen, die Arianer waren, den katholischen Glauben annahm, war eine wichtige historische Weichenstellung erfolgt. Der Umstand, dass die Franken die gleiche Konfession wie die gallo-römische Bevölkerung hatten, begünstigte im Frankenreich die Verschmelzung der ethnischen Gruppen. Bis spätestens im Jahr 507 wurde Mainz dem sich laufend vergrößernden Frankenreich einverleibt. Durch die Angliederung Thüringens 534 erhielt die frühere Grenzstadt eine zentrale Lage in einem Gebiet, in das Menschen aus verschiedenen Regionen strömten. Mainz scheint damals noch von Rheinbrücke, Stadtmauern, Gebäuden und Kirchen aus der Römerzeit geprägt gewesen zu sein, etwa der aus der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts stammenden fast 30 Meter langen St. Albanskirche. Im 6. Jahrhundert und darüber hinaus entwickelte sich die Stadt »zu einer Siedlungs-Agglomeration, deren Kern vorerst noch stark in der römischen Tradition stand, während die germanischen Neusiedler sich vornehmlich in einem Dörfergürtel um die Stadt niederließen« (Schaab).

Als wichtige Elemente christlicher Kontinuität gelten neben dem Fortleben von lokalen Heiligenkulten die Reihe der überlieferten Namen der Bischöfe der fränkischen Stadt. Hier kennt man für die Zeit vor dem Auftreten des hl. Bonifatius immerhin zehn, angefangen von Sidonius über Ruthard, Rigibert bis zu Gewiliob. Der erste fränkische Bischof Sidonius, der vom Dichter Venantius Fortunatus als vorbildlicher Gastgeber, Kirchenmann und Bauherr gepriesen wurde, hat verschiedene kirchliche Bauten errichtet, die Volksfrömmigkeit gepflegt, die Armenfürsorge ausgebaut und die Wirtschaft gefördert.

Mainz, das eine Münzstätte beherbergte, galt als wichtige Stadt des Großfrankenreiches und wurde deshalb von Merowingerkönigen wie Dagobert I. (605/10–639) besucht. Außerdem war die Stadt und ihre Umgebung ein geistliches Zentrum mit benediktinisch-columbanisch geprägten Klöstern.

Wichtiges Zentrum in der Zeit der Karolinger und Ottonen


Auch im Reich der Karolinger, von der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts bis 918, blieb Mainz eine bedeutende Stadt. Am Anfang dieser Epoche stand die für ganz Deutschland so wichtige Persönlichkeit des hl. Bonifatius, der noch heute als Apostel der Deutschen bezeichnet wird. Dieser Angelsachse, vom Papst zum Bischof geweiht, zum Erzbischof ernannt, seit 737/38 als päpstlicher Legat mit der Organisation der deutschen Kirche betraut und nach der Absetzung von Gewiliob (744) im Jahr 747 dessen Nachfolger, gründete das wichtige Kloster Fulda. Als Bauherr trat sein Nachnachfolger Erzbischof Richulf hervor, der eine neue, 50 Meter lange Basilika, St. Alban, errichtete, die als Grabstätte der Gemahlin Karls des Großen und vieler Mainzer Erzbischöfe diente. Unter Karl dem Großen wurde Mainz zum zentralen Ort für weltliche Versammlungen und kirchliche Synoden. Diese Funktion der Stadt wurde besonders durch den Bau der Pfalz (kaiserliches Palais) Ingelheim in der Nähe von Mainz gefördert. Als Sitz eines Erzbischofs erreichte Mainz immer mehr die Stellung der wichtigsten Metropole des Reiches. Von überragender, überregionaler Bedeutung war damals vor allem der 780 in Mainz geborene Mönch, Theologe, Dichter, Gelehrte und Abt von Fulda, Hrabanus Maurus, der 847 auf Betreiben Kaiser Ludwigs des Deutschen Erzbischof von Mainz wurde.

Trotz der Bedrohung weiter Teile des Reiches durch Normannen im Nordwesten und später durch Ungarn im Südosten blieb das durch Mauerbauten geschützte Mainz von Zerstörungen verschont und konnte vor allem unter Erzbischof Hatto I. (891–913) einen Aufschwung verzeichnen. So war die Stadt in der Karolingerzeit nicht nur ein Zentrum der Literatur (Lullus, Hrabanus Maurus, Luitolf u. a.), sondern auch ein Handels- und Verkehrszentrum mit Hafen und Zollstation, in dem christliche und jüdische Kaufleute ihre Geschäfte tätigten. Daneben lebten in der Stadt am Rhein viele Kleriker sowie Mittel- und Unterschichten mit ihren Familien, die dort arbeiteten.

In der Zeit der Ottonen (919–1024) hielten sich die Könige und Kaiser hier und da in Mainz auf und nahmen vor allem Einfluss auf die jeweilige Wahl des dortigen Erzbischofs. Für die Machtstellung des Reichsoberhaupts blieb es nämlich von großer Bedeutung, diese wichtige Metropole des Reiches unter seiner Herrschaft zu behalten. Ihm lag auch viel am Schutz der wichtigen Mainzer Judengemeinde, die von bedeutenden, überregional angesehenen Rabbinern geleitet wurde.

Das kirchliche Leben intensivierte sich vor allem durch die Gründung des Kollegiatstiftes (Alt-)St. Peter vor den Mauern der Stadt durch Erzbischof Friedrich (937–954). In der Zeit Kurfürst Johann Philipps von Schönborn wurde es jedoch im Zuge der Festungsarbeiten 1658 abgerissen und auf den heutigen Platz der Peterskirche verlegt. Außerdem gründete der Kanoniker Theoderich in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts das St. Gangolf-Stift, dessen Kirche im späten 16. Jahrhundert zur schmuckvollen Schlosskapelle der kurfürstlichen Residenz umgebaut wurde, aber Anfang des 19. Jahrhunderts den Straßenbaumaßnahmen Napoleons I. weichen musste.

 

BIOGRAFIE

 

Hrabanus Maurus

Hrabanus kam schon als Kind in die Abtei Fulda, wo er unterrichtet und im Jahr 801 zum Diakon geweiht wurde. Hierauf schickte ihn Abt Ratgar nach Tours zur weiteren Ausbildung zu Alkuin, der ihn stark prägte. Nach Lehrtätigkeit in Fulda erhielt Hrabanus 814 die Priesterweihe und wurde 822 zum Abt dieses großen Benediktinerklosters gewählt. In dieser leitenden Funktion konnte er in seiner Abtei das geistliche Leben tatkräftig fördern, die dortige Bibliothek zu einer der wichtigsten des ostfränkischen Reiches ausbauen und die Schule schaffen, die sich zu einem Bildungszentrum erster Ordnung entwickelte. Nachdem er 845 auf die Abtwürde verzichtet und sich auf den Petersberg bei Fulda intensiv geistlichen Übungen und der Wissenschaft gewidmet hatte, berief ihn König Ludwig der Deutsche 847 zum Erzbischof von Mainz. Dieses Amt übte er mit großem Eifer aus, hielt drei wichtige Synoden ab und verfasste eine große Zahl vor allem theologischer Schriften. Er galt als der angesehenste Theologe und Gelehrte der Zeit im ostfränkischen Reich, übte einen großen Einfluss auf die damalige Literatur aus und wird als herausragender Repräsentant der Karolingischen Renaissance geschätzt.

 

Erzbischof Willigis (975–1011), bedeutendster Metropolit in Deutschland


Eine Lichtgestalt mainzischer Geschichte war Erzbischof Willigis (975–1011), der wie ein Asket oder Mönch lebte, sich um die Bedürftigen seiner Stadt kümmerte und sogar jeweils vor seinem Essen persönlich dreizehn Arme bewirtete, gleichzeitig aber im Reich eine große politische Rolle spielte. In seiner vom Papst verliehenen Urkunde für das Pallium (Zeichen erzbischöflicher Würde) bezeichnete das Kirchenoberhaupt den Erzbischof als seinen Stellvertreter »im Reich nördlich der Alpen«. Willigis ließ seine Metropole umbauen und ausgestalten. Dazu gehörte ein eindrucksvoller Neubau eines großen Domes unter teilweiser Einbeziehung der »spätantik-merowingischen Kathedralgruppe«. Als Ausdruck des hohen Anspruchs der Mainzer Kathedrale adaptierte man beim Domneubau die Anlage von Alt-St. Peter in Rom. Man kann sich ein Bild von diesem mächtigen ottonischen Kirchenbau mit Kreuzgang, Empfangskirche, Säulengängen und -höfen und Nebenkirchen aufgrund eines Modells machen, das sich im Dom- und Diözesanmuseum befindet. Immerhin arbeitete man 34 Jahre an dieser Domanlage. Aus dieser Zeit stammen noch die sehr bekannten Bronzetüren des Erzbischofs Willigis, die ursprünglich an der Vorkirche angebracht waren und bei deren Abbruch Anfang des 19. Jahrhunderts am Marktportal des St. Martindoms eingebaut wurden. Erzbischof Willigis, ein Verehrer des hl. Stephanus, gründete auch auf dem damals höchsten Punkt der Stadt das St. Stephansstift. Dessen Kirche, 992 geweiht und Grablege von Willigis, war der Vorgängerbau der im Wesentlichen gotisch geprägten heutigen St. Stephanskirche, die durch ihre Chagall-Fenster berühmt ist. Schließlich ließ der Erzbischof auch noch im Osten vor der Stadt in der Nähe von Weisenau das Stift St. Viktor errichten. So präsentierte sich Mainz am Ende des 10. Jahrhunderts als eine mächtige und prächtige Stadt mit vielen Türmen und großen Kirchen innerhalb und außerhalb der Mauern, mit blühendem Handel und Gewerbe. Gleichzeitig entfalteten sich in ihr und im Erzbistum Dichtung, Literatur und Kunst.

Abb. 4: Modell des Domes von Willigis mit vorgelagerter Liebfrauenkirche (um 1000) – Mainz, Bischöfliches Dom- und Diözesanmuseum

Willigis galt in Deutschland als wichtigster Metropolit und sein Erzbistum als das bedeutendste des Reiches. Diese herausragende Stellung konnten auch seine Nachfolger, angefangen von Erkenbald (1011–1021) bis Siegfried I. (1060–1084) im Wesentlichen bewahren. Das Recht, den König zu krönen, das Erzbischof Aribo (1021–1031) 1024 in Mainz bei Konrad II. ausübte, konnten sie allerdings nicht erhalten. Vielmehr ging es wieder an den Kölner Erzbischof verloren, zu dessen Kirchenprovinz die traditionelle Krönungskirche in Aachen gehörte. Immerhin behielt der Mainzer das Recht, bei der Königswahl als Erster seine Stimme abzugeben, und außerdem die Funktion eines Erzkanzlers für Deutschland. Gleichzeitig blieb Mainz ein ganz wesentliches geistliches Zentrum des Reiches. Unter dem frommen Erzbischof Bardo (1031–1051) wurde nicht nur...

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