WIE EINFÜHLSAM SIND TIERÄRZTE WIRKLICH?
Was genau macht eigentlich einen guten Tierarzt aus?
Da gibt es ganz unterschiedliche Ansichten, von Kollegen genauso wie von Kunden. Aus der Sicht der Kollegen ist man nur dann gut, wenn man möglichst viele Fortbildungen besucht, sich in möglichst vielen Sparten zuhause fühlt, die neuesten und teuersten Instrumente zur Verfügung hat, sich nicht wirklich zu intensiv gefühlsmäßig auf ein Tier und seinen Besitzer einlässt und mit möglichst wenig Zeitaufwand möglichst viel Umsatz machen kann. Aus der Warte der Patientenbesitzer ist es oft so, dass man den Tierarzt meist dann für gut befindet und weiterempfiehlt, wenn er billig ist. Erst danach kommen Freundlichkeit, Fachwissen oder Praxisausrüstung. Erst an letzter Stelle steht die Sensibilität gegenüber dem Tier. Ich habe Hundehalter erlebt, die gingen dermaßen brutal mit ihrem Tier um, während das arme Wesen vor Angst nicht ein noch aus wusste. Kein Funken Verständnis, kein gutes Wort! Gerade, dass sie ihren Hund nicht packten und mir gefesselt und geknebelt auf den Tisch warfen. Ich habe solche erlebt, die bei jedem Arztbesuch von ihrem Tier Kunststücke abverlangten. (Frage am Rand: würden Sie gerne eine Rolle rückwärts machen, wenn Sie ein gesundheitliches Problem oder Angst vor einer Spritze haben?) Ich kenne aber auch Kollegen, die sehr brutal agieren und Null Feingefühl gegenüber dem Tierpatienten besitzen. Für beide Kategorien fehlt mir jegliches Verständnis. Jemand, der so mit einem Tier umgeht, sollte keines haben. Jemand, der ein krankes Tier so behandelt, hat den Beruf verfehlt. Tatsache ist, Hundebesitzer verlassen sich meist auf mündliche Empfehlungen, ob ein Tierarzt gut ist. Was dem einen aber großartig erscheint, ist für den andern noch lange nicht gut.
Den richtigen Tierarzt finden
Als kleine Empfehlung würde ich folgende Punkte erfragen:
- Geht der Tierarzt auf Terminsonderwünsche ein?
- Macht er nötigenfalls Hausbesuche?
- Erklärt er die Behandlung verständlich?
- Ist sein Umgang mit dem Hund freundlich, offen, gewaltfrei, ohne Zwangsmaßnahmen und vermeidet er jeglichen unnötigen Stress für das Tier?
- Verzichtet er auf Beißkorb und stundenlange Untersuchungen sowie langatmige Diskussionen?
- Ist er dem Hund sympathisch? Denn es ist doch so: Sie müssen ihn nicht nett finden. (Sie müssen ihm bloß vertrauen können.) Ihr Hund aber schon!
Den „richtigen“ Tierarzt zu finden ist gerade für hochsensible Hunde enorm wichtig. Wenn der Hund „seinen“ Arzt gut kennt, kann er ihm auch vertrauen. Denn ein überfülltes Wartezimmer, der beißende Geruch von Desinfektionsmittel, Blut, Gefahr, Narkosegas, Angst, Krankheit und Tod, stickige, ungelüftete, nicht ausreichend klimatisierte Räumlichkeiten sowie bellende und jaulende fremde Hunde, Beutetiere wie Katzen, Hasen und Frettchen am Sessel nebenan, lange Wartezeiten, ein total gestresster Besitzer und vielleicht noch eine lange Anreise in einem öffentlichen Verkehrsmittel machen Angst. Angst ist die beste Voraussetzung, um einem HSH einen Tierarztbesuch so unerträglich wie möglich zu gestalten. Ist ja auch bei Menschen nicht anders!
Ist Ihr Tierarzt hingegen ein HSM, werden Sie eine Praxis vorfinden, in der Sie sich selbst sofort wohl fühlen. Ihr Hund wird gerne dort hineingehen, da es nicht nach Folterkammer sondern dezent neutral, möglicherweise blumig, aber niemals nach ätzenden Desinfektionsmitteln oder Gefahr riecht. Das Wartezimmer ist garantiert tierfreundlich gestaltet, die Wartezone für Katzen von den Hunden räumlich getrennt, es stehen für Katzenkörbe erhöhte Ablagen bereit und der Wartebereich sieht eher wie ein freundliches, hübsches Wohnzimmer aus. Leise, entspannende Musik, dezente, nicht zu grelle Spots und hübsche Bilder runden das Ambiente ab. Infomaterial für die Zweibeiner, eine Assistentin, die schon freundlich die Daten aufnimmt, um Wartezeiten zu vermeiden und eine telefonische Terminplanung, damit es keinen Stau gibt-HSM werden das gleich wie HSH zu schätzen wissen!
Der Hauptgrund, weshalb Ihr Hund aber gerne dort hineingeht, ist der: Er weiß, ihm droht keine Gefahr. Ich hatte Hundepatienten, die zogen schon zwei Häuserecken von meiner Praxis entfernt zu mir herein, oder kamen einfach gerne nur zu Besuch vorbei. Was mich sehr freute. Dann gab es natürlich kleine Naschigkeiten. Darauf beruht das Vertrauen: es tut nicht immer weh, wenn man zum Onkel Doktor geht! Man kann auch mal so vorbeischauen, auf ein Keksi, ohne dass man gleich auf einen viel zu rutschigen Tisch gehoben wird und die böse Biene kommt. Onkel Bela hat große Hunde nur am Boden untersucht, nachdem sie sich gründlich umsehen durften und sich sicher fühlten.
Dabei konnte man meist sehr gut die ganze Palette der Beschwichtigungssignale sehen, die die Hundebesitzer durch die Bank völlig fehl interpretiert hatten. Ob Sie es glauben oder nicht: Hunde verstehen, wenn man zu ihnen sagt „Sorry, das wird ein klein wenig pieksen! Du entschuldige Süßer, aber die kleine Biene kommt jetzt und macht dich gesund. Kuck doch mal zu Herrchen!
Alles ist gleich vorbei!“. Sie lachen? Das ist nicht zum Lachen, sondern sogar enorm wichtig! Das beruhigt die Besitzer, denn die schmunzeln dann auch, entkrampfen und entspannen sich und das überträgt sich sofort auf den Hund. Der dann ruhig wird. Was ungefähr im Hundegehirn heißen könnte „Ach, Herrchen ist auch ruhig und lacht! Dann kann's ja nicht so schlimm sein!“. Ein Lächeln ist bei Menschen ansteckend und entspannend. Warum sollte es bei Tieren anders sein?
(Übrigens, auch andere Säugetiere wie Schimpansen oder Ratten können bei ihren Artgenossen positive Emotionen durch ihr Verhalten auslösen. Forschende wiesen diese Eigenschaft nun erstmals auch bei einem Vogel, dem intelligenten Bergpapagei Kea, nach. (Die Studie "Positive emotional contagion in a New Zealand parrot " von Raoul Schwing, Ximena J. Nelson, Amelia Wein und Stuart Parsons wird nach Embargoende in Current Biology veröffentlicht.) Also komme mir bitte keiner mit der missverstandenen Mimik. Hunde sind nicht so dumm, wie man sie gerne hinstellt. Sie interpretieren die hochgezogenen Mundwinkel ihres Menschen keineswegs falsch. Onkel Bela hat immer die dünnstmöglichen Nadeln verwendet, die übrigens nicht mehr kosten als normal dicke Nadeln. Was aber den meisten Kollegen entweder egal ist, zu langsam geht oder nie in den Sinn kommen würde. Sie wissen bereits warum. Es sind Krieger. Die kennen keinen Schmerz!
Die Wahrheit ist, HSM sind unter Tierärzten äußerst selten zu finden. Was logisch ist, da die meisten HSM dieses Studium gar nicht durchstehen würden. Sie verzweifeln alle bereits am Anfang oder mittendrin. Oder fangen gar nicht erst damit an. Und deshalb gibt es so viele unsensible Kollegen. Auch sie meinen es nicht böse. Sie können gar nicht anders! Sie sind vielleicht gute Diagnostiker, aber für HSH eine wahre Katastrophe. Aus diesem Grund sind viele Hunde, die bereits schlechte erste und nachfolgende Erfahrungen mit „unsensiblen“ Kollegen machen mussten, so ängstlich, ja geradezu panisch, wenn sie zum Tierarzt müssen. „Es wird wieder furchtbar weh tun!“, sagt das Hirn, „Ich werde mich wieder zu Tode fürchten!“, sagt die Seele und schon bricht Panik im Hundeuniversum aus.
Das wäre vermeidbar. Ginge man von Anfang an sensibler mit Hunden um. Dazu gehört auch, dass man seine tierischen Patienten nicht unbeaufsichtigt vom Tisch fallen lässt, sie eben nicht mit den dicksten weißen oder gelben Nadeln traktiert, sie nicht in Stellen sticht, die garantiert weh tun, ihnen nicht bei jedem Besuch die Krallen schneidet bis sie bluten, ihnen nicht brutal das Maul aufreißt und mit der Pinzette Tabletten tief in den Rachen schiebt, ihnen nichts spritzt, was brennt und ihnen nicht das Maul mit einem Strick zubindet aus lauter Angst, von ihnen gebissen zu werden. Ich wurde während meiner ganzen Praxiszeit niemals gebissen, es gab keinen Hund, der nicht gerne wieder zu mir hereinkam und ich musste niemals einen Beißkorb verwenden. Niemals! Gibt einem das nicht zu denken?
Woran liegt das?
Hunde haben ein feines Gespür für Menschen, die ihnen nicht gefährlich sind.
HSM haben einen tiefen Bezug zum Tier, sie können in ihrem Gegenüber „lesen“, was los ist, was sie tun müssen, um dem Tier seine Angst zu nehmen. Hunde wissen das zu schätzen. Unsensible Menschen bekommen solche Feinheiten nicht mal mit. Sie wundern sich nur und fragen dann allesamt staunend bei ihrem nächsten Besuch: „Herr Doktor, mein Hund kommt so gerne zu Ihnen in die Praxis. Das macht er sonst nie, er hat sich immer zu Tode gefürchtet, wenn er zum Tierarzt musste!“. Der Herr Doktor lächelte, schwieg und freute sich.
Den Tierkörper „lesen“ können
Den Tierkörper „lesen“ können- was heißt das? Wenn HSM über ihren Bezug zu Tieren sprechen, hört man Aussagen wie...