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E-Book

Kirche, öffne dich!

Hat die Kirche noch Zukunft? Was sich ändern muss.

AutorHarald Glööckler
VerlagGerth Medien
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl200 Seiten
ISBN9783863348007
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis17,99 EUR
Er gehört zu den schillerndsten Persönlichkeiten Deutschlands: Kaum ein anderer ist so bekannt für Glamour und spektakuläre Auftritte wie der 'Prince of POMPÖÖS' Harald Glööckler. Doch er hat auch eine unbekanntere Seite: Wie so viele glaubte Harald Glööckler als Kind an Gott - doch ein unsensibler Pfarrer schreckte ihn ebenso davon ab, diesen Gott in der Kirche zu suchen, wie so mancher Kirchgänger, der Wasser predigte und Wein trank. Und so suchte er sich seinen ganz eigenen Weg zum Glauben. Dennoch ist er überzeugt: Die Kirche hat die beste Botschaft der Welt und könnte unzähligen Menschen Halt und Hoffnung bieten - sie müsste sich nur endlich besser verkaufen. Und wenn jemand weiß, wie das geht, dann Harald Glööckler! Lassen Sie sich von seinen ebenso herausfordernden wie überzeugenden Ansätzen überraschen. Die Kirche hat die beste Botschaft der Welt - sie müsste sie nur endlich besser verkaufen! Wir brauchen eine Kirche, die uns auffängt, wenn wir stürzen, die uns hält, wenn wir stolpern, die uns wärmt, wenn wir an der Kälte der Welt frieren, die uns zu essen gibt, wenn wir hungern, und die uns umarmt, wenn wir versagt haben. Harald Glööckler

Harald Glööckler wurde 1965 in Zaisersweiher geboren. Nach einer Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann gründete er 1987 sein erstes eigenes Mode-Geschäft mit Partner Dieter Schroth in Stuttgart. Er wurde durch seine Mode und seine Auftritte im Teleshopping und diversen Dokus über sein Leben in Deutschland und England bekannt. Heute designt er Mode, Kosmetik, Taschen, Häuser und vieles mehr und vertreibt seine Produkte wie z.B. Tapeten in über 80 Ländern. Er ist auch als Motivationscoach, Maler und Skulpteur tätig. Sein Credo: Jede Frau ist eine Prinzessin. 2009 rief er den mit 5.000 Euro dotierten Harald Glööckler Angel Award ins Leben, mit dem er jedes Jahr Frauen ehrt, die sich durch Menschlichkeit und soziales Engagement hervorgetan haben.

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Leseprobe

Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt.

ROSA VON PRAUNHEIM (* 1942), DEUTSCHER FILMREGISSEUR UND AUTOR

Kapitel 3:
Homosexualität und Kirche

eboren in eine Familie, in der Terror und Gewalt herrschten, hat es für mich als Kind keinerlei Halt und Stütze gegeben. Ich war, solange ich denken kann, völlig auf mich allein gestellt, wie eine zarte Pflanze im Sturm. Das war mein Start in dieses Leben.

Dass ich mir dann in relativ jungen Jahren, genauer gesagt mit circa zehn, auch noch gewahr wurde, dass ich mich mehr zu Männern als zu Frauen hingezogen fühlte, machte das Ganze nicht gerade einfacher. Homosexualität war für mich damals noch kein Begriff. Im Volksmund nannte man es „schwul“, das trug für mich auch nicht zur Klärung bei. Doch den Reaktionen der Leute oder dem Verschweigen des Themas nach zu folgern, schien es etwas zu sein, was irgendwie abnorm, um nicht zu sagen krank war.

Also türmte sich durch diese Erkenntnis das nächste Problem für mich auf, mit dem ich auch wieder völlig auf mich allein gestellt war. Denn wen bitte hätte ich denn in einem kleinen, verträumten Ort in den Siebzigerjahren darauf ansprechen sollen?

Die Einzige, die ich vielleicht hätte um Rat fragen und auf deren Verständnis ich hätte hoffen können, war meine Großmutter mütterlicherseits, eine sehr aufgeschlossene, aufgeweckte Frau mit sehr modernen Ansichten. Allerdings traute ich mich das nicht. Meine Mutter wiederum war zu sehr in ihre eigenen Probleme verstrickt, als dass ich ihr auch noch mit dieser Sache auf die Nerven gehen wollte. Und mit einem Vater, der von Beruf Metzger und ein Macho vor dem Herrn war, war es nicht gerade einfach, seine eigene empfindsame Seite als gegeben zu akzeptieren, geschweige denn nach außen zu kehren.

Wenn man in einem kleinen Ort lebt, in dem jeder jeden kennt, bleibt nahezu nichts unbemerkt. Dafür sorgten auch schon die bereits erwähnten Damen des Ortes, die so fleißig die Kirche frequentierten und die Moral verwalteten, indem sie nicht nur alles wussten, sondern auch direkt weitertratschten. Wenn man nun also feststellt, dass man anders ist als der Rest, und in meinem Fall homosexuell, hat man erst mal ein Problem. Besser gesagt mehrere Probleme.

Nun muss man sich vor Augen halten, dass wir heute in einer Gesellschaft leben, die ziemlich aufgeklärt ist. Doch meine Geschichte spielte sich vor 30 Jahren ab. Damals war noch der berüchtigte Paragraf 175 in Kraft, nach dem sexuelle Handlungen unter Männern strafbar waren. Man war automatisch zu einem Verbrecher abgestempelt, was dazu führte, dass man natürlich versuchte, das Ganze möglichst geheim zu halten.

Wenn man das nun im Zusammenhang mit meiner ohnehin bereits katastrophalen Situation im Elternhaus sieht, von wo ich keinerlei Verständnis erwarten konnte, kann man sich vorstellen, was das in einem jungen Mann auslöst.

Mit 16 Jahren suchte ich die Hilfe einer Psychologin und geriet an eine ältere Dame, die offensichtlich ihren Doktor in der Nazizeit gemacht haben muss. Diese Dame offerierte mir, Homosexualität sei eine Krankheit und heilbar. Ich solle mir eine Freundin suchen und mir diese perversen und sündigen Gedanken aus dem Kopf schlagen, dann ginge das schon vorbei. Dass ich auf weitere Besuche bei dieser Ärztin verzichtete, muss ich wohl nicht weiter erwähnen.

Das wäre spätestens der Punkt gewesen, an dem ich einen Seelsorger gebraucht hätte, mit dem ich offen über dieses Thema hätte sprechen können. Eine Kirche, in der ich mich aufgenommen, umarmt, verstanden und so akzeptiert gefühlt hätte, wie ich bin. Bei der ich Halt gefunden hätte, aufgefangen in einem weichen Kokon von Verständnis, Liebe und Fürsorge.

Aber genau hier versagte die Kirche an mir, und sie versagt noch immer jeden Tag an vielen Tausend Menschen, denen es ähnlich geht wie mir damals. Statt Liebe und Fürsorge walten zu lassen, schwingt sie nach wie vor nur das Zepter der Moral. Beurteilt und verurteilt, anstatt Verständnis zu üben.

Homosexuelle Handlungen sind eine Sünde – zumindest aus Sicht der katholischen Kirche. Inzwischen wurde Homosexualität aber als Veranlagung eingestuft. Wie kann eine Veranlagung jedoch eine Sünde sein?

Der frühere Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit, sagte einmal: „Ich bin schwul, und das ist gut so!“ Ich persönlich sehe das anders. Es ist weder gut noch schlecht, homosexuell zu sein – es ist eine Realität, die man sich nicht aussuchen kann, sondern mit der man konfrontiert wird.

Man hat nicht die Möglichkeit der Wahl: „Oh, was für eine Sexualität nehme ich denn mal an, werde ich homosexuell, bisexuell oder heterosexuell?“ – als wäre das eine Frage wie: „Trage ich nun den schwarzen Anzug oder den roten?“

Nein, es ist eine Tatsache, der man sich stellen muss. Gott macht keine Fehler, und wenn wir als gläubige Christen davon ausgehen, dass Gott allmächtig ist und er Homosexualität verurteilen würde, dann wäre diese nicht existent. Und kommen Sie mir jetzt nicht mit dem alten Kirchenmärchen, es sei nicht Gott, der dafür verantwortlich sei, sondern der Teufel, welcher uns verführt habe. Mich hat niemand zu irgendetwas verführt. Ich war einfach ein unschuldiger Junge, der feststellte, dass er auf Männer steht.

Vom Teufel verführt sind wohl eher Leute, die sich als gute Christen betrachten, aber sich über andere stellen, sie richten und sie beschämen. Ich bin kein Theologe, aber ein guter Christ sollte nach allem, was ich weiß und von der Bibel verstanden habe, ein Leben geleitet von Liebe und Demut führen. Sich der eigenen Fehlbarkeit und seiner Unzulänglichkeiten bewusst, wird er für seine Mitmenschen jederzeit Verständnis aufbringen und in jeder Lebenslage helfen, wo es nötig ist.

Wie aber kann man das von Gläubigen erwarten, wenn die Kirche hier versagt, statt den Begünstigten – ich sage bewusst nicht Betroffenen, denn wer sagt denn, dass es etwas Schlechtes ist? – zu helfen? Damit meine ich den Homosexuellen und seine Angehörigen, denn gerade sie bedürfen der Hilfe und Zuwendung. Oft leiden sie unter der Angst vor den möglichen Reaktionen der Gesellschaft, sind beschämt, verunsichert und verängstigt. Hier wäre Seelsorge vonnöten, aber zumeist nicht denkbar, da die Kirche in gerade dieser Angelegenheit nicht als der richtige Ansprechpartner erscheint. So ähnlich erging es ja auch mir.

Es würde der Kirche gut zu Gesicht stehen, sich an ihre seelsorgerischen Pflichten zu erinnern und Homosexualität als das anzuerkennen, was sie ist, als eine Realität, eine Form der Sexualität, die genauso gottgegeben ist wie Heterosexualität. Sie sollte Homosexuellen und ihren Angehörigen beistehen, um die von den im Übrigen zumeist von den Kirchen geprägten und geschürten Vorurteilen und Verurteilungen zu revidieren und in der Gesellschaft zu eliminieren.

Die evangelische Kirche ist da erfreulicherweise zumindest in Teilen fortschrittlicher und offener als die katholische. So entschied die Landessynode der Rheinischen Kirche 2016, in Zukunft Trauungen homosexueller Paare mit der Ehe gleichzustellen. Die Landeskirche will künftig alle Partnerschaften gleich behandeln. Es kommt nicht mehr darauf an, ob homo oder hetero, sondern darauf, ob die Paare Verlässlichkeit, Verbindlichkeit und Verantwortung leben. Weil Gott bei den Menschen keine Rangfolge kennt, darf aus meiner Sicht auch die Kirche keine Unterschiede machen. Auch der Katechismus fordert im Übrigen: „Keine Diskriminierung.“

Es ist daher nur konsequent, dass die Kirche den Paaren, die in den letzten 15 Jahren die gottesdienstliche Begleitung in Anspruch genommen haben, die nachträgliche Anerkennung als Trauung ermöglicht.

Viele evangelische Kirchen haben sich in diesem Sinn in den letzten Jahren den Homosexuellen gegenüber geöffnet – wenn auch dieser Weg ein sehr konfliktträchtiger war und bis heute in vielen Gemeinden umstritten bleibt.

Doch auch wenn in Deutschland nun die „Ehe für alle“ möglich geworden ist, hält die katholische Kirche nach wie vor an ihrer Verurteilung von Homosexualität fest. Beziehungsweise ist Homosexualität eines der Themen, welchen sie sich in großen Teilen vehement verschließt. Indem ich mich jedoch etwas gegenüber verschließe, ist es noch lange nicht gelöst.

Ein homosexuell empfindender, gläubiger Katholik befindet sich in einer untragbaren Situation. Er hat im Grunde nur die Wahl zwischen Pest und Cholera: Entweder muss er seine sexuelle Orientierung verbergen, oder er muss damit leben, in ausgerechnet der Gemeinschaft, die ihm eigentlich wie eine liebevolle Familie sein sollte, als falsch, sündig und unwürdig marginalisiert zu werden.

In Deutschland und weltweit leiden daher noch immer gläubige Homosexuelle unter dieser unsäglichen Nicht-Vereinbarkeit ihrer Empfindungen und ehrlich gelebter Religiosität. Schlimmer noch: In vielen Ländern wird Homosexualität nach wie vor strafrechtlich verfolgt – dass solche Strafen teilweise verschärft statt abgeschafft werden, ist nicht zuletzt auch ein Mitverschulden der katholischen Kirche.

In der Frage des Umgangs mit Homosexualität befindet sich die katholische Kirche größtenteils noch genauso im Mittelalter wie in der Frage nach der Stellung der Frau. Ich bin nicht der Meinung, dass sich in Sachen Akzeptanz von Homosexuellen in der Kirche wirklich etwas geändert hätte, im Gegenteil, ich habe das Gefühl, wir befinden uns noch immer in den Zeiten der Inquisition.

Spätestens nach dem Bekanntwerden der Gräuel der Verfolgung und Deportierung der Homosexuellen in der Nazizeit hätte es zu einem grundlegenden...

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