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Die Frauen der Diktatoren

Seite an Seite mit Hitler, Stalin, Mao, Idi Amin, Saddam, Gaddafi, Kim Jong-un und Bashar al-Assad

AutorSveinung Mikkelsen
VerlagFinanzBuch Verlag
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl360 Seiten
ISBN9783960922001
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis2,99 EUR
»Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau.« Aber was für Frauen stehen hinter Männern, die Massenmorde, Unterdrückung und Gewalt zu verantworten haben? Wer sind sie, die Frauen der Diktatoren? Kindergebärende Ehefrauen, erotische Gespielinnen oder schmückendes Beiwerk? Die Bandbreite von Beziehungen, die Diktatoren zu ihren Frauen pflegen, ist groß: Da ist die politische Unterstützerin Jiang Qing an Mao Zedongs Seite, die als inzestuös bewertete Nähe Caligulas zu seinen drei Schwestern, die komplizierte Dreiecksbeziehung Lenins, die für Nachfolger sorgende Ehefrau Asma al-Assad sowie Eva Braun, die die Nazi-Ideologie perfekt verkörperte. Oder die zum Sex mit Muammar Gaddafi versklavte »Soraya« und die bis in den Tod treu ergebene Geliebte Mussolinis. Sveinung Mikkelsen widmet sich erstmals einer Facette der Historie, die in der Geschichtsschreibung oftmals gar nicht erst auftaucht: den Frauen an der Seite von Despoten und Tyrannen. Er blickt hinter die Kulissen des öffentlichen Bildes und findet dort alles, von grausamen Wahrheiten bis hin zu echter Zuneigung.

Sveinung Mikkelsen (*1982) ist Schriftsteller und arbeitet als Journalist fürs Fernsehen. Er hat bereits Romane in Norwegisch und Englisch geschrieben, »Die Frauen der Diktatoren« ist sein erstes Sachbuch. Bei Twitter schreibt er unter @sveinungmikkel

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Leseprobe

Der Pantoffelheld


Benito Mussolini


(1883–1945)


»Die Volksmenge, ebenso wie die Frau, ist erschaffen, um vergewaltigt zu werden.«1
BENITO MUSSOLINI
Mussolini muss sexsüchtig gewesen sein. Sein Verhalten ist zu schmerzlich, monoman selbsterniedrigend, um in irgendeiner anderen Weise erklärt zu werden. Während Europa mehr und mehr auf den Abgrund zumarschierte, zog er wie ein Pavian (seine Worte) umher und schlief mit allen, die in sein Blickfeld gerieten. Ein Arzt gab ihm den Rat, die Anzahl seiner Liebhaberinnen auf eine zu reduzieren.2 Statistiker haben veranschlagt, dass Mussolini mit mehr als 400 Frauen geschlafen hat.3 Aber Il Duce war kein das Leben genießender Latin Lover. Sein Leben erscheint vielmehr wie eine Art Hölle, sporadisch von Orgasmen unterbrochen. Die Promiskuität ließ ihn hilflos und vor Schuld und Scham zerrissen zurück. Wie ein Alkoholiker, der einer Flasche Schnaps ganz hinten im Schrank die Schuld an einem Saufgelage gibt, behauptete er einmal, dass er mit der französischen Journalistin Magda de Fontanges schlafen musste, um sie daran zu hindern, ihn zu verleumden:
»Sie war eine der üblichen Korrupten, die dir die Alternative servieren: Entweder nimmst du mich, oder wenn du mich nicht nimmst, dann schreibe ich, dass du homosexuell bist, impotent. Also nahm ich sie zwei Mal. Und diese schamlose Frau ging zu einer Zeitschrift und erzählte dort alles. Sie gab an, ich sei so schnell gewesen, dass ich ihr in der Hitze des Gefechts den Slip derart herunterzog, dass er mit einem sonderbaren Geräusch zerriss. Weiterhin schrieb sie, dass ich so schnell fertig war, dass sie überhaupt nichts gemerkt hätte. Sie beschrieb alles, wie ich aussah, alles. Nicht einmal eine Hure hätte ihren Mut und ihre Schamlosigkeit besessen. Ich bedauerte es, dass man mich gezwungen hatte, sie zu empfangen.« All das erzählte er seiner schwer geprüften Liebhaberin Claretta. »Jetzt bist du ganz dunkel im Gesicht, dieses Gespräch hat dich aufgewühlt. Aber das gehört der Vergangenheit an, das war vor zwei Jahren. Ich kann mich nicht einmal mehr daran erinnern, wie sie aussah.«4
Nach dem Krieg merkte der reumütige Faschist Curzio Malaparte an, dass »jedes Porträt Mussolinis auch ein Porträt des italienischen Volkes sei«.5 All die ungerechten, stereotypen Züge, die man den Italienern irgendwie zuschreiben kann, finden sich bei Mussolini allesamt in extravaganter, unverhüllter Zurschaustellung: Völlerei, infantile Sexualität, leere Prahlerei und heftiges Gestikulieren. So gesehen war er eine Art Wegbereiter für erbärmliches Verhalten. Als Silvio Berlusconi 2009 den Rechtsweg wählte, um zu beweisen, dass er nicht impotent ist, war dies etwas, was auch Mussolini hätte einfallen können.6 Ein kleiner Benito wohnt auch Kapitän Francesco Schettino inne, dem berüchtigten Feigling, der als einer der Ersten im Rettungsboot saß, nachdem er das Kreuzfahrtschiff »Costa Concordia« in dem Versuch, eine Dame zu beeindrucken, auf Grund hatte laufen lassen.
Angelica Balabanoff, eine von Mussolinis Geliebten, beschreibt einen Mann, der Angst vor Hunden hatte, Angst vor Ärzten, Angst vor Friedhöfen und Angst davor, im Dunkeln alleine auf die Straße zu gehen.7 Die Angst vor dem Alter und dem Tod trifft uns alle, Mussolini aber hat sie gewiss besonders stark empfunden. »Sag mir, dass ich noch jung bin«, flehte er Claretta an, »dass ich nicht fünfundfünfzig Jahre alt bin, dass ich stark bin, dass es nicht zu sehen ist. Ich will nicht sterben«.8 Der Mussolini, der in ihren Tagebüchern auftaucht, ist ein zitternder geiler Bock und Schwätzer, unsicher, mit unstetem Selbstvertrauen und dem Bedürfnis nach unaufhörlicher Bestätigung:
»Die ganze Welt ist gegen mich, von New York bis Tokio, für alles geben sie mir die Schuld, das bin ich gegen den Rest der Welt.«
»Du gewinnst immer«, versicherte ihm Claretta.
»Alle versuchen, mich zu zerstören.«
»Und du zerstörst sie«, versicherte sie ihm.9
Letztendlich sollte Mussolini sich selbst zerstören. Seinem turbulenten Liebesleben chronologisch zu folgen, das ist, als baue man einen Turm, der letztendlich unter seinem eigenen Gewicht kollabiert – verdienterweise.

Big Ben


Bereits im Alter von fünf Jahren war Mussolini ein Hengst. Seine autorisierte Biografie beschreibt, wie er das hübscheste Mädchen in der Klasse regelrecht sexuell belästigte: Er küsste und kniff sie, ritt sie wie ein Pferd und zog ihr an den Haaren, bevor er sie nach Hause beorderte.10 (Mussolinis Ehefrau Rachele war für das Vorwort des Buches verantwortlich.)
Im Alter von achtundzwanzig Jahren veröffentlichte Mussolini schließlich seine Memoiren, mit dem schmissigen Titel Mein Leben vom 29. Juli 1883 bis zum 23. November 1911. Angedacht als politische Brandfackel, verliert sich das Werk jedoch in Frauengeschichten. Wir erfahren, dass Mussolini seine Unschuld um die Jahrhundertwende in Forlimpopoli an eine Prostituierte verloren hat: »Ich frequentierte ein Bordell, in dem mich vorzugsweise erfahrene und verruchte Frauen in die Mysterien und Laster der Liebe einweihten. Seit diesem Tag betrachte ich alle Frauen, die ich anfasse, genauso wie jene in diesem Bordell. Sie sind da, um mein Fleisch zu befriedigen.« Nachdem er den Wehrdienst abgeleistet hatte, arbeitete er als Lehrer in Tolmezzo, einer kleinen Stadt in der Nähe von Venedig. Er begann eine Affäre mit »einer Frau um die dreißig, noch immer hübsch und reizend, trotz all der Abenteuer, die sie hinter sich hatte«. (Später bezog Mussolini vom Ehemann besagter Frau, dem das Wirtshaus gehörte, in dem er wohnte, Prügel.)11
In seiner Autobiografie berichtet er auch schamlos, wie er im Jahr darauf das Nachbarsmädchen Virginia vergewaltigte. Danach weinte sie und beschuldigte ihn, ihre »Ehre« gestohlen zu haben. »Vielleicht«, schreibt Mussolini, »aber von welcher Art von Ehre sprach sie?« Mussolini bedient sich hier einer feministischen Perspektive: Die Auffassung des Bürgertums von der Sexualität außerhalb der Ehe ist abscheulich. Kaum zu glauben, aber wahr: Mussolini und Virginia wurden danach ein Paar und blieben drei Monate lang zusammen.12
Mussolinis vorhergehendes Buchprojekt mit dem Titel Die Geschichte der Philosophie war von Studien Nietzsches in der Schweiz inspiriert.13 Später behauptete er, das unfertige Manuskript sei von der Russin Angelica verbrannt worden, die des Italienischen nicht mächtig war und annahm, all die fremden Namen seien Namen »meiner Geliebten. Folglich ließ sie die läuternden Flammen das verzehren, was sie für eine Chronik dieser Frauen hielt!«14
Als Mussolini einmal seine Mutter als Lehrer vertrat, begegnete er unter den Schülern seiner zukünftigen Frau. Als Rachele Guidi während des Unterrichts Possen trieb, schlug ihr Mussolini mit einem Lineal auf die Finger. »Ich schwankte zwischen Weinen und Wut«, sagte Rachele später. »Ich zog die Hand zum Mund, meine Aufmerksamkeit jedoch blieb an seinen zwei enormen, tiefschwarzen Augen hängen, die so einen Willen ausstrahlten, dass ich mich beruhigte, auch wenn ich nicht hörte, was der Lehrer sagte.«15 (Eine Quelle behauptet, Mussolini hätte es zuerst bei Racheles älterer Schwester Anna versucht, die ihn jedoch abwies, weshalb er zur Nächstbesten überging.16)
Was Mussolini als Lehrer taugte, ist unklar. Schenkt man einer seiner späteren Geliebten (die allen Grund hat, ihre Rivalin zu verleumden) Glauben, lernte Rachele erst als Erwachsene schreiben, und nicht einmal da sonderlich gut. Sie beendete ihre Briefe mit »bachi« (Insekt) anstatt »baci« (Kuss). Die Briefe waren auch sonst so voller dummer Fehler, dass sich Mussolini einen Spaß daraus machte, sie hervorzuholen und anderen zu zeigen, wenn er zum Saufen unterwegs war.17
Zu Beginn ihrer Beziehung nannte Rachele Mussolini noch lange Zeit »Lehrer«.18 Der Lehrer seinerseits beschrieb den Vollzug des Verhältnisses wie folgt: »Sie stand in voller Blüte, frisch, mit zwei fantastischen Brüsten. Hübsch. Bauernmädchen, aber hübsch … Eines Tages warf ich sie auf das Sofa und nahm ihre Unschuld mit meiner üblichen Gewalt.«19 Es hat mitunter den Anschein, als habe der Beziehung ein sadomasochistisches Element innegewohnt, jedoch war das Bett möglicherweise der einzige Ort, an dem der Mann bestimmen durfte. Mussolini war viele Jahre lang ein Trinker. Einmal kam er betrunken zu Rachele nach Hause und fing an, das Wohnzimmer zu verwüsten. Um ihn unter Kontrolle zu bekommen, musste sie die Nachbarn und einen Arzt herbeirufen. Während Mussolini ans Bett gefesselt war, machte Rachele ihm klar, wo der Hammer hängt:
»Mach dir eins klar. Ich werde niemals einen Alkoholiker als Mann akzeptieren. Als ich klein war, hatte ich eine Tante, die trank, ich habe bereits genug gelitten. Ich weiß, dass du große Qualitäten hast, und ich bin bereit, dir die Frauen zu vergeben, aber kommst du noch einmal so nach Hause, schwöre ich, dich zu töten.«20
Danach trank Mussolini mit Maß.
Rachele und er waren zwar ein Paar, wohnten aber zunächst nicht zusammen. In der Zeit galt das als skandalös, entsprach jedoch Mussolinis radikaler Politik. Bevor er Faschist wurde, war er nämlich Sozialist und Anarchist sowie ein prominentes Mitglied der Partito Socialista Italiano. 1909 wurde ihm die Stelle als Redakteur einer sozialistischen Wochenzeitung in Trient in der Region Trentino-Südtirol angeboten, das zu dieser Zeit zu Österreich-Ungarn...
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