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Von Krieg zu Frieden

Kapital und Christentum (Bd. 3)

AutorEugen Drewermann
VerlagPatmos Verlag
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl592 Seiten
ISBN9783843610100
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis30,99 EUR
Mit dieser Trilogie bietet Eugen Drewermann eine umfassende Analyse der Entstehung und der Wirksamkeit des kapitalistischen Wirtschaftssystems. Band 3 stellt die bedrängende Frage unserer Zeit: Warum Krieg? Und wie ihn überwinden? - Der ständige Einsatz von Gewalt gegen Natur und Mensch kann nicht zum Frieden führen. Wie aber ist es möglich, die Staaten abzurüsten, die Militärbündnisse aufzulösen und die Entscheidung über lokal nicht lösbare Konflikte an eine überparteiliche Schiedsinstanz zu delegieren? Eugen Drewermanns Überlegungen zielen auf Grundsätzliches: Woran zu glauben lohnt sich wirklich? Daran entscheidet sich, was für Menschen wir sind.

Dr. Eugen Drewermann ist Theologe, Psychoanalytiker und Schriftsteller mit internationaler Reichweite; er gehört zu den erfolgreichsten theologischen Autoren. Für sein friedenspolitisches Engagement wurde er 2007 mit dem Erich-Fromm-Preis ausgezeichnet, 2011 erhielt er den im selben Jahr erstmals verliehenen internationalen Albert-Schweitzer-Preis. Der gefragte Referent nimmt immer wieder Stellung zu aktuellen gesellschaftspolitischen Fragen.

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Vorwort oder:
Wie Kapital wirkt und was es bewirkt


Geld wird zu Kapital, wenn es dem Zweck dient, mit ihm immer mehr Geld anzuhäufen. Kapitalismus ist der zum Wirtschaftssystem erhobene Zwang zur Geldvermehrung mittels Geld. Als unternehmerische Handlungsanweisung besteht er in der rücksichtslosen Ausbeutung von Mensch und Natur im Felde wechselseitiger Vernichtungskonkurrenz mit der Folge eines immanenten Drucks zur Herstellung von immer mehr Waren, zur Konzentration immer größerer Konzerne und zu einer stärkeren Verdichtung der Zeit für Produktion und Umsatz. Wachstum ist die Bedingung und das Resultat dieser allein an der Renditesteigerung orientierten Form von Wirtschaft. Die immensen ökologischen Schäden, die dabei entstehen, bleiben externalisiert, desgleichen die enormen Folgen der sozialen Verwerfungen im Rahmen einer Paternoster-Gesellschaft, in der die Reichen immer höher aufsteigen, während die Armen immer tiefer hinabgedrückt werden. Und so nur erst in der Sphäre der Erzeugung von Gütern zum Verkauf auf dem Markt.

Eine Schicht darüber wölbt sich die Sphäre des Finanzkapitalismus. Kein kapitalistischer Unternehmer, der nicht abhinge von den Krediten der Banken sowie den Einlagen der Aktionäre. Je länger die Laufzeiten der eingegangenen Schulden, desto höher die Zinsen, – jeder Kredit ist eine schon vorweg verkaufte Zukunft. Wie der Unternehmer den Arbeiter, so setzt der Banker den Unternehmer unter Druck. Doch je mehr Kapital in der Finanzsphäre sich sammelt, desto weiter löst diese sich von der »Realwirtschaft«. Viel leichter als über den Kreislauf von Geld – Ware – Geld läßt sich mit Spekulationsgewinnen Kapital akkumulieren: Man kann die Schulden privater wie staatlicher Kreditnehmer auf den Konten der Banken als Guthaben verbuchen, ganz als wäre ihre Rückzahlung bereits erfolgt; doch sicher ist das keineswegs. Also muß man Versicherungen für mögliche Kreditausfälle abschließen, oder man geht verwegene Wetten darauf ein, ob die eingegangenen Schulden je beglichen werden oder ob der jeweilige Kreditnehmer bald schon die Insolvenz anmelden muß. Und es geht noch besser: Die unbezahlten Kredite kann man bündeln und sie wie Guthaben weiterverkaufen. Auf der Basis von 2 % Eigenkapital kann eine Bank fünfzigfach Kredite mit hohen Zins­erträgen ausleihen, – sie »schöpft« Geld aus dem Nichts, das sie dann sehr real zurückverlangt. Vielmillionenfach größer sind am Ende die Summen der Geldgeschäfte als die Beträge, die in der Realwirtschaft gehandelt werden. Platzt dann die Blase, wie 2007/08, so müssen die Banken vom Staat als dem infalliblen Schuldner beziehungsweise als dem Retter in letzter Instanz vor dem Bankrott ausgekauft werden, nur damit diese eine neue Runde der Unverfrorenheit bei ihren Geldgeschäften einläuten. Eines der wichtigsten »Gesetze« kapitalistischen Wirtschaftens besteht eben darin, alle Gewinne zu privatisieren und alle Verluste zu sozialisieren. Von Gerechtigkeit ist keine Rede, statt dessen von Macht, Gewalt und Krieg.

Niemand, der die innere Dynamik des kapitalistischen Wirtschaftssystems begreift, wird ihr zutrauen, daß sie dem Frieden diene. Im Gegenteil: um sich den billigsten Zugriff auf die Ressourcen zu sichern, bedarf es der politischen und militärischen Kontrolle weiter Teile der Welt. Um ein Heer von Billiglohnarbeitern in Dienst zu nehmen, bedarf es der systematischen Verschuldung ganzer Staaten, deren Bevölkerung am Ende nicht mehr für den eigenen Bedarf Güter erzeugt, sondern die ihre Arbeit wesentlich für den Export zur Begleichung der Auslandsschulden bei den Kapitaleignern verpfändet. Entsprechend formt sich die internationale Politik kapitalistischer Staaten. Wirtschaftliche Erpressung, die Einsetzung genehmer Autokraten, das Schüren von bürgerkriegsähnlichen Zuständen, umfangreiche Geheimdiensttätigkeiten mit der üblichen Spionage- und Wühlarbeit oder auch direkte militärische Ein- und Angriffe gehören zu den Methoden der Wahl zur Erreichung der wirtschaftlichen und geopolitischen Zielsetzungen und prägen das Streben nach wirtschaftlicher und machtpolitischer Dominanz.

Im folgenden werden wir den Kriegskapitalismus in seinen wichtigsten Erscheinungsformen zu beschreiben versuchen als ein System mit vielen Verlierern und eigentlich nur einem Gewinner: der Waffenindustrie und den Regierungen, die sie am meisten favorisieren; das sind in unseren Tage vornean die USA als westliches Muster- und Vorbildland. Allerdings steht der amerikanische Wirtschafts- und Politikstil im unmittelbaren Erbe des einst so mächtigen britischen Empires, und zu sehen, wie dies entstand, erlaubt einleitend die klarste Einsicht in die fatale Funktionsweise des Kapitalismus auch in unseren Tagen in Form seines unverhohlenen Neokolonialismus und Neoimperialismus. Es ist, als würden all die alten Fehler und Verbrechen derzeit noch gesteigert und erweitert von denen, die sich als die neuen Herren der ehemaligen Besitzungen der englischen, französischen, spanischen und portugiesischen Krone in Nord- und Südamerika, in Afrika, in Mittelasien und in Fernost verstehen und gebärden. Wer wissen will, wie’s heute zugeht, muß sich nur anschauen, wie’s einmal ging. Es gab und gibt in all dem keinen einheitlichen Masterplan, wohl aber eine allumfassende Tendenz: die Ausdehnung des kapitalistischen Wirtschaftssystems zum Zwecke seiner Selbstdurchsetzung. Das Bild ist stets das gleiche: Einzelne preschen vor und ziehen, wenn erfolgreich, die sogenannten nationalen Inter­essen wie im Schleppnetz hinterdrein. Der Staat greift ein, Handel wird Krieg, die Niederlassungen und Warenumschlagplätze wandeln sich zu Garnisonen und zu Militärstützpunkten. Und dann, im Schatten militärischer Gewalt, geht »friedlich« der »freie« Handel weiter, bis wieder mal irgendwo »Putschisten«, »Terroristen« und »Fanatiker« den Vertretern der (westlichen) »Zivilisation« das Leben schwer machen.

Die Bildung des britischen Empires bis 1783


Was den Aufbau des Vorbildkonstrukts des britischen Empires angeht, so schwamm es noch im 16. Jh. weitgehend im Kielwasser der Spanier und Portugiesen, deren Goldtransporte aus den mittel- und südamerikanischen Ländern von englischen Piraten wie Francis Drake zwar gestört, doch nicht unterbunden werden konnten1. England mußte ausweichen in die Gebiete, an denen die Iberer – wegen des vermeintlichen Mangels an Edelmetallen – weniger interessiert waren: in die Weiten Nordamerikas. 1607 gründeten Siedler »Englands erste dauerhafte Besitzung …: Jamestown im späteren US-Staat Virginia.«2 Der Tabakhandel blühte auf, und 1624 schon erklärte König Jakob I. Virginia zur Kronkolonie – das Territorium ward ihm damit direkt unterstellt, – so verfuhr er auch mit den anderen Gebieten der Ostküste. Bis 1733 entstanden auf diese Weise 13 Kolonien von New Hampshire bis Georgia; zudem besetzten die Briten die Karibikinseln Jamaika und Barbados, die von den Spaniern nur schwach verteidigt wurden.

Der Unterschied zu den südeuropäischen Rivalen war dabei groß, und er blieb für die Kolonialpolitik der Angelsachsen bezeichnend: Während die Spanier Söldner, Missionare und Verwaltungsbeamte zum Aufbau ihrer Kolonien entsandten, machten in England sich Bauern, Händler und Handwerker auf den Weg in die Neue Welt und versorgten das Mutterland bald schon mit Tabak, Baumwolle und Zucker. Inzwischen freilich schafften Portugiesen und Niederländer Pfeffer und andere Gewürze aus Ostasien (Indien, Malaysia, Java und Sumatra) herbei – Genußmittel, die kostbarer gehandelt weurden als Gold; und nun kommt es typisch kapitalistisch: Um es ihnen gleichzutun, »schließen sich im Jahre 1600 Kaufleute in London zu einer Aktiengesellschaft zusammen mit dem Namen ›The Governor and Company of Merchants of London trading into the East Indies‹. Königin Elisabeth I. garantiert den Kaufleuten dieser East India Company einen Freibrief. Der sichert der Firma zu, dass nur sie Handel mit Indien, Ost- und Südostasien betreiben darf: ein staatliches Handelsmonopol, das das Risiko der Aktionäre mindern soll.«3 Obwohl in privatwirtschaftlichen Händen, schaltet diese überaus erfolgreiche britische Aktiengesellschaft die Konkurrenz der Niederländer und der Portugiesen nach und nach weitgehend aus; sie wirbt Söldner für eine Privatarmee an; sie gründet in Indien und Indonesien 12 Handelsstützpunkte: 1668 in Bombay, 1690 in Kalkutta, und sie dehnt den Handel von Indien bis nach China hin aus. Gehandelt wird, was am meisten Gewinn bringt. »Die Briten transportieren Silber nach Indien und schaffen Gewürze und Baumwolle (sc. nach England, d. V.) zurück; sie laden in Indien Opium und bringen es nach China, wo die Droge gegen Tee für den britischen Markt getauscht wird.«4

Erstaunlich ist, mit wie wenigen Menschen das gelingt. Wegen des für Europäer nur schwer verträglichen Klimas sind am Ende des 17. Jhs. »in allen Handelstützpunkten der Company in Ostasien bloß 200 Briten« tätig5, in Nordamerika sind es immerhin etliche Tausend. Zu pass kommt den Briten geostrategisch, daß die Spanier sich in ihren ständigen Kriegen gegen Franzosen, Niederländer und Osmanen selber schwächen; ein ernsthafter Konkurrent entsteht ihnen um 1700 allein in Frankreich, das mit seinen 18 Mio Menschen doppelt so viele Einwohner zählt als Britannien und das ebenfalls in Amerika von Quebec bis Louisiana Kolonien und in...

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