Zulehner, Paul M.: Weltweiter differenzierter Support ProPopeFrancis
Paul M. Zulehner: em Prof. für Pastoraltheologie an der Universität Wien. Mit Tomáš Halík Initiator der Aktion ProPopeFrancis (Österreich)
Papst Franziskus ist fünf Jahre im Amt. Er setzt nicht nur Zeichen. Er bewegt die Kirche. Er arbeitet synodal. Die Bischofskonferenzen wertet er auf. In Evangelii gaudium zitiert er vierzig Mal Ortskirchen und ihre Bischöfe.
1 Das Hirtenwort der argentinischen Bischöfe hebt er in den Rang des authentischen Lehramts.
Er erneuert die Pastoralkultur. Manche fragen, ob der Papst rechts oder links steht. Antonio Spadaro vermerkt dazu: Die Alternative passt nicht. Was zutrifft: Er ist kein Ideologe, sondern ein Hirte. Sein pastorales Handeln wird vom Prinzip der Barmherzigkeit geleitet. Diese ist das Innerste Gottes, daher auch das Wesen des Volkes Gottes.
Nicht allen gefällt dieser Kurs der Kirche. Widerstand hat sich formiert. Manche werfen dem Papst vor, vom rechten Weg abzuweichen. Er sei ein Häretiker. Für die Medien sind diese Auseinandersetzungen „good news”. Der Papst hat hohe Sympathien. Das macht ihn für die Medien unangreifbar. Aber nun können sie Papst Franziskus kritisieren. Der Protest weniger Kardinäle, Bischöfe und Theologinnen/Theologen hatte großen Widerhall in den Medien. Der Papst sei angezählt. Seine Absetzung stehe bevor.
Aber die Gruppe derer, welche lautstark Widerstand leisten, ist überschaubar. Die Zahl der Unterstützer hingegen ist mit Sicherheit größer, außerhalb wie innerhalb der Kirche. Aber sie blieben bislang in der Öffentlichkeit unsichtbar. Tomáš Halík aus Prag und ich haben uns entschieden, die breite Unterstützung des Papstes in der Weltkirche sichtbar zu machen. Dazu haben wir eine Aktion gestartet. Sie hat klein begonnen, ein Offener Brief wurde verfasst, in acht Sprachen auf eine Homepage gesetzt, es wurde um Unterstützung ersucht. Dann hat sich das Projekt im Gehen weiterentwickelt. Theologinnen und Theologen aus aller Welt wurden eingeladen, theologische Essays zu Themen zu verfassen, die im Pontifikat von Papst Franziskus wichtig sind. Über 150 Essays sind eingelangt. Sodann wurde für die über 70.000 Unterstützenden eine Online-Umfrage eingerichtet. Diese wurde zusätzlich öffentlich zugänglich gemacht. Auch hier ist die Beteiligung hoch.
Der offene Brief an Papst Franziskus
Am Beginn stand also der Offene Brief. Dieser hatte folgenden Wortlaut:
Hochgeschätzter Papst Franziskus!
Ihre pastoralen Initiativen und deren theologische Begründung werden derzeit von einer Gruppe in der Kirche scharf attackiert. Mit diesem öffentlichen Brief bringen wir zum Ausdruck, dass wir für Ihre mutige und theologisch wohl begründete Amtsführung dankbar sind.
Es ist Ihnen in kurzer Zeit gelungen, die Pastoralkultur der katholischen Kirche von ihrem jesuanischen Ursprung her zu reformieren. Die verwundeten Menschen, die verwundete Natur gehen Ihnen zu Herzen. Sie sehen die Kirche an den Rändern des Lebens, als Feldlazarett. Ihr Anliegen ist jeder einzelne von Gott geliebte Mensch. Das letzte Wort im Umgang mit den Menschen soll nicht ein legalistisch, sondern ein barmherzig interpretiertes Gesetz haben. Gott und seine Barmherzigkeit prägen die Pastoralkultur, die Sie der Kirche zumuten. Sie träumen von einer „Kirche als Mutter und Hirtin”. Diesen Ihren Traum teilen wir.
Wir bitten Sie, von diesem eingeschlagenen Weg nicht abzuweichen, und sichern Ihnen unsere volle Unterstützung und unser stetes Gebet zu.
Die Unterzeichnenden
Diesen Offenen Brief setzten wir in zwölf Sprachen auf die Homepage
www.pro-pope-francis.com und warben um Unterstützung. In kurzer Zeit trugen sich über 70.000 Personen als „supporters” (Unterstützende) ein: die Aktion läuft noch, die Zahl wächst.
Eine ansehnliche Auswahl von herausragenden Persönlichkeiten wurde auf der Homepage in eine Bildergalerie gesetzt. Die Bilder wurden mit persönlichen Testimonials unterlegt. Um nur einige Persönlichkeiten zu nennen:
•Ackermann, Sr. Lea: Gründerin von SOLWODI, Boppard-Hirzenach (Deutschland)
•Berthold, Martina: Mitglied der Landesregierung Salzburg (Österreich)
•Buttiglione, Rocco: Europaminister 2001–2005 (Italien)
•Klasnik, Waltraud: Landeshauptfrau a.D., seit 2010 Opferschutzbeauftragte der katholischen Kirche Österreich (Österreich)
•Lobinger, Fritz: emeritierter Bischof von North-Aliwal (Südafrika)
•Malý, Václav: Weihbischof in Prag (Tschechien)
•Prata de Carvalho, Diamantino: emeritierter Bischof von Campanha (Brazilien)
•Sólyom, László: Staatspräsident Ungarns von 2005–2010 (Ungarn)
•Taylor, Charles: Professor emeritus of Philosophy, Montreal (Canada)
•Thiel, Marie-Jo: Professeure des Université de Strasbourg, présidente de l’Association européenne de théologie catholique (France)
•Várszegi, Asztrik OSB: Titularbischof, Abtpräses, Erzabt von Pannonhalma (Ungarn)
Interkontinentales Netzwerk
Die Unterstützenden des Offenen Briefes bekunden Sympathie. Das ist ein emotionaler Vorgang. Emotionen zählen in unserer Welt viel. Dem Gefühl des angeblich breiten Widerstands wächst eine breite Unterstützung entgegen.
Es sollte aber nicht bei der emotionalen Unterstützung bleiben. Gefühl und Vernunft sollten vernetzt werden. Dazu bot die Unterschriftenaktion im Netz eine exzellente Möglichkeit. Unter der großen Zahl der Supporters waren nämlich viele Persönlichkeiten, die an Universitäten arbeiten oder im öffentlichen Leben eine führende Position haben. Diese haben wir herausgefiltert. Über 1.720 Personen gelangten so auf eine Spezialliste der „Signatories” (Unterzeichnenden)
2.
Ende 2017 wurden diese Persönlichkeiten angefragt, ob sie nicht einen theologischen Beitrag zu Papst Franziskus schreiben möchten. Dabei sollte es weniger um die Person des Papstes gehen. In den Mittelpunkt wurde der Kurs gerückt, den er der katholischen Weltkirche zumutet. Mit folgenden Zeilen wurde die Einladung an die Expertinnen und Experten ausgesprochen:
Geschätzte!
Der Offene Brief an Papst Franziskus hat uns als Theologen/Innen und theologisch Interessierte interkontinental vernetzt. Damit ist uns für theologische Arbeit in der Kirche ein großer Schatz geschenkt worden.
Wir, Tomáš Halík und Paul M. Zulehner, verstehen die spontane Entstehung eines informellen Netzwerks von Theologen als Zeichen der Zeit und zugleich eine Herausforderung und Chance. Papst Franziskus öffnete mit seinem pastoralen Stil und seinen theologischen Impulsen einen Raum der Hoffnung. Wir sind davon überzeugt, dass dies eine Gabe und zugleich Aufgabe für uns Theologen/Innen ist.
Wir schlagen vor, eine Sammlung von Essays über die Vision der Kirche der Zukunft als Buch unter dem Arbeitstitel “Wir teilen diesen Traum” zu sammeln und zu veröffentlichen. (Der Arbeitstitel bezieht sich auf den Satz in unserem Brief: „Sie [Papst Franziskus] träumen von einer ‚Kirche als Mutter und Hirtin‘. Diesen Ihren Traum teilen wir.”)
Bei der Realisierung des Traumes des Papstes stellen sich drei Fragen, die von Gaudium et spes ausgehen und bei Lumen gentium ankommen:
1. Welches sind die „Zeichen der Zeit”, welche die Kirche in Ihrem Land, in Ihrer Region, auf Ihrem Kontinent herausfordern?
2. Welchen Beitrag kann und soll die Kirche zur Bewältigung der Herausforderungen leisten?
3. Welche Entwicklung der Kirche (auf Ihrem Kontinent) ist erforderlich, damit die Kirche angesichts der Herausforderungen der Zeit im Sinn des Evangeliums handlungsfähig ist?
Wir möchten Sie gewinnen, dies in einem kompakten Text (10–15 Seiten maximal, kann durchaus auch kompakter sein) darzustellen. Geben Sie uns bitte bis 15. Dezember Nachricht, ob Sie an diesem Projekt mitmachen möchten. Lassen Sie uns für den Text selbst eine Deadline mit 1. März 2018 setzen.
Das Ziel wird dann sein, diese Texte zu „synchronisieren”. Wie das geschehen wird, hängt von der – wie wir hoffen – auch von Ihrer engagierten Teilnahme ab.
Mit herzlichen Grüßen aus Prag und Wien, Tomáš (Halík) und Paul (M. Zulehner)
Viele der Angefragten haben sich zur Mitarbeit bereit erklärt. Nunmehr liegen 150 Texte vor. Von sechs Personen sind zwei Texte vorhanden. Die Beiträge werden in diesem E-Book ungekürzt dokumentiert. Die Texte sind alphabethisch nach dem Familiennamen der Autorinnen und Autoren geordnet. Mein Beitrag ist der Versuch, die vielfältigen Ideen zu „synchronisieren”.
Die Beiträge kommen aus aller Welt, vorrangig aus Europa (Osteuropa 14, Westeuropa 111), aber auch aus Asien (5), Lateinamerika (5) und Nordamerika (10). Sie sind aus 20 verschiedenen Ländern. 20 Beiträge sind von Autorinnen, 114 von Autoren. Bei zwei Texten haben Frauen und Männer kooperiert. Unter den Teilnehmenden sind 78 Theologinnen und Theologen.
Tabelle 1: Steckbrief der Autorinnen und...