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Was verbirgt sich hinter »Berichtswesen«, was bestimmt dieses?
Jürgen Weber, Sven Schaier, Oliver Strangfeld
Berichtstypen
In einem ausdifferenzierten Berichtswesen können verschiedene Berichtstypen zum Einsatz kommen:
- Weit verbreitet sind vor allem Standardberichte, die regelmäßig zu einem festen Zeitpunkt für einen bestimmten Adressatenkreis erstellt werden. Zudem ist auch der Inhalt von Standardberichten weitestgehend normiert.
- Abweichungsberichte folgen keinem vorgegebenen Berichtszyklus. Stattdessen wird ihre Erstellung durch die Über- beziehungsweise Unterschreitung bestimmter Schwellenwerte ausgelöst. Ein Beispiel hierfür ist ein Filial-Bericht, der dem Management nur bei einer Verfehlung des Umsatzziels der Filiale um 10 % und mehr zugeht. Abweichungsberichte folgen der Logik eines Management by Exception, der zufolge das Management seine Aufmerksamkeit vor allem auf Ausnahmetatbestände richten sollte. Eine entscheidende Rolle spielt bei Bedarfsberichten die Auswahl und Justierung des Schwellenwertes. Schließlich soll das Management einerseits möglichst nur bei Bedarf informiert werden, andererseits aber auch nicht erst dann, wenn das »Kind schon in den Brunnen gefallen ist«.
- Einen dritten Berichtstyp bilden die Bedarfsberichte. Ihre Erstellung wird vom Management fallweise angeordnet. Ihr Inhalt ist dabei meist auf eine spezifische Problemstellung bezogen. Je nach Situation und Ausrichtung des Berichtssystems können die Anzahl von Bedarfsberichten und der Rhythmus, in dem sie angefordert werden, stark schwanken.
Im Kontext IT-gestützter Informationssysteme verschwimmen die Grenzen zwischen den aufgeführten Berichtstypen allerdings zusehends: Sie ermöglichen es dem Benutzer, sich seinen persönlichen Bericht zusammenzustellen oder bei Bedarf weitergehende Informationen abzurufen (sogenannte »Drill-Down-Funktionalität«) – wir werden auf diesen Aspekt später im Kapitel 7 noch ausführlich zurückkommen.
Insbesondere Bedarfsberichte können und sollten möglichst spezifisch am objektiven und subjektiven Informationsbedarf der Berichtsempfänger ausgerichtet werden. Bei Bedarfsberichten ist sowohl der objektive Informationsbedarf in den meisten Fällen spezifischer als auch der Adressatenkreis zumeist deutlich kleiner als bei Standard- und Abweichungsberichten.
IT-gestützte Informationssysteme lassen die Grenzen zwischen verschiedenen Berichtstypen verschwimmen.
In der Praxis kommt vor allem Standardberichten – insbesondere dem vom Controlling an das Top-Management gelieferten Monatsbericht – eine große Bedeutung zu. Bei ihnen sind einer Ausrichtung auf den Informationsbedarf der Adressaten Grenzen gesetzt, weil sie einen größeren Adressatenkreis zu bedienen haben und Berichtsinhalt und Berichtsgestaltung zudem weitgehend standardisiert sind. Somit bietet dieser Berichtstyp zwar den Vorteil, dass er eine kostengünstige Informationsversorgung unterstützen kann; eine maßgeschneiderte Informationsversorgung ist durch Standardberichte jedoch nur begrenzt möglich. Daher gilt es bei ihrem Einsatz besonders darauf zu achten, dass der Informationsbedarf ihres Adressatenkreises nicht zu heterogen ist.
Dieser Aspekt wird in der Praxis aber allzu häufig vernachlässigt; Adressaten mit divergierenden Informationsbedürfnissen erhalten denselben Standardbericht. Damit tut sich das Controlling jedoch in der Regel keinen Gefallen! Welche Konsequenzen aus einem solchen Vorgehen erwachsen können, soll anhand eines Praxisbeispiels veranschaulicht werden:
Standardberichte sollten auf Gruppen mit gleichem Informationsbedarf zielen.
Ausgangspunkt ist die Aufnahme der Abteilung Investor Relations in den Verteilerkreis für den Monatsbericht an den Vorstand. Ziel dieser Aktion war es, »alle auf den gleichen Stand zu bringen«. Schnell stellte sich aber heraus, dass die Abteilung Investor Relations viel detailliertere Informationen als der Vorstand benötigte. Dies führte dazu, dass der ursprünglich als schlanke und schnelle Übersicht für den Vorstand gedachte Bericht immer weiter anwuchs. Dies erfolgte nicht als unmittelbare, direkte Reaktion auf die zusätzlichen Bedürfnisse der Investor-Relations-Abteilung. Vielmehr wurde mit der Zeit »hier und da« ein »wichtiges« Detail ergänzt, weil es »auf die eine Seite ja dann auch nicht ankommt«. An ein Streichen von Informationen war – wie üblich – ohnehin nicht zu denken. Am Ende lag ein Bericht auf dem Tisch, der weder »Fisch noch Fleisch« war und letztlich niemanden richtig zufriedenstellte. Das Controlling konnte es dabei keiner Seite mehr recht machen und hatte sich so selbst in die Zwickmühle gebracht.
Für die Bestimmung, in welchen Bereichen welche Standardberichte eingesetzt werden sollten, bietet sich daher eine Unterteilung der Berichtsempfänger nach ihren grundlegenden Informationsbedürfnissen an. Aus diesen Überlegungen können anschließend Zielgruppen für das Berichtswesen definiert werden, deren Mitglieder einen ähnlichen objektiven und subjektiven Informationsbedarf haben. Die laufenden Informationsbedürfnisse solcher homogener Zielgruppen können dann sinnvoll mithilfe von Standardberichten befriedigt werden.
Berichtszwecke
Wesentlichen Einfluss auf die Gestaltung von Berichten sollte auch der Berichtszweck nehmen. Dies klingt trivial. Hier entsteht in der Praxis jedoch häufig ein Problem: Gerade Standardberichte sollen möglichst viel, wenn nicht gar alles auf einmal leisten. Doch so etwas wie eine »Eier legende Wollmilchsau« existiert nun einmal auch im Berichtswesen nicht! Bei einer Betrachtung der wichtigsten Berichtszwecke wird schnell klar, dass nicht alle Zwecke mit einem einzigen Bericht sinnvoll verfolgt werden können:
- Ein wichtiger Berichtszweck, insbesondere von Standardberichten, liegt in der Information der Berichtsempfänger. Hierunter kann insbesondere die Versorgung der Berichtsadressaten mit dem bereits angesprochenen »Basiswissen« über den Geschäftsverlauf gefasst werden.
- Ein zweiter wesentlicher Berichtszweck ist die Planung. Dabei werden die Berichtsinformationen zur Vorbereitung von Entscheidungen verwendet. So kann z. B. eine Vorschau auf die Wareneingänge von Vorprodukten dazu verwendet werden, die Endfertigung zu planen.
- Berichte werden außerdem häufig zu Zwecken der Kontrolle verwendet. Klassisches Beispiel ist hier der regelmäßige Kostenstellenbericht, der Auskunft über die Einhaltung des Kostenbudgets gibt.
- Ein weiterer Berichtszweck liegt in der Steuerung. Sokönnen z. B. Informationen über eine Abnahme der Kundenzufriedenheit und ihrer Determinanten die Einleitung von Gegenmaßnahmen veranlassen.
- Der Bedarf zur Dokumentation mithilfe von Berichten folgt im Kern aus den Regelungen des externen Rechnungswesens. In diesen Vorschriften werden gewisse Informationen festgelegt, die an die Unternehmensführung berichtet werden müssen. Zudem beinhalten sie Aufbewahrungspflichten und -fristen für bestimmte Finanzund Bilanzdaten.
Aus den unterschiedlichen Berichtszwecken ergeben sich unterschiedliche Anforderungen an die Berichtsgestaltung. So sollte ein für Dokumentationszwecke erstellter Bericht möglichst exakt und umfassend die zu dokumentierenden Sachverhalte darstellen. Für Steuerungszwecke hingegen gilt es, die zentralen Steuerungsgrößen möglichst übersichtlich aufzuführen, wobei ein besonderes Augenmerk darauf zu legen ist, aktuelle und zukunftsbezogene Informationen zu liefern. Als weiterer Hintergrund für den Zusammenhang zwischen Berichtszweck und Berichtsgestaltung kann die im Exkurs dargestellte Unterscheidung verschiedener Arten der Informationsnutzung dienen. Insgesamt liegt in einer konsequenten und möglichst klaren Festlegung des Berichtszwecks ein Grundbaustein für ein erfolgreiches internes Reporting.
Mit einem Bericht sollten nicht zu viele Zwecke gleichzeitig verfolgt werden.
Berichtsinhalt
Der Berichtsinhalt als wichtige Gestaltungsdimension von Berichten lässt sich anhand der Aspekte Informationsstruktur, Informationsgegenstand, Informationsart und Informationsbezug charakterisieren.
Eine klare Berichtsstruktur bildet das Grundgerüst.
Die Strukturierung der Informationen beginnt – ausgenommen sind sehr kurze oder »One-Page-Only«-Berichte – bei der Entscheidung, ob dem Bericht ein Inhaltsverzeichnis vorangestellt wird oder nicht. Je nach Umfang und Adressatenkreis kann auch eine Zusammenfassung, in der die wesentlichen Informationen stark verdichtet dargestellt werden, sinnvoll sein. Für die weitere Gliederung des Berichts bietet sich eine »Trichterstruktur« an, das heißt eine Reihenfolge der
Exkurs: Informations-Nutzungsarten
Informationen können von ihren Empfängern auf unterschiedliche Art und Weise genutzt werden. Eine gute Möglichkeit, die verschiedenen Arten der Informationsnutzung durch Manager zu unterscheiden, ist die folgende von Pelz 1978 zusammengestellte Differenzierung:
Instrumentelle Nutzung: Hier werden...