EINFÜHRUNG
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RÄUSPERN UND RECHTSHINWEISE
Ich kann Dir nichts Neues erzählen, was Du noch nicht weißt. Aber ich möchte ein paar Dinge klarstellen.
– JOE FERRARA, EIN ALTER SCHULFREUND VON MIR
Ich habe einen tollen Job. Ich bin ein Usability-Berater. Und das tue ich:
■ Leute (»Kunden«) schicken mir etwas, woran sie arbeiten.
Das können Entwürfe für eine neue Website sein oder die URL einer Site, die sie überarbeiten, oder der Prototyp einer App.
■ Ich versuche, zu benutzen, was sie mir geschickt haben, um die Dinge zu tun, die ihre User brauchen oder gern damit tun würden. Ich notiere die Orte, wo Leute wahrscheinlich stecken bleiben, und die Dinge, von denen ich denke, dass sie sie verwirren (eine »Expertenrezension zur Usability«).
Manchmal bringe ich andere Leute dazu, das Ganze zu testen, während ich beobachte, wie sie stecken bleiben und verwirrt werden (»Usability-Test«)
■ Ich treffe mich mit dem Team des Kunden, um die gefundenen Probleme zu beschreiben, die den Usern voraussichtlich Kopfschmerzen bereiten werden (»Usability-Probleme«), und helfe ihnen, zu entscheiden, welche am dringendsten behoben werden müssen und wie man das am besten anstellt.
Früher habe ich immer einen großen Bericht geschrieben, in dem ich meine Ergebnisse detailliert ausführte, aber schließlich erkannte ich, dass es die Zeit und den Aufwand nicht wert war. In einer Live-Präsentation können mir Leute Fragen stellen und ihre Bedenken äußern — etwas, was ein geschriebener Bericht nicht leisten kann. Und für Teams, die agile Softwareentwicklung oder Lean Development betreiben, gibt es sowieso keine Zeit für geschriebene Berichte.
■ Sie bezahlen mich.
Als Berater arbeite ich bei interessanten Projekten mit einer Menge netter, kluger Leute zusammen. Ich arbeite meistens zu Hause, und ich muss nicht jeden Tag in nervtötenden Meetings sitzen oder mich mit dem Büroalltag herumschlagen. Ich kann sagen, was ich denke, und meistens schätzen die Leute meine Meinung. Und ich werde gut bezahlt.
Und obendrein verschafft es mir große Arbeitszufriedenheit, denn am Ende sind die Dinge, die der Kunde entwickelt, fast immer sehr viel besser als zu Beginn.1
Die schlechte Nachricht: Sie haben wahrscheinlich keinen Usability-Profi
Fast jedes Entwickler-Team könnte jemanden wie mich gebrauchen, um ihm zu helfen, seine Produkte nutzerfreundlich zu gestalten. Leider kann sich die große Mehrheit von ihnen keinen Usability-Profi leisten.
Und selbst, wenn sie es könnten, gäbe es nicht genügend. Nach der letzten Zählung gab es zig Milliarden Websites (und zig Millionen Apps allein für das iPhone2) und nur 10.000 Usability-Berater weltweit. Rechnen Sie’s sich aus.
Und selbst, wenn Sie einen Profi in Ihrem Team haben, kann diese Person kaum auf alles schauen, was Ihr Team produziert.
Inzwischen ist fast jedermann dafür zuständig, Dinge nutzerfreundlicher zu gestalten: Grafikdesigner und Entwickler sind auf einmal für die Gestaltung von Interfaces — Sachen wie interaktives Design (was passiert als Nächstes, wenn der User auf etwas klickt) und Informationsarchitektur (wie alles organisiert ist) verantwortlich.
Ich habe dieses Buch hauptsächlich für Leute geschrieben, die es sich nicht leisten können, jemanden wie mich einzustellen oder zu engagieren.
Usability-Prinzipien zu kennen, hilft Ihnen, die Probleme selbst zu erkennen, und wird Sie hoffentlich von vorneherein davon abhalten, sie zu erzeugen.
Keine Frage: Wenn Sie es sich leisten können, engagieren Sie jemanden wie mich. Aber wenn Sie es nicht können, hoffe ich, dass dieses Buch Sie in die Lage versetzt, es (in Ihrer üppigen Freizeit) selbst zu machen.
It’s not rocket surgeryTM
Die gute Nachricht ist, dass das meiste, was ich tue, einfach auf gesundem Menschenverstand beruht, und jeder mit ein bisschen Interesse kann das lernen.
Wie so oft beim gesunden Menschenverstand sind viele Dinge nicht unbedingt offensichtlich bis zu dem Moment, wo Sie jemand darauf hingewiesen hat.3
Ich verbringe viel Zeit damit, Leuten Dinge zu erklären, die sie längst wissen. Also seien Sie nicht überrascht, wenn Sie sich häufig bei der Lektüre der kommenden Seiten dabei ertappen, »Ich wusste das« zu denken.
Ja, dieses Buch ist dünn
Noch mehr gute Nachrichten: Ich habe hart daran gearbeitet, dieses Buch kurz zu halten — hoffentlich so kurz, dass Sie es auf einem langen Flug lesen können. Ich hatte zwei Gründe:
■ Wenn es kurz ist, wird es eher gelesen.4 Ich schreibe für die Leute, die im Leben stehen — Designer, Entwickler, Site-Produzenten, Projektmanager, Marketingmitarbeiter und diejenigen, die die Schecks unterschreiben —, und für die Einmann-Kapellen, die alles alleine spielen. Usability ist nicht die Kernarbeit Ihres Lebens, und Sie haben keine Zeit für ein langes Buch.
■ Sie müssen nicht alles wissen. Wie in jedem Arbeitsbereich gibt es eine Menge, was Sie über Usability lernen können. Aber wenn Sie kein Usability-Profi sind, ist es für Sie nicht sinnvoll, alles zu lernen.5
Ich finde, dass die wertvollsten Beiträge, die ich bei jedem Projekt leiste, stets von der Beachtung einiger weniger Schlüsselprinzipien der Usability herrühren. Ich bin der Meinung, dass durch das Verständnis dieser Prinzipien die meisten Leute viel mehr Einfluss ausüben können als mit jedem anderen Zettel mit speziellen Listen für »So ja und so nicht«. Ich habe versucht, die wenigen Dinge zusammenzufassen, die meiner Meinung nach jeder über Usability wissen sollte, der mit Design zu tun hat.
Beim Fototermin nicht anwesend
Damit Sie nicht vergeblich danach suchen, sage ich Ihnen einige Sachen, die Sie in diesem Buch nicht finden:
■ Allgemeingültige Usability-Regeln. Ich bin schon eine ganze Zeit in diesem Geschäft, lange genug, um zu wissen, dass es keine »richtige« Antwort auf Usability-Fragen gibt. Design ist ein komplizierter Prozess und die ehrliche Antwort auf die meisten mir gestellten Fragen ist: »Es kommt drauf an.« Trotzdem denke ich, dass es einige nützliche Richtlinien gibt, deren Beachtung sehr hilfreich ist, und diese versuche ich zu vermitteln.
■ Vorhersagen über die Zukunft von Technolgien und des Internets. Sie können genauso gut raten wie ich. Ganz sicher bin ich mir nur bei a), dass die meisten Vorhersagen, die ich höre, beinahe unweigerlich falsch sind, und b), dass die Dinge, die sich als wichtig herausstellen, ganz überraschend kommen, obwohl sie in der Rückschau völlig offensichtlich erscheinen mögen.
■ Lästern über schlecht designte Websites und Apps. Wenn Sie es mögen, wenn man sich über Sites mit offensichtlichen Schwächen lustig macht, lesen Sie das falsche Buch. Design, Erstellung und Wartung einer guten Website oder App sind nicht leicht. Wie beim Golf: Es gibt eine Handvoll Möglichkeiten, wie man den Ball ins Loch bugsiert, und eine Million, mit denen es nicht klappt. Jeder, der es auch nur halbwegs richtig hinbekommt, hat meine Anerkennung.
Sie werden also sehen, dass meine Beispiele von exzellenten Produkten mit einigen geringen Schwächen stammen. Ich glaube, Sie können mehr von der Betrachtung guten Designs lernen als der Besprechung schlechter Designs.
Jetzt auch mobil!
Ein Dilemma, dem ich bei der Aktualisierung dieses Buches gegenüberstand, war, dass es schon immer ein Buch über das Design von nutzerfreundlichen Websites war. Obwohl man die Prinzipien auch auf das Design aller anderer Dinge anwenden kann, mit denen Menschen interagieren (einschließlich Wahlzettel und Wahlkabinen und sogar PowerPoint-Präsentationen), lag der Fokus klar auf Webdesign und alle Beispiele stammten von Websites. Denn bis vor Kurzem war es das, womit sich die meisten Leute beschäftigten.
Aber jetzt gibt es viele Leute, die mobile Apps entwerfen, und selbst die Menschen, die allein Websites entwickeln, müssen Versionen davon erstellen, die auch gut auf mobilen Geräten funktionieren. Ich weiß, sie sind sehr daran interessiert, zu erfahren, wie sich das alles auch darauf anwenden lässt.
Also habe ich drei Dinge getan:
■ Mobile Beispiele dort eingesetzt, wo es sinnvoll erschien
■ Ein neues Kapitel über Mobil-spezifische Usability-Probleme hinzugefügt
■ Und das Wichtigste: »und mobil« zum Untertitel des Covers hinzugefügt
Und wie Sie noch sehen werden, habe ich an manchen Stellen, wenn es der Verständlichkeit diente, anstatt Website »Website oder mobile App« geschrieben. In den meisten Fällen habe ich jedoch die Web-orientierten Formulierungen beibehalten, damit es nicht zu sperrig und störend klingt.
Eine letzte Sache, bevor wir anfangen
Eine entscheidene Sache noch: meine Definition von Usability.
Sie werden eine Menge verschiedener Definitionen von Usability finden, die sich meist auf folgende Eigenschaften reduzieren lassen:
■ nützlich: Kann es etwas, das Leute brauchen?
■ erlernbar: Können Leute herausfinden, wie es funktioniert?
■ einprägsam: Müssen Sie es für jeden Gebrauch erneut...