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E-Book

Die Nornen

Die Götter der Germanen - Band 30

AutorHarry Eilenstein
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl328 Seiten
ISBN9783746090085
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,49 EUR
Die Reihe Die achtzigbändige Reihe "Die Götter der Germanen" stellt die Gottheiten und jeden Aspekt der Religion der Germanen anhand der schriftlichen Überlieferung und der archäologischen Funde detailliert dar. Dabei werden zu jeder Gottheit und zu jedem Thema außer den germanischen Quellen auch die Zusammenhänge zu den anderen indogermanischen Religionen dargestellt und, wenn möglich, deren Wurzeln in der Jungsteinzeit und Altsteinzeit. Daneben werden auch jeweils Möglichkeiten gezeigt, was eine solche alte Religion für die heutige Zeit bedeuten kann - schließlich ist eine Religion zu einem großen Teil stets der Versuch, die Welt und die Möglichkeiten der Menschen in ihr zu beschreiben. Das Buch Die drei Nornen Urd, Verdandi und Skuld spielen in den germanischen Mythen nirgendwo die Hauptrolle, aber sie bilden den Hintergrund für alle Mythen und Sagas - die Nornen bestimmen, was geschieht. Die Folge der von ihnen festgelegten Ereignisse wird bei den Indogermanen oft durch den Schicksalsfaden beschrieben, der von den Nornen gesponnen wird. Dieser Faden ist golden, weil der Nornenfaden ursprünglich ein Bild für das Schicksal der Sonne, also ihren abendlichen Tod und ihre morgendliche Wiedergeburt gewesen ist. Die Wolle für diese Fäden nahmen die Nornen von dem goldenen Vlies (Wolle) des Sonnenwidders, den die Nornen am Morgen als Sonnenmutter wiedergeboren haben. Das Festlegen des Schicksals der Menschen (indisch: "Karma") durch die Nornen findet vor dem Hintergrund der allgemeinen zyklischen Ordnung der Welt (indisch: "Dharma") statt, die sich u.a. im Sonnenlauf, in der Astrologie und in der Sehergabe zeigt - die Nornen haben ursprünglich nicht das Schicksals festgelegt, sondern sind selber ein Teil dieser zyklischen Welt-Ordnung gewesen, die durch die Mythen beschrieben wird: Die Muttergöttin ist die Geborgenheit in der Welt und in ihren Zyklen ... und genau das ist auch das Geschenk der Nornen an die Menschen.

Ich bin 1956 geboren und befasse mich nun seit 40 Jahren intensiv mit Magie, Religion, Meditation, Astrologie, Psychologie und verwandten Themen. Im Laufe der Zeit habe ich ca. 80 Bücher und ca. 50 Artikel für verschiedene Zeitschriften verfasst. Seit 2007 habe ich meine jahrzehntelange Nebentätigkeit ausgeweitet und bin nun hauptberuflich Lebensberater. Dies umfasst die eigentlichen Beratungen, aber auch das Deuten von Horoskopen, Heilungen, Rituale, Hilfe bei Spukhäusern u.ä. Problemen, Ausbildung in Meditation und Feng Shui und vieles mehr. Auf meiner Website www.HarryEilenstein.de finden Sie einen Teil meiner neueren Artikel und auch einen ausführlichen Lebenslauf.

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Leseprobe

I 2. Die drei Nornen in den mythologischen Liedern


I 2. a) Die Vision der Seherin


Mit den Nornen ist der Brunnen als der Eingang in das Jenseits verbunden gewesen, aus dem jegliche Magie und folglich auch das Wissen über die Zukunft kam.

Eine Esche weiß ich, sie heißt Yggdrasil,

Den hohen Baum netzt weißer Nebel;

Davon kommt der Tau, der in die Täler fällt.

Immergrün steht er über Urds Brunnen.

Von dort kommen Frauen, vielwissende,

Drei aus dem See dort unterm Wipfel.

Urd heißt die eine, die andre Werdani:

Sie schnitten Stäbe; Skuld heißt die dritte.

Sie legten Lose, das Leben bestimmten sie

Den Geschlechtern der Menschen, das Schicksal verkündend.

Die Motive Brunnen, Quelle und See sowie Fluß, Sumpf und Meer gehen fließend ineinander über – das verbindende Element ist dabei das Wasser, da man sich in früheren Zeiten oft vorstellte, daß sich unter der Erde ein großes Wasser befindet, das alle Quellen speist, aus dem die Wolken aufsteigen und in dem sich auch die Unterwelt befindet.

Da sowohl der Brunnen als auch der Weltenbaum Wege ins Jenseits waren, befinden sich der Brunnen und der Weltenbaum in der mythologischen Geographie beieinander.

Das „Lose legen“ war eine Orakelmethode, bei der man Stäbe, in die Runen geritzt waren, verwendete.

Das Bestimmen und Verkünden des Schicksals erinnert an die Seherinnen und die Hebammen, die das Schicksal des Neugeborenen intuitiv erfaßten und verkündeten. Dieses „Bestimmen“ des Schicksals ist vermutlich dadurch entstanden, daß man die Seherinnen aufgrund ihrer Fähigkeit, auch wirksame Flüche oder Segnungen auszusprechen, mit der Zeit nicht mehr nur als die ansah, die das bereits festgelegte Schicksal erfaßten und aussprachen, sondern die dieses Schicksal auch selber festlegten.

I 2. b) Die Vision der Seherin


In „Gylfis Vision“ werden die drei Nornen nur allgemein erwähnt. In der „Vision der Seherin“ wird hingegen auch über ein Ereignis im Zusammenhang mit ihnen berichtet.

Sie warfen im Hofe heiter mit Würfeln

Und darbten goldener Dinge noch nicht.

Bis drei der Thursen-Töchter kamen

Reich an Macht, aus Riesenheim.

Die drei Riesen-Töchter kamen nach Asgard zu den Asen. Sie hatten große Macht und beendeten das „Goldene Zeitalter“. Vermutlich sind mit diesen drei Riesinnen die drei Nornen gemeint. Sie brachten vermutlich den Tod in die Welt, was eine häufige Umdeutung des ursprünglichen Motivs der „Mutter der Wiedergeburt“ im Jenseits wäre – das, was ursprünglich den Toten im Jenseits geholfen hat, ist zu der Ursache des Todes umgedeutet worden.

Es gibt in fast jeder Mythologie auch eine Geschichte über die Entstehung des Todes, die in der Regel eine Trennung von Himmel und Erde, von Göttern und Menschen beinhaltet. Man kann zumindestens vermuten, daß es die Vorstellung gegeben hat, daß die Nornen die ursprüngliche Einheit der Welt in ein Diesseits und in ein Jenseits verursacht haben.

Diese Trennung könnte ursprünglich mit dem Abgrund Ginnungagap zwischen Nifelheim im Norden (Jenseits) und Muspelheim im Süden (Diesseits) verbunden gewesen sein.

I 2. c) Odins Rabenzauber


In diesem Lied werden die Eigenschaften der verschiedenen Wesen durch ein einzelnes Verb umschrieben – in gewisser Weise ist hier die „Dichtung“ im Sinne von „auf die Essenz verdichteter und komprimierter Text“ auf die Spitze getrieben worden.

Das „weisen“ der Nornen ist hier als „das Schicksal bestimmen“ gemeint. „Iwidie“ bedeutet vermutlich „die all-Weite“ und ist wahrscheinlich eine der Asinnen – möglicherweise Freya. Vom Aufbau der Strophe her bildet sie den Ergänzungsgegensatz zu Allvater (Odin), was für Freya zutreffen würde.

Allvater waltet, Alfen verstehen,

Wanen wissen, Nornen weisen,

Iwidie nährt, Menschen dulden,

Thursen erwarten, Walküren trachten.

I 2. d) Das erste Lied über Helgi Hunding-Töter


Die Nornen legten das Schicksal der Menschen bereits bei deren Geburt fest. Dies war ein beliebtes Motiv in den Mythen und in den Sagas.

In alten Zeiten, als Aare sangen

Heilige Wasser von Himmelsbergen rannen,

Da hatte Helgi den Großherzigen,

Borghild geboren in Bralund.

Nacht war's in der Burg, Nornen kamen,

Die dem Edeling das Alter bestimmten.

Sie gaben dem König der Kühnste zu werden,

Aller Fürsten Edelster zu dünken.

Sie schnürten scharf die Schicksalsfäden,

Daß die Burgen brachen in Bralund.

Goldene Fäden fügten sie weit,

Sie mitten festigend unterm Mondessaal.

Westlich und östlich bargen sie die Enden,

In der Mitte lag des Königs Land.

Einen Faden nordwärts warf Neris Schwester,

Ewig zu halten hieß sie dieses Band.

„Neri“ bedeutet „Spinnerin“ und ist offenbar eine Umschreibung für „Norne“. Die Schwester einer Norne ist wiederum eine Norne. Diese Umschreibung läßt vermuten, daß man die drei Nornen als Schwestern aufgefaßt hat.

I 2. e) Das andere Lied über Helgi Hunding-Töter


Die Nornen bestimmten auch den Ausgang von Kämpfen:

Nicht alles Gute erging Dir nach Wunsch;

Doch tragen die Nornen einen Teil der Schuld.

In der Frühe fielen bei Frekastein

Bragi und Högni: Ich bin ihr Töter!

Die Ich-Person ist Helgi – er ist eine Saga-Variante des ehemaligen Sonnengott-Göttervaters und Sommergottes Tyr. Högni, der bei den Südgermanen Hagen genannt wurde, ist der Wintergott Loki.

I 2. f) Das andere Lied über Helgi Hunding-Töter


Die Nornen fügen den Menschen oft großes Unglück zu und zwingen sie sogar, Menschen im Kampf zu töten, die sie gar nicht töten wollen. So mußte z.B. Helgi den Vater (Högni) und den Bruder (Bragi) seiner Geliebten in einer Schlacht, die diese gegen ihn führten, töten.

Das alte Mythen-Motiv des endlosen, zyklischen Kampfes zwischen dem Sommergott Tyr (Helgi) und seinem Bruder, dem Wintergott Loki (Högni), ist hier schon stark umgedeutet worden.

Maid, nicht all Dein Schicksal ist gut,

die Nornen klage ich an, daß dies sein mußte:

An diesem Morgen fielen dort bei Frekastein

Bragi und Högni von meiner Hand.

I 2. g) Sigdrifa-Lied


In diesem Lied wird u.a. über Runen auf den verschiedensten Dingen berichtet. Die Norne trägt vermutlich als Zeichen ihrer magischen Macht eine Rune auf ihrem Fingernagel.

Es ist denkbar, daß sich die Seherinnen wirklich Runen auf ihre Fingernägel ritzen – vielleicht paßte dem Skalden aber auch nur der Stabreim zwischen „Norne“ und „Nagel“ (altnordisch: „norna nagli“) gut in den Vers.

Vermutlich werden aber zumindestens die Hände der Nornen allgemein mit ihrer magischen Kraft assoziiert worden sein. Auf dem Runenkästchen von Auzon stehen die drei Nornen im Kreis und halten ihre Hände in ihrer Mitte zusammen.

Die Runen stehen:

Auf Gold und Glas, auf dem Glück der Menschen,

In Wein und Würze, auf der Wala Sitz,

Auf Gungnirs Spitze und Granis Brust,

Auf dem Nagel der Norne und der Nachteule Schnabel.

Am Anfang des Liedes findet sich die Verse, die von der Heilkraft der Hände sprechen – vielleicht ist die Rune auf dem Fingernagel der Norne auch ein Symbol für die Heilkraft der Nornen. Dies wäre dann eine Übereinstimmung mit den heilenden Matronen.

Heil euch Asen, Heil euch Asinnen,

Heil Dir, fruchtbares Feld!

Wort und Weisheit gewährt uns zwei Edlen

Und immer heilende Hände!

I 2. h) Fafnir-Lied


An dieser Stelle wird von einer Vielzahl von Nornen gesprochen. Aus der einen Norne Urd bzw. den drei Nornen Urd, Skuld und Verdandi sind hier die Nornen vermutlich durch ihre Ähnlichkeit mit den Walküren zu einer großen Gruppe von Wesen mit unbestimmter Anzahl geworden.

Sigurd:

„Laß Dich fragen, Fafnir, da Du vorschauend bist

Und wohl manches weißt:

Welches sind die Nornen, die notlösend heißen

Und Mütter mögen entbinden?“

Fafnir:

„Verschiedenen Geschlechts scheinen die Nornen mir

Und nicht eines...

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