Bewerbungen
Die Entscheidung, sich auf eine Stelle zu bewerben, zieht Überlegungen zu den Dokumenten nach sich, die Sie einreichen. Wie weit gehen Sie mit den Zeugnissen zurück? Haben Sie Zertifikate, Referenzen, Arbeitsproben, die relevant sind? Im Internet kursieren die kreativsten Ideen hierzu. Hübsch anzuschauen, aber für konservative Branchen eher weniger geeignet. Für die meisten Arbeitsplätze ist ein klassischer Standard nicht verkehrt: Anschreiben, tabellarischer Lebenslauf, letzte Zeugnisse.
Das Anschreiben nicht länger als eine Seite, gerne auch mit Aufzählung, Hauptsache gut strukturiert und übersichtlich. Das Wichtigste sei der erste Satz, der erklärt, warum man sich bei diesem Unternehmen bewirbt. Text und Layout möglichst individuell, um zu zeigen, dass dies kein Serienbrief ist. Soweit, sogut. Der häufig genannte Tipp, das Logo oder den Slogan des Unternehmens zu verwenden, ist dabei mit Vorsicht zu genießen. Manche Unternehmen schätzen es ganz und gar nicht, wenn man mit ihren Warenzeichen herumspielt, die sie mit viel Geld schützen. Ich setze mich diesem Risiko nicht aus und beschränke mich auf die Verwendung der Unternehmensfarben.
Auf der anderen Seite gibt es Personaler, die sich zuerst den Lebenslauf ansehen und ausschließlich bei Interesse weitere Dokumente, darunter das Anschreiben. Sie können also das schönste, individuellste Anschreiben mit der besten Motivation unter allen Einsendungen haben, aber niemand wird es lesen, weil man nach Ihrem Lebenslauf die Bewerbung aussortiert hat. Da Sie nicht wissen können, an welche Art Personaler Sie geraten, bin ich dazu übergegangen, zwar ein individuelles Anschreiben zu erstellen, aber keine Stunden zu investieren. Ein Anhaltspunkt sind höchstens die Bewerbungsportale, die Firmen immer häufiger nutzen. Diese scannen normalerweise Ihren Lebenslauf und in diesem Fall ist es höchstwahrscheinlich, dass das Anschreiben eine geringere Priorität hat.
Der Lebenslauf ist nicht nur deshalb das wichtigste Dokument, weil er gut digital verarbeitet werden kann. Er fasst Ihre Qualifikation am übersichtlichsten zusammen. Standardmäßig fange ich in umgekehrt chronologischer Reihenfolge an und nenne zu jeder Station Titel, Unternehmen inklusive Mini-Angabe zu Branche, Sparte, Produkt (eben damit das Unternehmen kurz eingeordnet werden kann), ggf. eine Information zur Art der Beschäftigung (z.B. damit bei häufigen Wechseln durch Befristung klar ist, dass die Gründe im Vertrag liegen und nicht in Ihrer Person), sowie Stichpunkte zu den wesentlichen Aufgaben. Daneben liste ich EDV- und Sprachkenntnisse auf, je nach Job ergänze ich eine Liste mit Links zu Arbeitsproben.
Hobbys lasse ich übrigens weg; sofern Sie Berufserfahrung haben und Sie Ihre Freizeitaktivitäten nicht als ergänzend, vorbereitend oder fördernd einbringen können, sondern diese wirklich nur Hobbys im ursprünglichsten Sinne sind, sind sie entbehrlich. Bei Berufseinsteigern mag das anders sein, da sie dazu beitragen, sich ein Bild von Ihnen und Ihrem Charakter zu machen, wenn Sie beruflich noch ein unbeschriebenes Blatt sind.
Was inzwischen ebenfalls kein Muss mehr ist, sind ein Foto sowie Angaben zu Staatsbürgerschaft und Familienstand. Traurig aber wahr ist, dass eine deutsche Staatsbürgerschaft trotzdem vorteilhaft ist. Auch würde ich nicht auf ein Foto verzichten; die meisten Personaler sind es noch gewohnt, sich im wahrsten Sinne ein Bild des Bewerbers machen zu können und vermuten, es sei etwas im Busch, wenn sie eine Mappe ohne Foto vor sich haben. Schwieriger wird es beim Familienstand. Ich lasse meinen Status „verheiratet“ weg. Zwar wäre es leicht zu erraten, wenn man sich alle meine Zeugnisse genau anschaute, aber das machen nicht alle. Bestenfalls ist es den Personalern egal. Eine Beraterin fragte einmal: „Sicher können Sie direkt in Ihren Lebenslauf schreiben ‚Kinderbetreuung jederzeit sichergestellt‘ oder ‚kein Kinderwunsch vorhanden‘, wenn Sie deswegen in Sorge sind. Aber wollen Sie wirklich für jemanden arbeiten, für den das ein Kriterium ist?“ Gerne gebe ich diese Frage an Sie weiter, denn Sie müssen sie für sich beantworten. Klar wäre es schön, wenn man wüsste, dass es kein Kriterium ist, aber oft ist es leider doch so. Ich versuche, einen Mittelweg zu gehen und ohne diese Angabe auszukommen. Ist das Thema für das Unternehmen relevant, kommt es spätestens im Gespräch auf den Tisch.
Abgesehen von den beiden gesetzten Dokumenten Anschreiben und Lebenslauf gehören die letzten Zeugnisse in die Bewerbung. Wundern Sie sich nicht, wenn größere Unternehmen trotz langer Berufserfahrung nach Ihrem Universitäts- oder Ausbildungs- und Schulzeugnis fragen. Das scheint dort einfach zum Standard dazuzugehören, auch wenn es unsinnig erscheint. Diskutieren zwecklos, wenn Sie den Job wollen. Allein aus Platzgründen kann es jedoch ratsam sein, zunächst auf solche alten Dokumente zu verzichten und mit aktuelleren zu überzeugen.
Wenn Sie neben den letzten Zeugnissen noch Platz haben, gerne Zertifikate, Referenzen, Arbeitsproben mitschicken. Aber bitte nur das, was für die Position relevant ist. Oft müssen Sie sich sowieso einschränken, weil Bewerbungsportale oder Email-Postfächer ein Größenlimit für die Dokumente haben. „Vollständige Bewerbungsunterlagen“ sind daher relativ.
In so gut wie jeder Stellenanzeige wird außerdem darum gebeten, eine Gehaltsvorstellung mitzuteilen. Der Punkt, der meines Erachtens der schwierigste ist. Wenn Sie die Bitte ignorieren, wirft das ein negatives Licht auf Sie und Sie werden vermutlich direkt aussortiert. Wenn Sie sich verschätzen und die Vorstellungen zu weit auseinander liegen, werden Sie ebenfalls aussortiert. Allein in meinem Arbeitsgebiet schwankt das Jahresgehalt, je nach Branche und Unternehmen, um 20.000 Euro für denselben Job (!). Ohne Einbezug etwaiger Sozial- und / oder Sonderleistungen. Was tun?
Ein guter Hinweis ist die Zahlkraft der Branche insgesamt. Dazu gibt es regelmäßige Gehaltsreports diverser Jobbörsen und einiger anderer Institutionen, die zur Einordnung der Branche beitragen. Zwar gibt es solche Reports auch auf Berufsbasis, aber da viele Jobs inhaltlich schwer zu fassen sind und Gehaltsangaben teilweise über Branchen und Erfahrungsstufen gemittelt sind, ist Vorsicht geboten. Als erste Orientierung und mit entsprechender Reflektion können vergleichende Gehaltsreports aber nützlich sein.
Neben der Branche spielt die Größe des Unternehmens eine wichtige Rolle. Je größer das Unternehmen, umso mehr Mittel stehen ihm meistens zur Verfügung. Das heißt jedoch nicht, dass große Unternehmen immer gut zahlen. Ich habe das Gefühl, dass manche Unternehmen ihre Größe durch eine rigide Sparpolitik erreicht haben, die vor den Mitarbeitern keinen Halt gemacht hat. Aber wenn das Unternehmen nicht gerade ein öffentliches „Billig-billig“-Image pflegt, bei dem man davon ausgehen kann, dass niedrige Preise irgendwo finanziert werden müssen, ist das von außen kaum ersichtlich. Grundsätzlich steigen mit der Größe des Unternehmens die Angebote zusätzlicher Einnahmequellen oder Vergünstigungen, z.B. Essensgutscheine, Betriebsrente, Weihnachts- und Urlaubsgeld, bezahlte Fortbildungen, Fitnessstudio; um nur einige Möglichkeiten zu nennen.
Erwähnenswert sind auch unterschiedliche Wochenstunden. In der Industrie gelten meistens Tarifverträge mit 35 Arbeitsstunden pro Woche, Chemie und Pharma liegen bei 37,5, Versicherungen und öffentlicher Dienst bei 38 oder 39. Bei allen anderen ist von vertraglichen 40 auszugehen, wobei die reale Arbeitsbelastung deutlich nach oben abweichen kann. In Kanzleien, Beratungs-Unternehmen oder im Management können Sie auch locker auf 60 bis 80 Stunden kommen.
Ob Sie Ihr Gehalt nun auf Basis von 35, 40 oder 60 Stunden rechnen, macht einen großen Unterschied. Gleiches gilt für Ihren Urlaubsanspruch. Können Sie sich nur vier Wochen an den Strand legen oder doch sechs? Und können Sie dabei Überstunden abfeiern oder sind diese „im Gehalt abgegolten“?
All diese Bedingungen, die entscheidenden Einfluss auf Ihre Gehaltsberechnung haben, kennen Sie jedoch nicht, wenn Sie sich bewerben und Ihre Gehaltsvorstellung angeben sollen. Daher noch einmal die Frage: was tun? Ich rufe sicher nicht bei einem potenziellen Arbeitgeber an, um als erstes nach den vertraglichen Rahmenbedingungen zu fragen, nur damit ich das Gehalt besser einschätzen kann. Abgesehen von einem fürchterlichen ersten Eindruck, sofern sich die Person erinnert oder Notizen macht, sind vertragliche Rahmenbedingungen normalerweise erst für das letzte Gespräch vorgesehen. Weil sich Arbeitgeber ungern in die Karten sehen lassen. Je weniger Personen Rahmenbedingungen kennen, umso besser, ist mein Eindruck. Nach wie vor spricht leider niemand gerne über Gehälter und Gehaltsstrukturen, und diese Intransparenz öffnet Ungerechtigkeiten Tür und Tor. In diesem Fall, dass Sie mit der besten Bewerbung nicht weiterkommen, wenn Sie hier danebenliegen.
Wahrscheinlich – hoffentlich – ist jedem Arbeitgeber klar, dass die Gehaltsvorstellung von vielen Faktoren abhängt, die Sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht kennen können, und daher nur eine Richtung vorgibt. Allerdings habe ich es selten erlebt, dass ich nach Darlegung der Rahmenbedingungen meine Gehaltsangabe korrigieren durfte. Auf der anderen Seite haben Sie nun einmal gewisse Vorstellungen von dem, was Sie verdienen möchten, und sind vermutlich unzufrieden, wenn Sie das nicht erreichen. Nehmen Sie den Job zu schlechteren Konditionen an, holt sich das Unternehmen einen von Anfang an unmotivierten Mitarbeiter ins Haus. Das wäre dumm, oder? Insofern ist an der Vorgehensweise etwas dran. Unser Dilemma löst das leider nicht.
Des öfteren habe ich gehört oder...