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E-Book

Geburtstag mit Goethe

Eine Autobiographie

AutorJürgen M. Hofmann
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl136 Seiten
ISBN9783752882568
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis4,49 EUR
Nach kurzer Beschreibung seiner Herkunft und seiner Familie schildert der Autor, wie er in der DDR aufgewachsen ist, gelernt und studiert hat. Auch seine berufliche Tätigkeit, seine eigene Familie und der Bau eines Eigenheims sowie das Erleben der "Wende" hat er als persönliche Erfahrungen aufgeschrieben.

Jürgen Manfred Hofmann wurde 1949 in Zittau geboren. Nach dem Abitur studierte er Technische Gebäudeausrüstung an der TU Dresden. Als Diplomingenieur plante er haus- und versorgungstechnische Anlagen in Berlin, Ostsachsen und der Lausitz, leitete deren Montage und sorgte für den sicheren und störungsfreien Betrieb. Er ist mit einer Zahnärztin verheiratet, hat zwei erwachsene Söhne und lebt in einem Ort nahe seiner Geburtsstadt. Das Schreiben von Geschichten, Biographien und Sachtexten ist eins seiner Hobbies.

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Leseprobe

Von Onkeln, Tanten und Verwandten


Franz und Martha Wittig hatten drei Kinder. Der älteste 1908 geborene Sohn Bruno war Täschner von Beruf. Er lebt mit seiner Frau Ella und Sohn Gottfried in Neukirch/Lausitz, damals als Ort bekannt, wo feine Lederwaren, Töpferzeug und Hultzsch-Zwieback hergestellt wurden. Auch Gottfried (1930 geboren und übrigens mein Patenonkel) lernte Täschner und lebt in Neukirch. Seine Frau Ilse ist an Krebs verstorben, die Tochter Petra wohnt mit ihrer Familie in Neustadt/Sachsen. Auf Beschluss der Partei war eines Tages die Lederwarenproduktion in Neukirch nicht mehr nötig und der Bedarf an Koffern sollte allein durch einen Betrieb in Kindelbrück abgedeckt werden. Da traf es sich gut, dass das Kombinat FORTSCHRITT mit seiner Landmaschinenproduktion in Neustadt und Singwitz wegen in Aussicht stehenden Exporten an Kapazitätsgrenzen gestoßen war. In Neukirch wurde deshalb bald nicht mehr Leder, sondern Metall bearbeitet und aus Täschnern und Sattlern wurden Landmaschinenbauer. Die konnten ihrer neuen Tätigkeit sogar in der gleichen Werkhalle nachgehen. Gottfried fertigte nun anstelle feinster Herren-Geldbörsen Mähfinger für Erntemaschinen. Nicht sehr lange übrigens.

Die ebenfalls von der Partei jedem Investitionsgüter herstellenden Kombinat auferlegte Pflicht, auch Konsumgüter dem Handel anzubieten, und zwar in Höhe von fünf Prozent seiner Hauptproduktion, veranlasste das Kombinat Fortschritt, die Herstellung von Fahrrädern für die werktätige Bevölkerung und den Export aufzunehmen. Den Fahrradbau richtete Fortschritt im Neukirchner Betrieb ein. Diesen Produktionszweig übernahm nach der Wende Mehdi Biria, ein iranischen Unternehmer, und führte ihn erfolgreich weiter. Aus Altersgründen verkaufte er dann an eine USA-“Heuschrecke“, die Fondsgesellschaft Lone Star. Diese stellte 2006 nach Verstreichen der Schonfrist für die erhaltenen Fördermittel die Fertigung ein und schloss den Betrieb. Für Gottfried als Altersrentner war das allerdings nicht mehr von Belang.

Der andere Sohn von Martha und Franz Wittig wurde 1909 geboren, hieß Reinhold und war Maurer. Als er einmal in Mecklenburg arbeitete, verguckte er sich in eine Deern von dort, heiratete seine Anna kurz vor Kriegsende und wurde in Kittendorf bei Stavenhagen sesshaft. Ersteres habe ich vermutlich gelegentlich gehört, für letzteres kann ich mich verbürgen. Ihre Tochter Rita heiratete dann ihren zu diesem Zeitpunkt noch sehr jungen Lehrer Dr. Norbert Dehmel. Er ist 2016 an Krebs verstorben. Zwei Söhne, Holger und Jens, entstammen dieser Ehe. Dr. Dehmel wurde Dozent und Leiter des Lehrerbildungsinstituts Templin. In diesen, auch Pädagogisches Institut genannten Fachschulen bildete die DDR Unterstufenlehrer aus. Als Nachzügler wurde Reinhold und Anna um 1950 Sohn Eberhard geboren. Er ist mit Evelin verheiratet und lebt noch in Kittendorf; seine beiden Töchter in Nordrhein-Westfalen. Reinhold verstarb 1968 an Magenkrebs.

Gertrud war die Klassenbeste in der katholischen Schule. An eine Lehre war dennoch nicht zu denken. Wie die meisten der weiblichen Schulabgänger ging sie deshalb nach der achten Klasse „in Stellung“. Da hatte sie den Haushalt ihres ehemaligen Lehrers Ebermann zu führen. An Lohn erhielt sie acht Mark die Woche. Von ihrem ersten selbst verdienten Geld erfüllte sie sich ihren großen Traum und kaufte sich ein Paar Hausschuhe. Die folgenden Jahre verlieren sich im Dunkel von Erinnerungs- oder auch nur Erzähllücken. Weiter geht es erst 1932, als sich meine Mutter und mein Vater begegneten beziehungsweise näher kamen.

Elsa, die Halbschwester meines Vaters, heiratete Richard Trenkler. Von ihm weiß ich, dass er als Turner im „Rauch-, Ring-, Turn- und Gesangsverein“ eines benachbarten Dorfes mit seinen sieben Brüdern eine recht erfolgreiche Turnerriege gebildet hatte. Richard war Bauer und bewirtschaftete ein Gut in Burkersdorf. Richard und Elsa hatten drei Kinder: Tochter Ruth, verheiratete Fuchs, lebt in Zittau, Sohn Erhard (1926 – 2009) hatte als Stellmacher Haus und Werkstatt in Dittelsdorf (verwitwet, drei Söhne) und Tochter Isolde, die erst nach dem Krieg geboren wurde und drei Kinder haben soll. Einer von Richards Brüdern, Hermann, war Herrenschneider von Beruf und ist bis ins hohe Alter, klein und drahtig, sportlich aktiv geblieben. Um 1960 ist er noch mehrmals Dresdner Bezirksmeister der alten Herren im „Geräteturnen“ geworden. Während meiner Oberschulzeit haben wir beide gemeinsam, also mehr nur gleichzeitig, in der Zitttauer Hauptturnhalle Sport getrieben. Ich erinnere mich auch noch gut an gelegentliche Besuche mit meinen Eltern in seiner Zittauer Wohnung mit herrlichem Ausblick über die Dächer der Stadt und auf die beiden Gasometer an der Weststraße/Ecke Gasstraße.

Karl hatte eine weitere Schwester Gertrud. Sie war mit Willi Pollack verheiratet. Dieser starb trotz sehr gesunder, teils asketischer Lebensweise bereits mit 40 Jahren an Magenkrebs. Gertrud lebte mit dem gemeinsamen Sohn Hans in Dresden. Hans studierte (sozialistische) Betriebswirtschaft, heiratete Traudel und wurde Vater eines Sohnes. Er lebt in Dresden. Seine Mutter Gertrud wurde um 1960 in das psychiatrische Fachkrankenhaus Arnsdorf eingewiesen. Ihre letzten Lebensjahre verbrachte sie in dessen offener Abteilung im Schloss Königsbrück.

Nach der achten Klasse Volksschule ging Karl bei einem Hirschfelder Baumeister in die Lehre und wurde Zimmermann. Sein Gesellenstück sollte ein „Ellcher Bock“, also ein 60 cm hoher vierbeiniger Holzbock, sein. Dafür standen ihm lediglich vier Rundhölzer und ein Kantholz zur Verfügung; als Werkzeug war nur die Zimmermannsaxt erlaubt. Der erste Axthieb spaltete ein als Bein vorgesehenes Rundholz und machte es unbrauchbar. Die aufkommende Verzweiflung vertiefte ein schon erfahrenerer Mitprüfling, der die Holzreste kurzerhand auf den Feuerholzhaufen warf. Auf Rat des rabiaten Kollegen ging Karl zum Meister und behauptete treuherzig aber mit vollen Hosen, er hätte nur drei Rundhölzer für die vier Beine gekriegt. Die List klappte. Mit großer Sorgfalt entstand dann der Bock zur vollen Zufriedenheit der Prüfungskommission. Nach der Lehre ging Karl traditionsgemäß mit einem Kameraden auf Wanderschaft. Drei Jahre arbeiteten sie auf Baustellen in Hessen und Sachsen, immer mehr als 50 Kilometer von zu Hause entfernt. Am besten hat es ihm wohl in Leipzig, das Völkerschlachtdenkmal beeindruckte ihn gewaltig, und Frankfurt am Main gefallen. Nach der Walz fand er wieder Arbeit in Hirschfelde. Inzwischen wütete die Inflation im Nachkriegsdeutschland. Karl hatte eines Freitags seinen Wochenlohn erhalten – eine Billion Mark! Auf dem Heimweg über den Hirschfelder Marktplatz konnte er eine Tafel entdecken, worauf mit fetten Kreidebuchstaben geschrieben stand: „1 Billion = 1 Rentenmark“. Die Inflation war vorüber und er hatte eine ganze Woche für eine Mark gearbeitet.

Üblicherweise ruhten im Winter die Arbeiten auf den Baustellen. Karl ging deshalb mit anderen Zimmerleuten und Maurern zum Holzfällen in die Wälder des Reibersdorfer Grafen von Einsiedel.

Beizeiten hatte Karl im dörflichen gesellschaftlichen Leben mitgemacht. Er war im örtlichen Gesangsverein, mit seiner Taubenzucht im Geflügelzüchterverein und natürlich bei der Freiwilligen Feuerwehr. Außerdem hatte er Geigespielen gelernt. Bald wurde er Leiter der Feuerwehrkapelle, die als einziges „Orchester“ des Dorfes bei jeder Gelegenheit zu spielen hatte, sei es als Platzkonzert, sei es zum Tanz. Bei den gelegentlichen Umzügen durch das Dorf machte sich allerdings die empfindliche Geige schlecht und Karl lernte deshalb noch Klarinette. Die von seinem Großvater Wilhelm geerbte Geige hielt er bis zu seinem Tode in Ehren und hat bis zuletzt darauf musiziert. Mit ein paar letzten Zeilen, seinem Testament, verfügte er, dass die Geige sein Enkel Sebastian und die Klarinette Enkel Alexander erben sollen.

Aus den wenigen überlieferten Erzählbruchstücken konnte ich mir zusammenreimen, dass er im Herbst 1932 als Kapellmeister mit seiner Feuerwehrkapelle oder einfach als Gast zur Kirmst (Tanzvergnügen zur Wiederkehr der Kirchweihe) im benachbarten Seitendorf war. Dort traf er Gertrud. Ob erstmals, wiederholt oder schon verabredet, darüber sprach man nicht - schon gar nicht mit uns Kindern. Diese Zusammentreffen werden schon Probleme verursacht haben oder sie waren erwartet worden, schließlich war Karl schon „wer“, relativ gut aussehend, evangelisch und aus dem Nachbardorf; Gertrud hingegen nur jung, in Stellung und vor allem katholisch! Dennoch fand im April des folgenden Jahres dann die Hochzeit mit einer hochschwangeren Braut in der evangelischen Kirche statt.

Die jungen Eheleute zogen zu Karls Eltern und der Großmutter, zu den Tauben, Ziegen und Hühnern nach Dornhennersdorf. Da machte es sich gut, dass Karls Schwestern schon aus dem Haus waren. Ende Juni kam Helmut Karl zur Welt. Gertrud hatte sich nun nicht nur um Haus und Feld zu kümmern, sondern auch um das Kind und dessen Großeltern. Karl war von früh bis spät auf den Baustellen und nur am Sonntag zu Hause. Nachdem drei Jahre später innerhalb einer Woche seine Mutter und Großmutter gestorben waren, lebte auch Vater Oswald nicht mehr lange. Karl...

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