Cholesterin – „Killer Nummer 1“ oder„Erfindung“?
Bevor Sie weiterlesen, sollten Sie zunächst Ihren persönlichen „Status quo“ bestimmen, das heißt: Haben Sie erhöhte Cholesterinwerte? Welche Werte sind erhöht? Welches Ziel müssen Sie verfolgen? Gemäß einer alten Weisheit kann nur, wer ein festes Ziel hat, sich auf den Weg dorthin machen.
AUFGABE
Besorgen Sie sich als Erstes einen kompletten Lipidstatus, d. h., Sie benötigen Ihre Werte für das Gesamtcholesterin, das LDL- und HDL-Cholesterin sowie die Triglyceride. Tragen Sie Ihre Laborwerte als Ausgangswerte hier ein.
LIPIDSTATUS | MEINE AUSGANGSWERTE |
Gesamtcholesterin (mg/dl) | |
Aktuelle Cholesterinmedikamente (falls vorhanden):
Wohlstand und Nahrung brachten neue Krankheiten mit sich. |
Anfang der 1960er-Jahre, als der Wohlstand in den industrialisierten Ländern bereits einige Zeit bestand, entwickelten sich Herzerkrankungen, besonders der Herzinfarkt, zum Hauptfeind der Gesundheit und zur Todesursache Nummer eins. Aktuell gehen genauso viele Todesfälle auf das Konto von Herzinfarkten und Schlaganfällen wie die in der Statistik nachfolgenden vier Todesursachen (Krebserkrankungen, Lungenkrankheiten, Unfälle, Demenz) zusammen. Fieberhaft versuchten Mediziner zu ergründen, warum sich diese Krankheiten epidemieartig ausbreiteten, obwohl es den Menschen doch endlich besser ging, da Hygiene, Nahrung und Komfort ein noch nie da gewesenes Niveau erreicht hatten.
Schon bald wurde klar, dass gerade in den neuen Lebensgewohnheiten die Ursachen zu finden waren. Ein Grund war und ist, dass früher Bewegung garantiert war, Nahrung nicht – während heute Nahrung garantiert ist, Bewegung aber nicht. Darüber hinaus gab es zu diesem Zeitpunkt etliche Theorien über die Gründe der lawinenartigen Zunahme von Herzinfarkten, aber keine wirklich überzeugende Ursache. Schließlich wurde ein Zusammenhang zwischen der Cholesterinhöhe im Blut, die man seit 1934 messen konnte, und dem Auftreten von Herzinfarkten gesehen.
Die Euphorie, endlich den Schuldigen für den Gesundheitsfeind Nummer eins gefunden zu haben, war so überwältigend, dass sich diese Meldung durch die Medien wie ein Lauffeuer verbreitete. Bald war das Cholesterin, das bis dahin kaum jemand kannte, in aller Munde; es folgten Empfehlungen, wie der Cholesterinspiegel zu senken sei – ohne vorher zu prüfen, ob diese Empfehlungen überhaupt zum Ziel führten. Man wollte mit Prüfungen keine Zeit verlieren, während Herzinfarkte weiter um sich greifen. Der Öffentlichkeit wurden Ungereimtheiten in der Cholesterinproblematik verschwiegen. Man tat so, als hätte man unumstößliche Beweise dafür, dass der Cholesterinspiegel die Hauptschuld an der Verbreitung von Herzinfarkten und der Arterienverkalkung (Arteriosklerose) trägt. Schließlich sollte die Öffentlichkeit sich auch konsequent an die Empfehlungen zur Cholesterinsenkung halten.
Man gab dem Cholesterin zunächst die Hauptschuld an der Verbreitung von Herzinfarkten. |
Dieser wichtige Hinweis soll die Rolle des Cholesterins weder abschwächen noch stützen. Er zeigt jedoch, wie die Sichtweise in der Bevölkerung und auch in Fachkreisen bis heute erheblich beeinflusst wurde. Ob dadurch auch die Fakten und die Cholesterinforschung selbst beeinflusst wurden, werden wir noch sehen.
Seither hat die Fülle an Daten und Studien enorm zugenommen und ist für den medizinischen Laien kaum zu überschauen. Sachliche und umfassende Informationen zum Thema Cholesterin sind schwer zu bekommen, da diese Thematik oft emotional, teilweise auch sehr einseitig dargestellt wird. Meistens bleiben entweder die Daten, die der Cholesterinhypothese widersprechen, unberücksichtigt oder es werden umgekehrt die Fakten, die für die Cholesterinhypothese sprechen, ausgelassen. Ich halte es für erforderlich, alle vorliegenden Daten zu berücksichtigen, um die Rolle des Cholesterins zu verstehen und angemessene Empfehlungen aussprechen zu können.
Neuere Erkenntnisse haben ergeben, dass frühere Empfehlungen unwirksam, teilweise sogar schädlich sind: Gesättigte (meist tierische) Fette in der Nahrung erhöhen den Cholesterinspiegel stärker als das Cholesterin in der Nahrung selbst. Außerdem kann die lange propagierte kohlenhydratreiche und fettarme Ernährung nach jetzigen Erkenntnissen nicht mehr empfohlen werden kann.
Das Aufkommen cholesterinsenkender Medikamente warf sehr bald die Frage auf, wer von solchen Medikamenten profitiert und wer nicht. Dabei nutzt vielen eine nicht medikamentöse Cholesterinsenkung, vor allem, wenn noch keine Medikamente erforderlich sind. Zum Teil haben die wirksamen Medikamente sogar dazu geführt, dass die nicht medikamentösen Maßnahmen zu Unrecht in den Hintergrund gerieten. Mehrere Faktoren haben dies begünstigt:
• Die neueren Medikamente, vor allem die sogenannten Statine, auf die später noch genauer eingegangen wird, sind so wirksam, dass andere Maßnahmen für unnötig gehalten wurden.
• Die Schulung von Patienten – und allgemein der Bevölkerung – in den cholesterinsenkenden Maßnahmen ist aufwendig und beansprucht mehrere Stunden, sodass solche Unterweisungen kaum zur Verfügung stehen.
• Weiterhin erweckt die Fehlinterpretation einiger Studien den Eindruck, als würde nahezu jedermann von einer medikamentösen Cholesterinsenkung profitieren und als wären daher andere Maßnahmen unnötig.
Neuere Medikamente zur Senkung des Cholesterinspiegels sind so wirksam, dass andere Maßnahmen zunächst für unnötig gehalten wurden. Von nicht medikamentösen Maßnahmen profitiert jeder.
All dies hat zur Folge, dass die wissenschaftlich gut gesicherten nicht medikamentösen Maßnahmen der Cholesterinsenkung wenig verbreitet sind – obwohl das Interesse an solchen Maßnahmen, die frei von Nebenwirkungen und Risiken sind, sehr groß ist, wie die tägliche Arbeit mit Patienten zeigt. Ebenso groß ist der Wunsch nach sachlichen Informationen, um selbst aktiv zur Senkung des Cholesterins beitragen zu können. In diesem Buch werden beide Aspekte ausführlich erläutert und neben dem wichtigen theoretischen Rüstzeug auch die erforderlichen praktischen Anleitungen vermittelt, sodass Sie das erworbene Wissen auch anwenden können.
Die Normwerte für den Cholesterinspiegel sanken seit den 1960ern bis heute stetig: 60er-Jahre: bis 300 Milligramm pro Deziliter (mg/dl), 80er-Jahre: bis 250 mg/dl, heute: unter 200 mg/dl.
Wichtige Fachausdrücke
Hypercholesterinämie: Cholesterinerhöhung
Hyperlipidämie: Erhöhung der Blutfette
Hypertriglyceridämie: Erhöhung der Neutralfette (Triglyceride)
Lipide im Blut: Cholesterin (= Cholesterol) und Triglyceride
Arteriosklerose: Erkrankungen der Arterien mit Ablagerungen – „Arterienverkalkung“
Daten und Statistiken zum Thema Cholesterin sind inzwischen nahezu unüberschaubar geworden, erst die Gesamtschau aller Informationen erlaubt gesicherte Schlüsse. Da die Forschung weitergeht, ist auch in Zukunft mit neuen Daten und Behauptungen zu rechnen.
Wer sich näher mit der Cholesterinthematik befasst, wird mit verschiedenen Studien konfrontiert werden. Studien dienen – ähnlich wie Versuche, die Sie aus der Schulzeit kennen – dazu, eine bestimmte Fragestellung wissenschaftlich objektiv zu klären. Unser Wissen darüber, welche Medikamente nützen und welche nicht und selbst über die Ursachen vieler Erkrankungen erhalten wir, wie in jeder Naturwissenschaft, über Versuche und Beobachtungen. Solche Versuche werden in der Medizin Studien genannt. Im einfachsten Fall erhalten z. B. 1000 Personen, die sich dazu bereit erklären, ein bestimmtes Mittel und 1000 Personen ein Scheinmedikament, auch Placebo genannt.
Neue Verfahren müssen sich in der Praxis in Studien beweisen – die Ergebnisse sind oft überraschend. |
Natürlich dürfen weder Proband noch Arzt wissen, ob der Einzelne das Medikament oder das Placebo erhält, denn sonst könnte dieses Wissen Empfinden und Verhalten und damit den Versuchsausgang beeinflussen. Dieses Vorgehen wird „doppelblind“ genannt, da sowohl Versuchsperson als auch Versuchshelfer „blind“ sind, und stellt ein wichtiges Qualitätsmerkmal einer Studie dar.
Handelt es sich um ein Medikament, das den Cholesterinwert...