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Zukunft? China!

Wie die neue Supermacht unser Leben, unsere Politik, unsere Wirtschaft verändert

AutorFrank Sieren
VerlagPenguin Verlag
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl368 Seiten
ISBN9783641234539
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Von künstlicher Intelligenz bis Hollywood: Wo China inzwischen den Takt vorgibt
China-Kenner Frank Sieren schildert aus erster Hand, was China so erfolgreich macht. Und warum Europa, ja selbst Deutschland, dabei ist, den Anschluss zu verlieren. Das Reich der Mitte ist ehrgeizig, schnell, innovativ, gut organisiert und lässt sich von uns nichts mehr vorschreiben. Erstmals seit Jahrhunderten wird ein asiatisches Land wieder Weltmacht, mit den USA ist ein Handelskrieg entbrannt. Auf allen Kontinenten investieren Chinesen in Bodenschätze, Infrastruktur und Industrie - auch bei uns kaufen sie sich ein. Frank Sieren zeigt, wie China uns direkt herausfordert und was die neue Supermacht für uns bedeutet: sowohl Chance als auch Gefahr.

Frank Sieren ist einer der führenden deutschen China-Experten. Der Journalist, Buchautor und Dokumentarfilmer lebt seit 1994 in Peking - länger als jeder andere westliche Wirtschaftsjournalist. Hautnah erlebt er den Aufstieg der neuen Weltmacht mit. Er hat im vergangenen Vierteljahrhundert als Korrespondent für die »Süddeutsche Zeitung«, die »Wirtschaftswoche«, die »Zeit«, das »Handelsblatt«, den »Tagesspiegel« und die Deutsche Welle gearbeitet. Nun auch für »China.Table«. Sieren hat bereits mehrere Bestseller veröffentlicht, darunter »Zukunft? China!« und »Shenzhen«. Zuletzt erschien von ihm »China to go«, ein Überblick über aktuelle Themen und Trends in 100 Artikeln.

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Leseprobe

VORWORT

»Wir haben jetzt die Stärke, unseren rechtmäßigen Platz in der Welt einzunehmen.«

Xi Jinping, Chinas Staats- und Parteichef

»Wir müssen nun selber für unsere Zukunft kämpfen, als Europäer, für unser Schicksal.«

Angela Merkel, deutsche Bundeskanzlerin

„Ich will meine Soldaten aus Asien zurückholen.“

Donald Trump, US-Präsident

Als ich im August 1994 in Peking eintraf, kam ich in ein Land, das bereits von der Öffnungspolitik des Reformers Deng Xiaoping geprägt war. Dennoch war es unvorstellbar, in welch atemberaubender Geschwindigkeit sich China entwickeln würde. Hätte ich vor 15 oder 20 Jahren aufgeschrieben, wie China im Jahr 2018 aussehen wird – man hätte mich für einen Spinner gehalten, der jede Bodenhaftung verloren hat. Kaum jemand im Westen hat die erfolgreiche Entwicklung Chinas so vorhergesehen, wie sie sich vollzogen hat. Zu lange schien China ein Koloss auf tönernen Füßen. Doch nun strotzt das Land nur so vor Kraft. 2017 konnte es Produkte im Wert von 420 Milliarden US-Dollar mehr verkaufen, als es importieren musste.

Die Palette der Produkte reicht von Jeans über Smartphones bis hin zu Flugzeugen. China ist längst nicht mehr nur die Werkbank der Welt. Inzwischen haben sie auch die weltbesten Hochgeschwindigkeitszüge, und die meisten Elektroautos und E-Busse weltweit fahren auf den Straßen des Landes. China ist gemeinsam mit den USA führend bei der Zukunftstechnologie der künstlichen Intelligenz (KI), die unsere gewohnte Welt auf den Kopf stellen wird. Im Onlinehandel und beim Bezahlen per Smartphone sind die Chinesen bereits Weltspitze. Und bei den Start-ups liegen die Investitionen schon höher als in den USA. Das teuerste »Einhorn« der Welt, so nennt man Start-ups mit einem Wert von über einer Milliarde US-Dollar, kommt aus China: Es widmet sich der Gesichtserkennung, noch so ein Bereich, in dem China inzwischen weltweit führend ist.

Gleichzeitig investiert China erstmals in seiner 3500-jährigen Geschichte auf allen Kontinenten: Es geht um Schlüsselindustrien, Bodenschätze und Infrastruktur. Peking baut Eisenbahnlinien, Staudämme und Kraftwerke inzwischen in einer Qualität, die selbst die strenge Weltbank überzeugt, in der nach wie vor der Westen das Sagen hat. Das alles überstrahlende Projekt ist die weltumspannende Neue Seidenstraße, die bis nach Deutschland, Panama oder Senegal reicht. Es ist das größte Infrastrukturprojekt der Welt seit dem Bau der Großen Mauer, mit dem im 7. Jahrhundert vor Christus begonnen wurde.

Immer mehr Länder schlagen sich auf die Seite der Chinesen, weil die großzügig bei ihnen investieren, aber auch, weil diese Länder so werden wollen wie China: selbstbestimmt und unabhängig. China ist ein Land, das sich vom Westen nichts vorschreiben lässt, seinen eigenen Weg geht, in seiner eigenen Geschwindigkeit, mit seinem eigenen politischen System. Ein Land, das nun die Welt neu austarieren möchte und, wenn das mit den bestehenden globalen Institutionen nicht möglich ist, inzwischen machtvoll genug ist, neue zu schaffen. Wie die Asiatische Infrastruktur-Investmentbank (AIIB), das Gegengewicht zur US-amerikanisch dominierten Weltbank. So bildet China neue Allianzen mit anderen aufstrebenden Ländern, die hoffen, sich im internationalen Konzert der Mächtigen endlich Gehör verschaffen zu können. Dazu gehört auch, dass sie frei entscheiden können, in welcher Währung sie ihren Handel abwickeln. Der Yuan ist inzwischen Weltreservewährung, neben dem US-Dollar und dem Euro. Aus den guten alten Zeiten sind auch noch das britische Pfund und der japanische Yen dabei.

Bemerkenswert an Chinas Aufstieg ist auch die Tatsache, dass das Land keine Auslandsschulden hat. Und: Peking verfügt über ein Sparbuch mit den größten Devisenreserven der Welt. Das Riesenreich ist, an der Kaufkraft gemessen, schon seit einigen Jahren die größte Volkswirtschaft der Welt. Das BIP ist, nominal gemessen, noch kleiner, aber in der folgenden Grafik sieht man, was für ein Potenzial in China steckt:

Während Peking also selbst penibel darauf achtet, sich finanziell nicht in Abhängigkeiten zu begeben, ist es gleichzeitig der größte Gläubiger der Amerikaner. Im Handelsstreit mit den USA ist das ein nicht zu unterschätzendes Instrument.

Mittlerweile setzt China auch nicht mehr nur auf Wachstum um jeden Preis, sondern ist zum größten Umweltschützer der Erde aufgestiegen. Die größten Wasserkraftwerke und die meisten Windmühlen der Welt stehen in China. 2017 hat China fast zehnmal so viele Gigawatt an Solarzellen installiert wie ganz Europa zusammen. Außerdem setzt China Maßstäbe in der Industrie 4.0 – mit voll automatisierten, selbst lernenden Fabriken. Technologieunternehmen wie Alibaba, Tencent und China Mobile geben die Richtung vor und gehören inzwischen zu den weltgrößten Aktiengesellschaften.

Und selbst was die Soft Power angeht, holt China auf. Den teetrinkenden Meister Wu gibt es schon als Lego-Figur. Die Art Basel Hongkong ist inzwischen wichtiger als ihr Pendant in Miami. Und der ehemalige Louvre-Direktor Henri Loyrette räumte kürzlich ein: »In Wahrheit ist der Louvre kein universelles Museum.« Es sei ein Museum des Westens. Doch nun ändern sich die Zeiten. Das 2500 Jahre alte, aus China stammende Go-Spiel macht dem Schachspiel Konkurrenz. Die größten Filmstudios der Welt stehen mittlerweile in China. Die meisten Kinos weltweit gehören einem Chinesen, darunter sogar sehr viele amerikanische. Auch eines der großen Hollywood-Studios ist bereits in chinesischer Hand. Schon heute lässt sich kein Hollywood-Film mehr ohne die Einnahmen aus chinesischen Kinos kalkulieren. Ein Topschauspieler wie Matt Damon spielt heute in einer chinesisch-amerikanischen Hollywood-Produktion einen Söldner, der demütig bei klugen chinesischen Kämpfern in die Lehre geht.

Selbst was die Armutsbekämpfung betrifft, stellt China den Westen in den Schatten. Kein großes Land in der Weltgeschichte hat seine Menschen so schnell aus der Armut befreit wie China. Das muss man erst einmal hinkriegen. Und es hat sich zuvor aus einer Krise herausgewunden, an der die meisten anderen Länder zerbrochen wären. Noch im 18. Jahrhundert hatte China einen Anteil von 30 Prozent an der Weltwirtschaft, zur Zeit der Kulturrevolution unter Mao waren es nur mehr zwei Prozent. Nun sind es wieder 15 Prozent. China ist wieder da, hat aber noch viel Spielraum nach oben: Das jährliche Pro-Kopf-Einkommen der Chinesen liegt erst bei knapp 9 000 US-Dollar. In den USA sind es über 60 000. Nichts spricht dagegen, dass China eines Tages dieses Niveau erreichen wird. Und wenig spricht dagegen, dass das chinesische BIP in Zukunft doppelt so hoch sein wird wie das amerikanische. Das verfügbare Haushaltseinkommen wächst jedes Jahr im Schnitt um rund sechs Prozent. Und das wird noch eine ganze Weile anhalten.

Dieses Wachstum und die vielen neuen Chancen, die sich vor allem durch die Digitalisierung, die künstliche Intelligenz und die E-Mobilität ergeben, macht es für einen Großteil der Bevölkerung vergleichsweis leicht, über die Einschränkung persönlicher Freiheiten, die Menschenrechtslage und die fehlende demokratische Mitbestimmung hinwegzusehen. Die Mehrheit der Chinesen steht hinter dem autoritären System, mag es uns auch suspekt erscheinen. Und dieses System gewinnt gerade in den Entwicklungsländern der Welt immer mehr Anhänger. In vielen Regionen Asiens oder Afrikas erscheinen den Menschen Stabilität und Prosperität zunächst wichtiger als umfassende Mitbestimmung und eine vielfältige Zivilgesellschaft. Die großen Vorzüge der Demokratie, wie wir sie sehen, erschließen sich ihnen nicht. Zumal ein Blick nach Europa zeigt, wie gelähmt die Demokratien dort sind und wie stark die politischen Ränder werden, sprich: wie instabil dieses als so sicher geltende System geworden ist. Und der Blick nach Amerika zeigt, dass Wahlen die seltsamsten Rüpel an die Macht spülen können – weil die Menschen unzufrieden sind und auf einfache Lösungen in komplizierten Zeiten setzen, auch wenn es die de facto nicht geben kann.

Weil wir im Westen zunehmend mit uns selbst beschäftigt sind, entsteht ein Vakuum, in das China nur allzu gerne vorstößt. Engagiert und entschlossen erschließen die Chinesen neue Märkte, investieren in Infrastrukturprojekte und Bodenschätze und machen so nicht nur geopolitisch und wirtschaftlich Nägel mit Köpfen, sondern verschieben systematisch das alte, das gewohnte Machtgefüge. Vorbei die Zeiten, in denen der Westen die Maßstäbe setzte und den Rest zur Folklore erklärte.

Zukunft? China!

Natürlich hat China auch Probleme, und zwar nicht zu knapp. Das Rechtssystem ist intransparent, agiert teils politisch kontrolliert. Noch immer sitzen Menschen im Gefängnis, die nicht einmal ihren Anwalt sehen dürfen. Es werden Urteile verkündet, die schon vor dem Prozess feststanden. Menschen werden wegen ihrer politischen Meinung abgehört, verfolgt oder gleich eingesperrt. Die Medien können nicht schreiben und senden, was sie wollen. In jedem Unternehmen, auch in westlichen, müssen Parteizellen installiert werden. Schon seit Jahren kündigt Peking die Öffnung seiner Märkte an, öffnet sich aber tatsächlich nur im Schneckentempo. In manchen Bereichen hat der Protektionismus sogar zugenommen. Ganze Industriebereiche sind vor ausländischer Konkurrenz geschützt. In anderen werden westliche Unternehmen zu Technologietransfers gezwungen, damit sie überhaupt auf dem...

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