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E-Book

Tierisch beste Freunde (Wissen & Leben)

Mensch und Hund - von Streicheln, Stress und Oxytocin

AutorChristoph Jung, Daniela Pörtl
VerlagSchattauer
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl282 Seiten
ISBN9783608169584
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis24,99 EUR
Zwischen keinen Spezies ist die Beziehung so 'tierisch gut' wie zwischen Mensch und Hund. Wie kam es dazu? Die 'Dienstleistungen' unseres besten Freundes wie Wachen, Schützen, Schlitten ziehen, Menschenleben retten können dies nicht hinreichend erklären. Was macht diese besondere Bindung aus? Was liegt ihr auf biologischer, psychologischer und neurobiologischer Ebene zu Grunde? Wie konnte aus dem wehrhaften wilden Wolf unser Freund und Partner, der Hund unserer Zeit, entstehen? Das Buch gibt neue und spannende Einblicke in die Geheimnisse dieser über 30.000 Jahre alten und zugleich lebendigen Partnerschaft. Die Autoren zeigen, dass Mensch und Hund enger miteinander verbunden sind und dass wir unsere Hunde mehr brauchen als bisher gedacht. Wissenschaftliche Studien beweisen, was Hundebesitzer schon immer fühlten: In Anwesenheit unserer Hunde sind wir Menschen weniger gestresst, weniger krankheitsanfällig, ausgeglichener und lernfähiger. Hunde machen uns gesünder, sozialer und die Welt einfach ein Stück besser und lebenswerter. Ein Buch über Hunde - und vor allem über Menschen.

Christoph Jung, Diplom-Psychologe aus Halle/Saale, studierte Biologie und Psychologie in Bonn, 2011 Berater beim Deutschen Bundestag zur Novelle des Tierschutzgesetzes, zahlreiche Veröffentlichungen in Print und TV, Vortragstätigkeit, Schwerpunkte: Erforschung der Mensch-Hund-Beziehung, Hundezucht.

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Leseprobe

2 Kinder der Eiszeit


Das Europa vor 40.000 Jahren war ein Europa der Eiszeit. Das Klima war bedeutend kälter. Unsere Vorfahren hingegen, aus dem Süden oder Südosten kommend, waren gemäßigtes bis warmes Klima gewöhnt. Als sie vor gut 40.000 Jahren in Mitteleuropa ankamen, mussten sie sich erst einmal an das vorherrschende kalte Klima gewöhnen. Jene Phase der Eiszeit war allerdings noch recht freundlich, verglichen mit dem, was dann einige tausend Jahre später, vor rund 25.000 Jahren, noch kommen sollte. Vor 25.000 Jahren war der bisher letzte Höhepunkt der Eiszeit, das letzte glaciale Maximum oder LGM, wie es die Klimaforscher nennen. Das LGM sollte die bisher größte klimatische Herausforderung für unsere direkten Vorfahren werden. Doch zu dieser Zeit war Homo sapiens bereits seit tausenden Jahren an das kalte Klima gewöhnt, er hatte die Herausforderungen mit Bravour gemeistert und sollte auch den Höhepunkt der Eiszeit überleben. Bei alledem hat ihm ein treuer Begleiter geholfen – der Hund. Aber kommen wir noch einmal zurück zum Start des Homo sapiens in Europa.

Vor 40.000 Jahren war Europa weitgehend von Gletschern bedeckt. Diese erstreckten sich südlich fast bis zu den Alpen und westlich bis zum heutigen Rhein. Die Ostsee war ein einziger großer Gletscher, die britischen Inseln waren mit dem Festland verbunden, auf der Fläche der heutigen Nordsee erstreckte sich eine weite Tundra. Das Klima war sehr stabil, es herrschte trockene Kälte. Man muss sich das Klima aber anders vorstellen als etwa in den heutigen Polarregionen. Das Ganze spielte sich ja viel weiter südlich ab. Es gab keine Polarnacht und die Sonne schien länger – etwa wie heute. Die Sonne erwärmte im Sommer die Luft. Es muss sich angefühlt haben, wie heute beim Sonnenbaden auf einem Gletscher in den Alpen, meint Klimaforscher Wolfgang Behringer.

Südlich der riesigen Gletscher erstreckten sich schier endlose Kaltsteppen und Tundren. Hier wuchsen neben üppigen Gräsern viele verschiedene Kräuter und Sträucher und vereinzelt auch Bäume. Das war die Nahrungsgrundlage für das Großwild, das teils in riesigen Herden durch die Kaltsteppen zog. Das Wollhaar-Mammut ist noch heute ein typisches Symbol der Fauna dieser Zeit. Die Archäologen nennen diese recht stabile Tierwelt zwischen 100.000 und 20.000 Jahren vor unserer Zeit daher Mammutfauna. Imposante Erscheinungen wie das Mammut waren keine Ausnahme. Sie bestimmten das Bild der Tierwelt der Altsteinzeit auf dem eurasischen Kontinent. Neben Mammuts lebten Steppenwisente, Moschusochsen, Rentiere, Saiga-Antilopen und Riesenhirsche in teils großen Herden. Das gewaltige Wollnashorn, bis zu drei Tonnen schwer, war ein weit verbreiteter Einzelgänger. Auch die Spitzenprädatoren, die großen Jäger dieser Epoche, brachten imposante Erscheinungen hervor. Legendär sind die Säbelzahntiger, die im Norden besonders stattliche Unterarten hervorbrachten. Nicht weniger gewaltig war der Höhlenbär. Bis zu dreieinhalb Meter lang und so hoch wie ein Mensch konnten ausgewachsene Männchen werden. Höhlenlöwe und Höhlenhyäne zählten ebenfalls zu den Top-Prädatoren jener Zeit. Menschen und Wölfe zählten da eher zur zweiten Reihe in der Nahrungskette. Selbst die potenzielle Beute hatte es in sich. Ob Mammut, Wollnashorn oder Riesenhirsch, kaum ein heutiges Landtier ist so imposant wie jene der eiszeitlichen Kaltsteppen.

2.1 Kreative Großwildjäger


Nicht gerade eine kuschelige Atmosphäre für den, warme Regionen und vergleichsweise kleinwüchsiges Wild gewöhnten, Homo sapiens. Das Klima, die vielen gefährlichen, imposanten Beutegreifer und selbst Vegetarier wie Mammut oder Wollnashorn, die ausgesprochen wehrhaft und ernst zu nehmende Gegner sein konnten, mussten dem Einwanderer wie eine apokalyptische Drohkulisse vorgekommen sein. Und nur vereinzelt bot die Natur ein wenig Schutz vor Angreifern, Kälte oder Unwettern, wie etwa eine Höhle oder einen Felsvorsprung. Und selbst die schönste Höhle taugte nur, solange dort nicht Höhlenbären oder Hyänen Quartier genommen hatten. Es muss ein gewaltiger, ständig präsenter Stress für die Menschen gewesen sein, hier zu leben und zu überleben. Warum blieben die Menschen dann dennoch hier? Man weiß es nicht wirklich, aber man weiß, dass sie hier blieben. Vielleicht lag es an den Herden der großen Pflanzenfresser, die ein schier unerschöpfliches Angebot an hochwertiger und proteinreicher Nahrung boten; ein gedeckter Tisch, geradezu paradiesische Zustände. Die Felle boten Kleidung und Bespannung für die Behausungen. Die riesigen Knochen, speziell die Stoßzähne der Mammuts, eigneten sich als tragende Gerüste dieser Zelte oder Jurten. Nur musste man der Beute erst einmal habhaft werden. Großwildjagd in den eiszeitlichen Steppen und Tundren war eine ganz neue Herausforderung für den einwandernden Homo sapiens.

Aber nicht für die Spezies Mensch. Der Neandertaler lebte und jagte hier bereits seit 100.000 Jahren. Die Jagd auf Großwild praktizierte er schon seit Generationen, während der Homo sapiens in Europa seine ersten Schritte machte (Abb. 2-1). Der Neandertaler hatte mehrere Höhepunkte der Eiszeit überlebt, kannte sich bestens aus und war hervorragend angepasst. Wir wissen heute, dass er keineswegs der primitive, keulenschwingende und bestenfalls grunzende Vormensch war, als den er noch bis ins dritte Jahrtausend beschrieben wurde. Neandertaler konnten sprechen, hatten Kultur, ihre Kinder bekamen Spielzeug, die Toten wurden beerdigt. Der Neandertaler erreichte das größte Hirnvolumen aller Primaten, größer als das des Homo sapiens. Die Wissenschaft sieht es heute als gesichert, dass der Neandertaler auch Großwild jagte. Fleisch war jedenfalls seine wichtigste Nahrungsquelle.

Abb. 2-1 Die steinzeitlichen Jäger stellten ihre Beute und Konkurrenten wie in der Höhle von Chauvet meisterlich dar

In den Weiten der Kaltsteppen Eurasiens gab es seit „Urzeiten“ noch einen weiteren, sehr erfolgreichen Großwildjäger – den Wolf. Der Wolf war damals keineswegs der größte Beutegreifer. Säbelzahntiger, Höhlenbär und Höhlenlöwe waren einem einzelnen Wolf durchaus überlegen. Doch die Wölfe arbeiteten als gut organisiertes Team. Und als Team waren sie nur schwer besiegbar. In seinen, auf Familienverbänden basierenden Rudeln, jagte der Wolf mit ausgefeilten, kollektiven Taktiken Mammuts, Steppenwisente, Riesenhirsche und Rentiere. Als Rudel eroberte und verteidigte er das erlegte Wild oder ein Stück Aas gegen Höhlenhyänen und andere vier- oder zweibeinige Aasfresser.

Wolf und Neandertaler waren hervorragend an die unwirtlichen Bedingungen der Eiszeit angepasst und meisterten ihren Überlebenskampf seit unzähligen Generationen. Sie waren feinsinnige Naturbeobachter und kannten ihre Umwelt aus dem Effeff. Es ist davon auszugehen, dass sich Wolf und Neandertaler auch gegenseitig genau beobachteten und sehr gut kannten, einschließlich der Vorgehensweise beim Jagen. Vielleicht hatten sich zwischen einzelnen Neandertaler-Clans und einzelnen Wolfsrudeln bereits Traditionen einer Annäherung herausgebildet. Wolf und Neandertaler besetzten dieselbe ökologische Nische, und das über zehntausende von Jahren.

Der einwandernde Homo sapiens war demgegenüber ein echtes „Greenhorn“. Doch er drängte in dieselbe ökologische Nische. Er hatte auch keine andere Wahl. Unsere Vorfahren müssen wohl ausgesprochen zäh, sehr anpassungsfähig und vor allem sehr lernbereit und lernfähig gewesen sein. Sie schafften es, an den großen neuen Herausforderungen zu wachsen. Jedenfalls gelang es Ihnen, binnen weniger Generationen, sich dort zu behaupten und sogar durchzusetzen. Zunächst lebten Neandertaler und der anatomisch moderne Mensch über mehrere tausend Jahre hinweg noch nebeneinander. Und nicht nur das, der Homo sapiens hat vom Neandertaler profitiert. Bis zu 4 % der Gene des Neandertalers sind im heutigen Europäer noch lebendig. Das ermittelten Genetiker des Max-Planck-Instituts um Svante Pääbo in Leipzig. Diese Gene stellten unter anderem das Immunsystem des Einwanderers auf die speziellen Krankheitserreger der Klimazone ein und sorgten für die hellere Haut der heutigen Mittel- und Nordeuropäer. Bei unseren Vorfahren war die hellere Haut ein Überlebensplus: Unter den eiszeitlichen Bedingungen erleichterte sie die Produktion von Vitamin D. Der anatomisch moderne Mensch vermischte sich in Europa in gewissem Umfang mit dem Neandertaler. Und das wahrscheinlich nicht nur genetisch. Es ist davon auszugehen, dass der Homo sapiens vom Neandertaler vieles lernte, was für das Überleben in der Eiszeit notwendig war. Er profitierte von dessen 100.000-jähriger Erfahrung. Bis der Neandertaler schließlich ausstarb.

Venusfiguren und Wölfe


Der anatomisch moderne Mensch lernte nicht nur vom Neandertaler, er entwickelte sich darüber hinaus zügig weiter. Für jene Zeit stellten die Archäologen einen sprunghaften kulturellen und technologischen Fortschritt der Menschheit fest. Diese Epoche von vor 40.000 bis 32.000 Jahren nennen sie Aurignacien, benannt nach dem französischen Ort Aurignac nördlich der Pyrenäen, wo 1860 die ersten Pfeilspitzen aus dieser Zeit gefunden wurden. Das Aurignacien gilt als ein Zeitalter der sprunghaften Höherentwicklung der Menschheit. Die ältesten bekannten Skulpturen der Menschheit stammen aus jener Epoche, wie etwa die Venusfiguren vom Galgenberg und vom Hohlen Fels bei Schelklingen, oder die aus Mammutelfenbein kunstvoll geschnitzte Figur des Löwenmenschen, oder auch das älteste Musikinstrument der Menschheit, eine Flöte aus Schwanenknochen, oder die ca. 35.000 Jahre alte, kunstvoll eingekerbte Mammut-Figur (Abb....

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