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Die Marken-Macher: Wie die deutsche Werbebranche erwachsen wurde

AutorRalf Nöcker
VerlagFrankfurter Allgemeine Zeitung GmbH
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl176 Seiten
ISBN9783962510305
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Kreative Macher und ihre Kampagnen 'Quadratisch praktisch gut' oder 'Haribo macht Kinder froh': Werbeslogans wie diese sind wohl jedem bekannt und gehören zu den unvergesslichsten Kampagnen der deutschen Werbebranche. Doch wer steckt hinter den Slogans und sind die 'Marken-Macher'? Und wie hat sich das Marketing durch Internetwerbung verändert? In die 'Marken-Macher' blickt der Geschäftsführer der GWA und Wirtschaftsredakteur der F.A.Z Ralf Nöcker auf die Pioniere der deutschen Werbebranche zurück. Anhand von persönlicher Erlebnisse, gespickt mit lustigen und spannenden Anekdoten wird aufgezeigt wie sich Werbung und Agenturen entwickelt haben. Nöcker geht bis zu den Ursprüngen deutscher Werbung zurück und macht den Sprung zur heutigen TV Werbung und Online Werbung. •Für Werbeagenturen, Marketingverantwortliche und alle die Werbung machen •Mit bisher unveröffentlichten Hintergründen der deutschen Wirtschaftsgeschichte

Ralf Nöcker, Jahrgang 1965, startete seine Laufbahn nach BWLStudium und Promotion als Wirtschaftsredakteur bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, wo er unter anderem auch über Werbung und Agenturen berichtete. 2007 erfolgte der Wechsel zur Unternehmens- und Personalberatung Kienbaum, wo er die Unternehmenskommunikation leitete. Seit Frühjahr 2009 ist Nöcker Geschäftsführer des Gesamtverband Kommunikationsagenturen (GWA) mit Sitz in Frankfurt und Berlin. Er ist Autor zahlreicher Beiträge und Bücher zum Thema Werbung, unter anderem von 'Vom Pitch zum Award' im Frankfurter Allgemeine Buchverlag.

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Leseprobe

3.Werbung in Deutschland – die Geschichte in O-Tönen


3.1Die fünfziger und sechziger Jahre


Lothar Leonhard: Die Agenturszene war in den sechziger Jahren sehr stark inhabergeprägt. Da gab es Leute wie Troost, Hegemann, William Wilkens beziehungsweise dessen Söhne, Eggert, Heumann und andere. Als internationale Agentur hatte man da so seine Schwierigkeiten, die Unternehmer hatten Zweifel, ob sie hier die gleiche Qualität bekommen – ‚können die so etwas überhaupt?‘. Teilweise kam es zu Situationen, in der eine internationale Agentur nicht zum Zuge kam, obwohl sie besser präsentiert hatte als die bisher betreuende Inhaberagentur. Dann hat der Auftraggeber ‚seiner‘ Inhaberagentur eben gesagt, er solle die Ideen der internationalen Agentur umsetzen.

Ingo Krauss: Der These, mit GGK1 habe die Kreativität in die Werbung in Deutschland Einzug gehalten, möchte ich entschieden widersprechen. Ich bin 1968 zu Young & Rubicam gekommen, und das war damals bereits eine hoch kreative Agentur im Printbereich. Fernsehwerbung hatte damals ja noch keine so große Bedeutung. Young & Rubicam und DDB waren die ersten Kreativagenturen in Deutschland. Dann erst kam GGK.

Wie in einigen anderen Branchen auch wird in der Werbung abgekürzt, was das Zeug hält. Viele Agenturen firmieren unter den Initialen ihrer Gründer, wobei es wahrscheinlich nicht abwegig ist anzunehmen, dass nicht alle Mitarbeiter dieser Agenturen wissen, wofür diese Initialen eigentlich stehen. Dem kann abgeholfen werden: „BBDO“ steht für die Herren Batten, Barton, Durstine und Osborn, „DDB“ für Doyle, Dane und Bernbach, „TBWA“ für Tragos, Bonnange, Wiesendanger und Ajroldi. Interessant dabei, dass sich hier ein Grieche, ein Franzose, ein Schweizer und ein Italiener zusammengetan haben, um eine Agentur zu gründen. „FCB“ steht für Foote, Cone & Belding. Das Kürzel, unter dem die Werbeholding „WPP“ firmiert, hat auf den ersten Blick nichts mit Werbung zu tun, ausgeschrieben heißt das Unternehmen „Wire and Plastic Products“. Die Firma hatte eigentlich Einkaufskörbe hergestellt, bevor Sir Martin Sorrell sie der Börsennotierung wegen übernahm und zum heutigen Kommunikationskonzern ausbaute. Im deutschsprachigen Raum ist der Hang zur Abkürzung nicht ganz so verbreitet, hier werden die Namen der Gründer lieber ausgeschrieben. Es gibt aber natürlich Ausnahmen. Die Agenturgründer Gredinger, Gerstner und Kutter nannten ihre Firma „GGK“, „BMZ“ stand für Baums, Mang, Zimmermann, „MWI“ für Markenwerbung International. Und manchmal hat die Abkürzung gar nichts mit den Namen der Gründer zu tun. „Lintas“ steht für „Lever International Advertising Services“, „WEFRA“ steht schlicht für „Werbeagentur Frankfurt“.

Andreas Grabarz: Young & Rubicam war eine der Stammzellen der deutschen Agenturszene. Viele der heutigen Agenturen haben eine ähnliche DNA, das ist alles dieselbe Mischpoke. GGK und später Springer & Jacoby waren weitere Stammzellen der kreativen Werbung in Deutschland. Wir selbst gehören nicht in diesen Stammbaum. Diese Agenturen, später auch noch Jung von Matt, haben Standards gesetzt. Außerdem haben sie eine Schneise geschlagen, von der wir dann auch profitiert haben, sie haben das Eis auch für uns gebrochen. Es gab viele Kunden, die auch so eine Agentur haben wollten, und weil wir ähnlich aufgestellt waren, sind die dann zu uns gekommen.

Lothar Leonhard: Die Rolle der Agenturen war in den fünfziger und sechziger Jahren noch eine völlig andere als heute. Das Geschäft war sehr personenfixiert. Die Inhaber der Unternehmen sprachen selbstverständlich mit den Inhabern der Agenturen.

Thomas Meichle: Der Status der Werber war früher ein anderer als heute. Sie galten als ‚Gurus‘.

Jürgen Stöhr: Ich war ein guter Leichtathlet, spielte Fußball in der A-Jugend bei Eintracht Frankfurt und Schach. Ich studierte BWL. Das war Mitte der sechziger Jahre. Meine Vorliebe galt damals den berühmten Vorlesungen von Carlo Schmidt über Machiavelli. Nach dem Studium wollte ich eigentlich zurück zu Mannesmann, wo ich vor dem Studium eine kaufmännische Lehre absolviert hatte, bin dann aber dem Lockruf Rudolf Stilckens, der leider vor wenigen Wochen gestorben ist, gefolgt und bei der Agentur Brose & Partner, später Benton & Bowles in Frankfurt, gelandet.

Georg Baums: Große Bedeutung hatte in den fünfziger Jahren in Düsseldorf die Agentur des Ehepaars Troost. Da haben 200 Leute gearbeitet, Henkel war ein wichtiger Kunde. Troost hat Persil neu positioniert. Ein weiterer großer Name wurde Werbe-Gramm. Kunden waren hier HB und BMW, damals noch ein relativ kleines Unternehmen. Für HB hat Gramm den TV-Spot ‚Wer wird denn gleich in die Luft gehen‘ erfunden. In den sechziger Jahren hat dann TEAM die Agentur Troost als eine der ersten kreativen Adressen abgelöst.

Jürgen Stöhr: Einmal im Monat besuchte ich Hubert und Grete Troost in ihrem Haus in Strümp bei Düsseldorf. Da lagerte er in riesigen, temperierten Kellerräumen Schätze zeitgenössischer Kunst. Dort traf ich immer wieder Vilim Vasata, der leider in diesen Tagen verstarb. Auch Hubert Strauf war oft zu Gast. Und regelmäßig kam es zum Streit zwischen Troost und Strauf, spätestens, wenn ein bestimmter Alkoholpegel im Blut überschritten war. Dann wurde es laut und auch nicht selten beleidigend. Es ging dabei immer um dieselbe Frage: Wer von beiden Adenauer als erster beraten hatte. Total unwichtig! Nicht für die beiden. Immer wieder haben sich diese beiden großen Männer der Werbung in Rage geredet, obwohl die sogenannten Gründe und Fakten immer die gleichen waren.

Georg Baums: In der Frühzeit der deutschen Nachkriegs-Werbung haben merkwürdigerweise nicht wenige Mediziner in Agenturen gearbeitet. Vielleicht kamen sie durch die Pharmaindustrie in dieses seltsame Gewerbe. Und bei den Anzeigenvertretern fanden sich Generäle a.D. Das lag wohl an dem forschen und eindrucksvollen Auftreten und dem Netzwerk, dass sie immer noch hatten.

Jürgen Stöhr: Dr. Hanns W. Brose war ein barocker Typ, ein echtes Unikum. Er scheute sich nicht, mit dem zweiten Mercedes 300, der vom Band gelaufen war – der erste war Konrad Adenauer vorbehalten –, zu VW nach Wolfsburg gefahren zu werden. Als Professor Dr. Nordhof, der damalige Vorstandschef, erfuhr, dass sein Gast im Mercedes 300 vorgefahren war, ließ er den Termin sofort absagen. H. W. Brose fuhr unverrichteter Dinge zurück nach Frankfurt. Glauben Sie nicht, dass er bei zukünftigen Geschäftsbesuchen auf seinen geliebten Mercedes verzichtete. Genau so wenig auf seinen Chauffeur ‚Heini‘ in hellblauer Livrée. H. W. Brose war Ostpreuße. Und er fror leicht. So kam es, dass er im Hochsommer in geheizten Räumen saß, im dicken Flanellanzug und darunter, um nicht zu frösteln, einen Kaschmirpullover. Brose war auf eine barocke und verquaste Art ein hervorragender Netzwerker. So war er beispielsweise gut bekannt mit Ludwig Erhard, der nicht selten auch in der Freiherr-von-Stein-Straße, dem Brose-Sitz, vorbeischaute. Doch zur ‚blauen Stunde‘ schaffte er es nie. Und das war gut so.

Ingo Krauss: Networks gab es auch in den sechziger Jahren schon, allerdings waren diese Agenturen nicht so groß und bedeutend wie in späteren Jahren. Ansonsten prägte eine große Zahl von Inhaberagenturen den Markt, an die sich heute kein Mensch mehr erinnert. Agenturen, die damals große Namen hatten – Eggert in Düsseldorf, Bläse in Stuttgart – sind in der Versenkung verschwunden. Die Amerikaner haben dann einige dieser Agenturen übernommen. Heumann ging an Ogilvy, TEAM wurde von BBDO übernommen.

Lothar Leonhard: Kreativität hatte längst nicht den hohen Stellenwert, den sie später bekam und bis heute noch immer hat. Es ging mehr um Problemlösungen, nicht so sehr um spektakuläre Ideen. Man kannte den Kunden und hat Dinge getan, die für ihn richtig waren.

Michael Conrad: DDB Düsseldorf und Young & Rubicam Frankfurt waren zu Beginn meiner Laufbahn, 1968, die kreativ führenden Agenturen.

Lothar Leonhard: Damals gab es auch noch Provisionsverträge, und man bekam tatsächlich noch 15 Prozent AE. Erst in den siebziger Jahren änderte sich das, nachdem Kai Hiemstra mit seiner Mediaagentur das Mediageschäft komplett verändert hatte.

„15 Prozent AE“ – das war die offizielle Währung für Agenturleistungen in den goldenen Zeiten der Werbung. „AE“ steht dabei für „Annoncen-Expedition“ und entstammt also der...

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