Die wilde Froschkönigin – Ein modernes Märchen
Es war einmal ein König, der hatte drei Söhne und vor allem der jüngste Sohn war besonders attraktiv und gut gebaut. Das kam wahrscheinlich vom vielen Jagen und vom morgendlichen Kugelstoßen. Seine Brüder waren da ein wenig fauler. Aber dieser jüngste Sohn war nicht nur nett anzusehen, sondern auch ziemlich clever und wusste, wie man sich im Leben durchsetzt!
Er war sehr ehrgeizig und wollte der beste Kugelstoßer des Landes werden. Lachen Sie nicht, diese Disziplin wurde bereits in der Steinzeit entwickelt… Da er ein Königssohn war, übte er selbstverständlich mit einer goldenen Kugel. Das war sein größter Schatz und er hütete ihn wie seinen Augapfel. Einmal hatte sein Diener ihn beim Polieren auf den Steinboden fallen lassen und ein kleiner Kratzer war zu sehen … von dem Diener war anschließend nicht mehr viel übriggeblieben.
Wie gesagt, übte der Königssohn jeden Tag mit seiner goldenen Kugel. Eines Morgens war er noch ein wenig schläfrig von einem rauschenden Fest, bei dem er zu viel Wein getrunken hatte und verfehlte seine Wurfrichtung. Anstatt auf dem weichen Sand zu landen, fiel die Kugel in einen tiefen Brunnen. Der Prinz rannte sofort zum Ort des Geschehens und versuchte mit beiden Armen die Kugel aus dem trüben Wasser herauszufischen. Aber zum Glück besaß er noch genügend Menschenverstand, um seinem Wurfgeschoss nicht hinterher zu fallen. Er jammerte und klagte und konnte sich gar nicht wieder einkriegen. Da quakte es auf einmal neben ihm und eine zierliche Fröschin tauchte aus dem Wasser auf: „Wieso weinst du so laut, Königssohn? Deine Tränen rühren mich. Ich möchte dir so gerne helfen. Was kann ich für dich tun?“ Der Fröschin tat der arme Prinz so leid, dass sie schon fast selber zu heulen anfing und sie wischte sich mit den Schwimmhäuten heimlich die Tränen aus dem Augenwinkel.
Doch der Königssohn traute der Fröschin nicht viel zu: „Ach, du dummes grünes Geschöpf. Was weißt du schon von meinem Leid. Ich habe mein liebstes Spielzeug verloren und ohne meine Kugel werde ich nie mehr glücklich werden können.“
„Unterschätze mich nicht, du schöner Prinz“, erwiderte die Fröschin. „Ich bin stärker und geschickter als du denkst, denn ich bin eigentlich eine Froschkönigin. Wenn du magst, werde ich auf den Grund des Brunnens tauchen und deine Kugel wieder heraufholen.“
„Na, ob du das kannst…“, meinte der Königssohn geringschätzig. Aber inzwischen war sein Interesse doch geweckt…immerhin konnte er ja nicht mehr viel verlieren, dachte er.
„Aber bevor ich dir deine Kugel hole, musst du mir etwas versprechen.“
„Alles was du willst.“ Der Königssohn war zu allem bereit, er wollte doch seine Landesmeisterschaft gewinnen. Und ohne Kugel … kein Sieg.
„Ich will, dass du mich mit dir nimmst …“, befahl die Froschkönigin ihm.
„Aber klar doch!“
„Wirst du mich an deinem Tisch sitzen lassen?“
„Selbstverständlich!“
„Und mich von deinem Wein trinken lassen?“
„Und ob!“
„Und mich mit leckeren Häppchen füttern?“
„Das wird mir ein Vergnügen sein!“
„Und ich will dann auch jeden Abend ganz alleine neben dir in deinem Bett schlafen!“
„Auch das!“ Der Königssohn wurde langsam ungeduldig. „Aber jetzt hol mir bitte erstmal die Kugel wieder hoch. Dann sehen wir weiter.“
Die Froschkönigin tauchte bis auf den Grund des Brunnens und holte unter größter Anstrengung das Wurfgeschoss wieder nach oben. Sie keuchte ziemlich heftig, denn so schwer hatte sie sich eine goldene Kugel doch nicht vorgestellt. Aber sie wusste was sie wollte, und da war ihr keine Mühe zu groß.
Sie leckte sich so sinnlich wie möglich über ihr Froschmaul und freute sich schon auf die Reise zum Schloss. „Hier ist deine Kugel und jetzt nimm mich bitte auf den Arm. Ich kann nämlich nicht so schnell laufen wie du.“
Aber der Königssohn griff gierig nach der Kugel und war auch schon auf und davon. „So ein blöder Frosch“, dachte er …
Die Froschkönigin war zuerst ziemlich traurig, aber sie gab noch lange nicht auf. Diesen Prinzen hatte sie sich in den Kopf gesetzt und keinen anderen, komme was da wolle. Basta! Das würde sie schon schaffen, dachte sie und hüpfte auf den Boden. Mühsam bewegte sie sich vorwärts. Unterwegs auf den Straßen wäre sie beinahe von einem Ochsenkarren überfahren worden und einem Kochtopf war sie auch nur mit Mühe und Not entkommen.
„Seht mal, ein wandernder Frosch. Den schnappen wir uns!“, riefen die Kinder und rannten der Froschkönigin hinterher. Nur mühsam konnte sie sich mit einem Sprung in einen Fluss retten. Doch endlich erreichte sie das Schloss. Mit letzter Kraft schleppte sie sich die Stufen nach oben und klopfte an die schwere Eisentür. Ihre Schwimmhäute zitterten vor Erregung. Gleich würde sie IHN wiedersehen.
Der Königssohn saß beim Abendessen und als er das Klopfen hörte, stand er verärgert auf, um nachzusehen, wer es wagte, ihn zu stören. Welche Unverschämtheit!
Als er die Türe öffnete, traute er seinen Augen nicht. Der blöde Frosch war ihm doch tatsächlich gefolgt. Entrüstet schlug er der Froschkönigin die Tür vor der Nase zu und tat so als ob nichts geschehen wäre. Sein Vater schaute ihn misstrauisch von der Seite an, aber er sagte nichts. Noch nichts…
Aber jetzt war die Froschkönigin doch schon so weit von ihrem Brunnen entfernt und jetzt war auch schon alles egal, dachte sie. Sie klopfte erneut. Der Königssohn musste wohl oder übel noch einmal die Türe öffnen, sonst hätte sein Vater sich sehr gewundert. Und wieder schlug er die Türe erbost zu.
„Wer war das?“, fragte sein Vater. Inzwischen war er misstrauisch geworden.
„Ach nichts … nur so ein doofer Frosch.“
„Seit wann verkehrst du denn mit Fröschen?“, fragte sein Vater erstaunt.
„Ach, das war dumm gelaufen. Ich hatte meine goldene Kugel in den Brunnen geworfen und der Frosch hat ihn wieder herausgeholt. Dafür sollte ich ihm versprechen, dass er bei mir leben darf. Aber das ist doch so was von albern, oder?“
„Keinesfalls, mein verzogener Sohnemann.“ Nun regte sich der König auf und sein Blutdruck verdoppelte sich vor Ärger. „Du wirst diesen armen Frosch nicht vor der Türe stehen lassen. Was man versprochen hat, muss man auch halten. Schluss! Ende der Diskussion!“
Dem Sohn blieb nichts anderes übrig, als sich dem Wunsch seines Vaters zu beugen. Immerhin wollte er sein Erbe nicht verlieren.
„Also gut“, gab er entnervt nach und setzte die Froschkönigin neben seinen Teller. Er ließ sie aus seinem goldenen Becher Wein trinken und fütterte sie angewidert mit einem Stück Brot. Und die Froschkönigin war selig! Fast…
„So jetzt möchte ich aber auch noch neben dir in deinem Bett schlafen“, beharrte sie. Das war dem Königssohn aber jetzt doch zu viel. Er wollte sich auf seinem königlichen Lager mit den Dienstmädchen vergnügen und dazu brauchte er keine Frösche als Voyeure.
„Nein das geht nicht…“
„Geht wohl!“
„Nein!“
„Doch!“
„Halt’s Maul“
„Dann erzähl ich es deinem Vater und dann wirst du enterbt!“
Der Froschkönigin waren jetzt alle Mittel recht. Wo sie doch schon so nahe am Ziel ihrer romantischen Träume war.
Da wurde der Königssohn ziemlich böse, denn jetzt wollte dieser aufdringliche Frosch ihn auch noch erpressen. Das war ja die Höhe! Er hob die Froschkönigin auf und schleuderte sie gegen die Wand. Ein normaler Frosch wäre natürlich daran gestorben, aber da es sich um eine Froschkönigin handelte, verwandelte sie sich in eine wunderschöne Frau, in die sich der Königssohn sogleich unsterblich verliebte.
Er kniete vor ihr nieder und bat um ihre Hand an und die Hochzeit fand noch in der gleichen Woche statt.
Von nun an bestand er sogar darauf, dass seine Gemahlin neben ihm auf ihrem Stühlchen saß und mit ihm aß und so lange sitzen blieb, bis er aufstand. Sie durfte keinen Schritt ohne ihn machen. Eifersüchtig wachte er darüber, dass sie mit niemandem außer ihm sprach und des Nachts wollte er gar nicht mehr von ihr lassen.
„Ich kann kaum schlafen, wenn du jede Nacht schnarchst“,...