Segensgebete über Brot und Wein1
1Einführung
Zu Beginn der Gabenbereitung werden Brot und Wein zum Altar gebracht. Der Priester nimmt die Gaben entgegen und spricht folgendes Segensgebet über das Brot:
Gepriesen bist du, Herr, unser Gott, Schöpfer der Welt. Du schenkst uns das Brot, die Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit. Wir bringen dieses Brot vor dein Angesicht, damit es uns das Brot des Lebens werde.
Es folgt das Segensgebet über den Wein:
Gepriesen bist du, Herr, unser Gott, Schöpfer der Welt. Du schenkst uns den Wein, die Frucht des Weinstocks und der menschlichen Arbeit. Wir bringen diesen Kelch vor dein Angesicht, damit er uns der Kelch des Heiles werde.
Die Gemeinde kann darauf antworten:
Gepriesen bist du in Ewigkeit, Herr, unser Gott.
2Biblischer Hintergrund
2.1Überblick
In den Begleitgebeten zur Gabenbereitung klingt eine ganze Reihe biblischer Motive an:
Gepriesen bist du, Herr, (unser Gott), Schöpfer der Welt. Du schenkst uns das Brot, den Wein, die Frucht der Erde des Weinstocks und der menschlichen Arbeit. Wir bringen dieses Brot diesen Kelch vor dein Angesicht, damit es / er uns das Brot des Lebens der Kelch des Heiles werde. Gepriesen bist du in Ewigkeit, Herr, unser Gott. | 1 Chr 29,10; Ps 119,12 2 Makk 7,23; 13,14; vgl. Gen 1f; Ps 104 Gen 28,20; Ex 16; Ps 104,14; 127,2; 146,7; Joh 6 Ps 104,15; Jes 25,6-8; Joh 2,1-11; Vgl. Mk 4,26-28 Mk 14,25 par Gen 3,17-19; Ps 104,14 Lev 23,9-14; 24,5-9 Lev 23,9-14; 24,5-9 Joh 6 Ps 116,13; 1 Kor 10,16 Vgl. Dan 3,26.52-56 |
Der Beginn der Segensgebete „Gepriesen bist du, Herr, unser Gott“ erinnert an jüdisches und frühchristliches Beten. Im jüdischen Gebetsleben beginnt mit diesen Worten eine lobpreisende Gebetsform, die die Bezeichnung berakaträgt. Diese Gebetsform liegt auch dem christlichen Beten zugrunde. Gott wird im Alten Testament oft in dieser Weise angesprochen. So beginnt beispielsweise König David sein Dankgebet an Gott für den Beginn des Tempelbaus mit diesen Worten (vgl. 1 Chr 29,10). In der Heiligen Schrift finden sich zudem Segensgebete über Speisen, die derselben Struktur folgen.
Die beiden Segensgebete sind jeweils in der ersten Hälfte von Schöpfungsmotiven durchdrungen (vgl. Gen 1f; Ps 104). Gott wird zum einen direkt als „Schöpfer der Welt“ angesprochen. Zum anderen wird herausgestellt, dass dieses Wirken des Schöpfers im Geben von Brot und Wein verdeutlicht wird, denn Gott ist die eine Quelle aller Gaben. Dies erinnert sowohl an die Manna-Erzählung (Ex 16) im Rahmen der Wüstenwanderung des Volkes Israel als auch an die Brotrede Jesu nach der Speisung der Fünftausend (Joh 6). Wein als Getränk steht biblisch für die Festfreude. Unentbehrlich ist der Wein daher bei einem Festmahl. Deshalb begegnet das Motiv des Weines beim Festmahl Gottes (Jes 25,6–8) sowie bei der Hochzeit zu Kana (Joh 2,1–11); bei allen weiteren Mählern Jesu ist es ebenso vorausgesetzt, besonders natürlich bei der Feier des letzten Abendmahles (Mk 14,22–24 par; 1 Kor 11,23–26).
Die Segensgebete verdeutlichen, dass sich die göttlichen Gaben einem Zusammenspiel verdanken: Da ist die natürliche Quelle einerseits („Frucht der / des“) und der menschliche Einsatz auf der anderen Seite. Auch dieses Zusammenspiel ist biblisch grundgelegt: Der menschliche Anteil wird dabei unterschiedlich schweißtreibend entfaltet (vgl. Gen 3,17–19 gegenüber Ps 104,14). Immer wird betont, dass Wachstum durch den Menschen allein jedoch nicht machbar ist (vgl. Mk 4,26–28; 1 Kor 3,6f).
Im Segensgebet wird das Brot (und auch der Wein) vor das „Angesicht Gottes“ gebracht. Dies kann als Spur zum (Tempel-)Kult verstanden werden: Hier kommen das „Fest von der ersten Garbe“ (Lev 23,9–14) und die „Schaubrote“ (vgl. Ex 25,30; 40,23; Lev 24,5–9; 1 Sam 21,2–7) in den Sinn.
Schlussendlich kommt in beiden Gebeten zum Ausdruck, dass Brot und Wein zum „Brot des Lebens“ und zum „Kelch des Heiles“ werden. Ersteres ist neutestamentlich auf Jesus selbst zu beziehen, der sich in der Brotrede (Joh 6) als „Brot des Lebens“ zu erkennen gibt. Letzteres verweist auf 1 Kor 10,16 (und Ps 116,13), wo Paulus den „Kelch des Segens“ von den anderen Bechern beim Herrenmahl in Korinth unterscheidet.
2.2Biblische Gebetsanreden und Lobpreis
Die lobpreisende Anrede begegnet in der Bibel vor allem in der dritten Person: „gepriesen / gesegnet ist bzw. sei der Herr“. Diese Gebetsformel ist fester Bestandteil des religiösen Lebens im Alten Testament und im Judentum: Der biblische Mensch, der sein ganzes Leben in und aus der Hand des Schöpfers weiß, kann seinen Glauben, seine Dankbarkeit und seine Hoffnung am besten zum Ausdruck bringen, indem er Gott die Ehre gibt. Dabei kann Gott ganz unterschiedlich angesprochen werden: als „du“, als „Herr“ (2 Sam 22,2), als „Herr, mein Gott“ (2 Sam 7,18), als „Herr, der Gott Israels“ (1 Sam 10,18), als „Retter Israels“ (1 Sam 14,39) oder als „Herr, Gott unserer Väter“ (1 Chr 29,18).
Der betenden Person oder der betenden Gemeinschaft geht es um Dank und Lob, sie können aber auch in der Situation von Bedrohung und Gefährdung stehen, wenn sie sich in dieser Weise an Gott wenden. So findet sich diese Gebetsformel auch im Zusammenhang von Rettung und Bitten.
2.3Gott als Schöpfer und Geber von Brot und Wein
Dass Gott der Schöpfer der Welt ist, ist biblische Grundüberzeugung (Gen 1f; Ps 104). Die Wendung „Schöpfer der Welt“ findet sich allerdings selten und nur in der griechischen Übersetzung des Alten Testaments, in der sog. Septuaginta. Eher wird vom schaffend-schöpferischen Gott erzählt und berichtet, auf welche Art er handelt (z. B. Jdt 13,17f). Auch in der Gebetsanrede im Zusammenhang von Bitte und Dank wird Gott oft als „Schöpfer“ angesprochen. Dabei spielt die erflehte oder bejubelte Rettung vor den Feinden eine wichtige Rolle. Der Ausdruck „Schöpfer der Welt“ begegnet in 2 Makk 7,23 im Zusammenhang des Bekenntnisses zu Gott.
Gott ist nicht nur der Schöpfer des Großen und Ganzen, sondern Gott wirkt auch lebenserhaltend im Kleinen – Tag für Tag. Von Gott kommt, was alle Geschöpfe zum Leben brauchen. Auf Gottes Befehl bringt nicht nur die Erde Pflanzen hervor (Gen 1,11f), sondern Gott wird auch als Geber von Brot angesehen (z. B. Ps 127,2) und in die Pflicht genommen (z. B. Gen 28,20). Gegenüber der heidnischen Umwelt, die teils die „Muttererde“ als eigene Gottheit verehrte, betont das Alte Testament, dass bei der Versorgung der Geschöpfe mit Nahrung immer Gott im Hintergrund steht. Darüber hinaus gibt Gott Brot, und zwar das Manna als das „Brot vom Himmel“ (Ex 16,4; Neh 9,15; Ps 78,24). Nur der Vater, so Joh 6,32f, gibt das wahre Brot vom Himmel, das Jesus selber ist.
Auch Wein kommt von Gott. Während Brot das Überlebensnotwendige verkörpert, steht Wein für Luxus, Überfluss, Fülle und Festfreude. Fehlt der Wein, so ist dies gleichbedeutend mit der Abwesenheit von Freude und Jubel. Ein Hochzeitsfest ohne ausreichenden Wein hat den Namen nicht verdient, so wie es auch beim ersten Wunder Jesu in Joh 2,1–11 deutlich wird: Jesus sorgt durch die Verwandlung von Wasser in Wein für den entsprechenden Nachschub an Wein und hält damit die Festfreude in Gang. Andere Evangelien berichten von Jesus, der Festen und Weingenuss nicht abgeneigt ist, was ihm seine Gegner auch entsprechend vorwerfen (Mt 11,19 par Lk 7,34). Jesus feiert gern und dies meistens in gesellschaftlich nicht akzeptierten Runden: Zöllner, Sünder, Außenseiter (Mk 2,16; Lk 15,1f). Gerade in der Art, wie Jesus Mahl hält, wird konkret sichtbar: Die Königsherrschaft Gottes bricht an (Mk 1,15), sodass das endzeitliche Mahl Gottes (Jes 25,6–8) bereits im Hier und Jetzt aufblitzen kann, mitten im Alltag.
Bei der Gabenbereitung rufen Brot und vor allem Wein somit biblisch weitreichende Gedankenverknüpfungen wach....