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Die katholische Kirche im Pressediskurs

Eine medienlinguistische Untersuchung österreichischer und französischer Tageszeitungen

AutorMarianne Franz
VerlagNarr Francke Attempto
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl503 Seiten
ISBN9783823300236
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis39,99 EUR
Wie wird das kontroverse Thema 'Kirche' im Pressediskurs Österreichs und Frankreichs dargestellt? Dieser Band beschreibt und erklärt redaktionelle, überredaktionelle und länderspezifische Muster und berücksichtigt dabei auch die jeweiligen soziokulturellen Kontexte. Untersucht werden Pressetexte aus Qualitäts- sowie Boulevardzeitungen. Neben vielfältigen linguistischen Analysekategorien (z.B. Pressetextsorten, Bewertungen, Pressebilder) werden mit den Nachrichtenfaktoren auch kommunikationswissenschaftliche Aspekte in den Blick genommen. Der Band richtet sich an Forschende aus den Bereichen Linguistik, Kommunikationswissenschaft, Theologie und Religionswissenschaft sowie an JournalistInnen.

Marianne Franz ist Universitätsassistentin am Institut für Germanistik der Universität Innsbruck. Sie promovierte dort mit dieser Arbeit im Fachbereich Germanistische Linguistik und gleichzeitig an der Université Paris Descartes im Bereich Sciences du langage.

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Leseprobe

2.2 Massenkommunikation


Im untrennbaren Zusammenhang mit (Massen-)Medien steht die sogenannte Massenkommunikation. In beiden Komposita (Massen-Kommunikation und Massen-Medien) drückt „Masse“ aus, dass ein disperses Publikum angesprochen wird. Da die Tagespresse ein Massenmedium ist und daher Massenkommunikation „betreibt“, soll hier kurz auf die Besonderheiten der Massenkommunikation (vor allem im Vergleich zur interpersonalen – privaten – Kommunikation) eingegangen werden.

Maletzke versuchte 1963 eine Definition, die bis heute weit verbreitet ist (zitiert nach Hickethier 2003: 25):

„Unter Massenkommunikation verstehen wir jene Form der Kommunikation, bei der Aussagen öffentlich (also ohne begrenzte und personell definierte Empfängerschaft), durch technische Verbreitungsmittel (Medien), indirekt (also bei räumlicher oder zeitlicher oder raumzeitlicher Distanz zwischen den Kommunikationspartnern) und einseitig (also ohne Rollenwechsel zwischen Aussagenden und Aufnehmenden) an ein disperses Publikum […] gegeben werden.“

Interpersonale Kommunikation wäre demnach eine Form der Kommunikation, bei der die Aussagen privat, mit oder ohne technische Verbreitungsmittel (gesprochene Sprache, Telefon), direkt (face-to-face) oder indirekt (Briefkommunikation, E-Mail, Telefon) und wechselseitig zwischen Aufnehmenden und Aussagenden an eine einzelne Person oder aber ein konkretes Publikum (Gruppe) gegeben werden.

Maletzke verpackte seine Definition der Massenkommunikation schließlich in ein grafisches Modell (Abb. 2), deren Hauptbestandeile die vier Faktoren Kommunikator (K), Aussage (A), Medium (M) und Rezipient (R) bilden.

Abb. 2:

Feldmodell der Massenkommunikation (Quelle: Maletzke 1963: 41, zitiert nach Burkart 2003: 184)

Maletzke selbst beschreibt das Schema bzw. die Beziehung der vier Faktoren zueinander folgendermaßen (1988, zitiert nach Rusch 2002c: 106f.):

„Der Kommunikator (K) produziert die Aussage durch Stoffwahl und Gestaltung. Seine Arbeit wird mitbestimmt durch seine Persönlichkeit, seine allgemeinen sozialen Beziehungen (u.a. persönliche direkte Kommunikation), durch Einflüsse aus der Öffentlichkeit und durch die Tatsache, dass der Kommunikator meist in einem Produktionsteam arbeitet, das wiederum einer Institution eingefügt ist. Außerdem muss der Kommunikator die Erfordernisse seines Mediums und des ‚Programms‘ kennen und berücksichtigen, und schließlich formt er sich von seinem Publikum ein Bild, das seine Arbeit und damit die Aussage und damit endlich auch die Wirkungen wesentlich mitbestimmt. Die Aussage (A) wird durch das Medium (M) zum Rezipienten geleitet. Sie muss dabei den technischen und dramaturgischen Besonderheiten des jeweiligen Mediums angepasst werden. Der Rezipient (R) wählt aus dem Angebot bestimmte Aussagen aus und rezipiert sie. Der Akt des Auswählens, das Erleben der Aussage und die daraus resultierenden Wirkungen hängen ab von der Persönlichkeit des Rezipienten, von seinen sozialen Beziehungen, von den wahrnehmungs- und verhaltenspsychologischen Eigenarten des Mediums auf der Empfängerseite, von dem Bild, das sich der Rezipient von der Kommunikatorseite formt und von dem mehr oder weniger klaren Bewusstsein, Glied eines dispersen Publikums zu sein. Schließlich deutet der obere Pfeil im Feldschema an, dass trotz der Einseitigkeit der Massenkommunikation ein ‚Feedback‘ zustande kommt.“

Der Vorteil dieses Modells ist, dass darin auch äußere Einflüsse auf Kommunikator und Rezipienten Niederschlag finden. Weder Kommunikator noch Rezipient stehen isoliert da, sondern sind eingebettet in soziale Netzwerke, die sie beeinflussen.

In der wissenschaftlichen Rezeption geht dieses Modell einigen nicht weit genug. Faulstich sieht hier den gesellschaftlichen Kontext (Institutionen, Politik, Wirtschaft u.a.) unberücksichtigt, womit er Maletzke jedoch Unrecht tut. In seinem Schema sind sehr wohl Institutionen angeführt; außerdem lassen sich unter dem Einflussfaktor „Zwang der Öffentlichkeit“ wohl auch Politik und Wirtschaft subsumieren. Gerechtfertigte Kritik übt Faulstich hingegen, wenn er sagt, dieses Modell unterstelle „ein offensichtlich idealisiertes Gleichgewicht“ zwischen Kommunikator und Rezipienten (Faulstich 2002: 40) – ein überzeugender Einwand, den auch Kübler (2003: 121) mit Faulstich teilt: Das Modell lässt

„weitgehend ausser Acht, dass sich im Zeitalter professioneller, hochorganisierter, machtpolitisch verstrickter und vor allem ökonomisch – sprich: auf Profitmaximierung – ausgerichteter Medienkommunikation die Gewichte zum Nachteil des Publikums verlagert haben, dass es mithin erhebliche Beeinflussungsmöglichkeiten und wohl auch Abhängigkeiten gibt; sie werden durch das Modell egalisiert und damit eskamotiert.“

Hickethier (2003: 51) sieht außerdem ein Problem darin, dass Maletzke von einem journalistischen Verständnis der Massenmedien auszugehen scheint, „bei dem ein einzelner ‚Kommunikator‘ sich einer technischen Apparatur bedient und mit ihr viele ‚Rezipienten‘ erreicht“. Das Modell versagt allerdings, wenn es darum geht, komplexere Medienangebote zu beschreiben (wie Filme), bei der mehrere Personen arbeitsteilig mitwirken (vgl. Hickethier 2003: 51). Auch Pressetexte sind komplexe Medienangebote, die nicht auf einen einzelnen Kommunikator zurückgehen, sondern von mehreren Kommunikatoren oder Autoren produziert werden (siehe dazu auch Abschnitt 3.1.1). Nicht nur dass viele Artikel von Presseagenturen hergestellt und von den Zeitungsredakteuren nur noch angepasst (gekürzt, erweitert usw.) werden, es werden auch unterschiedlichste Quellen zitiert (Politikeraussagen, Grafiken von Statistik-Büros usw.).

Massenkommunikation ist also öffentlich, indirekt und einseitig und richtet sich an ein disperses Publikum. Doch seit den 1960ern hat sich viel getan. Das World Wide Web und die zahlreichen Möglichkeiten der Interaktivitäten brachten große Veränderungen mit sich, die die Grenzen zwischen interpersonaler und Massenkommunikation verschwimmen ließen. Kübler (2003: 124) vertritt die Meinung, dass „angesichts der einhergehenden Transformationen […] nicht mehr so eindeutig und dipodisch zwischen personaler und Massenkommunikation“, zwischen Öffentlichem und Privatem getrennt werden kann. Kübler versucht die Neuerungen in Maletzkes Definition zu integrieren bzw. diese zu aktualisieren:

 

Unter medialer Kommunikation verstehen wir die (sich mehr und mehr verbreitende) Form der Kommunikation, bei der

Tab. 2:

Definition von medialer Kommunikation (Quelle: Kübler 2003: 124; eigene Darstellung)

Anhand der Online-Medien können diese neuen Entwicklungen am geeignetsten festgemacht werden. Das Internet ist einerseits öffentlich, d.h. von allen (mit Internetzugang) benützbar; andererseits gibt es Bereiche, die privat, etwa durch Passwörter geschützt, sind (Newsgroups, Chatrooms, Blogs usw.). Andere Merkmale der Massenkommunikation waren laut Maletzke die Einseitigkeit der Kommunikation sowie die raumzeitliche Distanz der Kommunikationspartner, die jedoch im World Wide Web zum Teil aufgebrochen scheinen.

„Elektronische Daten sind allerorts (nahezu) gleichzeitig mit ihrer Schöpfung und Eingabe verfügbar, so dass nicht nur der Zeitverzug innerhalb der Produktion, der durch diverse Phasen der Materialisierung und Gestaltung – etwa beim Druck – verursacht wird, wegfällt oder zumindest enorm reduziert wird: Letztlich fallen Produktion und Rezeption zusammen, was mit dem Begriff ‚Echtzeit‘ (Virilio 1996; Kloock 2000, 161ff.) gekennzeichnet wird; beim Internet können sie – wie im personalen Dialog – ständig wechseln. Vor allem das charakteristischste Kriterium der Massenkommunikation, die Einseitigkeit des Kommunikationstransfers, wird mehr und mehr aufgehoben – entsprechend erodiert die Dualität von personaler und Massenkommunikation.“ (Kübler 2003: 125f.)

Auch wenn der Begriff „Echtzeit“ sicherlich nicht zutrifft, da die eingegeben Daten erst übertragen werden müssen, ist die zeitliche Distanz beim Chat, beim Instant Messaging oder etwa bei der Internettelefonie tatsächlich kaum mehr wahrnehmbar.

Kübler mag in vielen Dingen Recht haben; sein Konzept der „allmähliche[n] Aufweichung der Massenkommunikation und [der] Mutationen zur medialen Kommunikation“ (2003: 123) scheint mir ein wenig zu drastisch. Massenkommunikation geht aufgrund der neuen Entwicklungen nicht verloren. Die „alten“ Medien (Fernsehen, Rundfunk, Presse) machen sich die „neuen“ zwar zunutze: Tageszeitungen gehen online, man kann diverse Nachrichtensendungen des ORF im Web ansehen, das Fernsehprogramm nachlesen, Rundfunksender haben Internetauftritte mit verschiedensten Angeboten und sind auch über Internet empfangbar (mit einer kleinen Zeitverschiebung). Dennoch: Die alten, traditionellen Medien mit ihren typischen...

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