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E-Book

Federleicht mit Federfux

Die fliegende Schreibwerkstatt

AutorMonika Vogt
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl252 Seiten
ISBN9783746051734
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis10,99 EUR
Federfux, das schlaue Füchslein, das selbst Romane schreibt, ermutigt alle angehenden Autoren, nicht länger zu zögern und ihr Schreibprojekt couragiert in Angriff zu nehmen. Stets präsent mit seinen spritzigen Erklärungen zum Storytelling und zahlreichen farbigen Illustrationen, führt Federfux die Leser souverän durch die einzelnen Kapitel: von der Ideensuche über die Entwicklung der Figuren und des Spannungsbogens bis hin zur Überarbeitung.

Monika Vogt hat an der ASH Berlin Kreatives Schreiben studiert und unterrichtet an der Hochschule Chur und der Hochschule der Künste Bern die »Grundlagen des Erzählens«. Für die »Fliegende Schreibwerkstatt« hat sie die Figur des Federfux erschaffen, der mit seinem unbefangenen Zugang zum Schreibhandwerk dem kreativen Prozess auf die Sprünge helfen soll.

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Leseprobe

1


Die Keimlinge
meiner
Geschichten


Mein Schreibergarten:
Erfinde nicht – suche und finde


Liebe Federfreunde, eins ist klar: Am Anfang jeder guten Geschichte steht eine zündende Idee, oder wie ich es nennen möchte, ein Keimling mit Kernkraft. Doch werdet ihr mich jetzt fragen: »Federfux, wo findest du denn gute Keimlinge für spannende Geschichten? Wie gehst du vor?«

Ganz einfach, ich begebe mich an einen besonderen Ort, der nur mir gehört: meinen Schreibergarten. Dort liegen Millionen von Keimlingen aller Art, einer neben dem anderen, gesammelt, gelagert und gestapelt. Ich streune in meinem Wundergärtchen herum, stecke die Nase in die Beete und Rabatten, zupfe mit der Pfote an einer Wurzel und siehe da: ein Keimling mit Kernkraft!

Zur Erklärung–mein Schreibergarten: Damit meine ich all meine täglichen Erfahrungen und Erlebnisse, all meine Sinneseindrücke, Leidenschaften, Sehnsüchte, Befürchtungen, Wahnsinnsträume, Beglückwünschungen, Kümmernisse und Frohlockungen, alle Bücher und Zeitschriften, die ich gelesen habe, alle Kinofilme, die ich gesehen habe, kurz, meine ganze Lebensgeschichte. Denn mein ganzes Leben ist so eine Art Schrebergarten: Blumenkohl neben Apfelbäumen, Lavendel neben Schnittlauch, süße Beeren neben Kartoffeln, Mist neben Rosen.

Alte und neue Keimlinge sammeln


Vielleicht sollte ich noch kurz erklären, weshalb all diese Keimlinge – alte und neue – für einen Autor von solcher Bedeutung sind. Der Grund ist ganz einfach: Jeder schöpferisch Tätige schafft aus Altem Neues, jeder schöpft aus seinen Erfahrungen, kombiniert Bekanntes mit seiner Fantasie und erschafft durch solche Neukombinationen sein Eigenes. Kein Künstler findet seinen Stoff im luftleeren Raum. Aus dem Nichts kommt nichts. Als Autor brauche ich Material, das ich zu etwas Einzigartigem verarbeiten kann, klar, oder? Und dieses künstlerische Material sind meine Keimlinge, die ich in meinem Schreibergarten aufbewahre. Will ich nun möglichst schnell kräftige Keimlinge für eine gute Story finden, wende ich meine in jahrelanger Praxis ausgeklügelten Methoden an, die ich euch gleich zeigen werde.

Freewriting


Als einen meiner besten Tricks empfehle ich allen meinen geschätzten Federfreunden, die in ihrem Inneren schlummernde Keimlinge ausgraben und dabei ihre Schreibkompetenz schnurrstrax verbessern möchten, das Freewriting. Diese Methode des freien Schreibens am frühen Morgen, die ich aus dem wunderbaren Buch »Der Weg des Künstlers« von Julia Cameron geklaut habe, nenne ich die »Morgenseiten«.

Ich mache es so: Ich schreibe jeden Morgen zuerst das Datum und die Uhrzeit auf mein Blatt. Dann flitze ich mit meiner Fuxfeder übers Blatt und fetze alle Gedanken aufs Papier, die mir just durch den Kopf schwirren. Ich korrigiere nichts, ich lese nichts durch, Grammatik und Rechtschreibung kümmern mich einen Furx. An manchen Tagen sind meine Sätze wilde Gedankensprünge (Muss Fuchsbau putzen – Draußen schneit es–Mut, Federfux, beginne endlich mit deinem Liebesroman »Linda & Prof. Andermatt«! – Muss Fuchsbau putzen – Ist mein Fuchsschwanz zu rot? Bin ich in einem Alter, wo ich mir die Haare färben sollte? – Bauer Muggli ist ein böser Mensch, er mag mir nicht einmal ein Hühnchen gönnen), an anderen Tagen fließt mein Gedankenstrom ruhig und ich versinke beim meditativen Schreiben im Mondschein wie ein Zen-Meister in wahrhaftige Transzendenz.

So habe ich schon Tausende von Keimlingen gesammelt, und jeden Tag kommen neue hinzu. In diesen Morgenseiten sind immer originelle Einfälle und Wortkreationen mit langweiligem Geplapper und Geplänkel vermischt. Und in all diesen Ideenkeimen – zwischen den wilden Rüben und dem Unkraut – liegen die Keimlinge mit Kernkraft: meine Lieblingsthemen und Leidenschaften. Ohne viel Federlesens unterstreiche ich einen interessanten Satzfetzen oder schnappe mir einen leckeren Wortbrocken (»Humpelhuhn bei Muggli über Leiter gestolpert«; »Chicken Nuggets bei McDonalds werden billiger«) und schreibe dazu flux eine Geschichte.

Also merkt euch: Schreibt jeden Morgen fünfzehn oder zwanzig Minuten frisch drauflos, indem ihr mit irgendeinem beliebigen Satz beginnt, z. B. »Mensch, das glaubt mir ja kein Fux, dass ich jetzt hier sitze und die Morgenseiten schreibe.« Die einzige Regel dieser Übung lautet: Bleibt ständig im Schreibfluss, setzt die Feder nie ab! So lernt ihr Schreiben im Federflug!

Flitznotizen


Neben den Morgenseiten führe ich wie jeder Autor ein Flitznotizbuch, das ich nebst meiner Feder während des Tages stets bei mir trage. Dort halte ich neue Keimlinge – interessante Begegnungen, besondere Orte, Auffälliges und Vermischtes – mit Kurz-Notaten und stenografischen Einträgen fest. Ich kritzle Stenotizen, also kurze tägliche Notizen von Gedanken und Beobachtungen, die ich mir nach Lust und Laune, aber dennoch mit einem Auge auf eine gute Geschichte schielend, wie im Flug aus dem Leben greife. Dieses Sammelsurium von Begebenheiten, Schnipseln und Aufgeschnapptem nennt mein sehr kompetenter Kollege Hanns-Josef Ortheil die »Weltfolie«, ich nenne es meinen »Schreibergarten«.

Ich mache es so: Ich streune durchs Leben, von Hühnerhof zu Hühnerhof, und stibitze hier einen Keimling von einem Straßencafé und dort einen von der Skipiste. Alles, was ich sehe, höre, rieche, ertaste und erfasse, kann ein Keimling sein, alles, was mir ins Auge fällt, was mir gefällt und missfällt. Ich lese die Samen meiner Geschichten sozusagen vom Straßenrand auf und bringe sie in meinen Schreibergarten: ein Huhn, das an mir vorbeihumpelt, ein cooles Tattoo auf einem rasierten Hund, einen schrägen Filmtitel im Kinoaushang, ein Bild aus einem alten Fotoalbum, ein gruseliges Bauernhaus im Herbststurm, einen lustigen Witz von meinem besten Freund Red Bazooka, eine klapprige Hühnerleiter, auf der sich einer den Fuß verstauchen könnte. – Was wäre, wenn …? Und schon habe ich eine spannende Geschichte im Kopf.

Manchmal sitze ich mit meinem Flitznotizbuch auch zu Hause und setze aus Schnipseln und Sätzen eine Geschichte zusammen. Ich schnappe mir einen Buchtitel vom Bücherregal (»Schuld und Sühne«) oder ich kreiere selbst einen guten Titel (»Die Schuld und die Hühner«) und schreibe flux selbst ein Buch dazu. Ich nehme den ersten Satz eines Buches oder den Anfang eines Gedichts als Einstieg, schreibe einfach weiter und erfinde eine ganz neue Geschichte.

Manchmal habe ich Lust, einzelne Wörter locker und federleicht zu einer Geschichte zu kombinieren. Ich schreibe ein paar Wörter aus meinem eigenen inneren Wortschatz auf, also solche, die mir mein Unbewusstes spontan gibt (Wienerwürstchen – Literaturnobelpreis – Misthaufen), oder ich schlage mein Wörterbuch nach dem Zufallsprinzip auf und notiere mir fünf Wörter daraus (Pudel – Notar – Gartenzaun – nähen – grau). Und hier ist auch schon das Exposé meiner Kurzgeschichte:

Der Notar Waldemar Romanovski hat die Nase voll von seinem grauen Job, von seinem grauen Anzug und seinem grauen Leben. Er lässt sich bei einer Schneiderin seinen Pudel auf den Hut nähen und hüpft im Park über kleine Gartenzäune, er pinkelt den Leuten an die Beine und bellt: »Seht her, habt ihr je so einen verrückten Hund gesehen?!«

Gut, nicht? Eine ziemlich skurrile Geschichte, finde ich. Ich nenne sie »Waldemar Romanovskis außergewöhnlicher Spaziergang«. Kein Wunder, ergeben solch wild zusammengewürfelte Wörter eine so großartige Geschichte. Diesen Trick, ich nenne ihn den Reizwort-Trick, habe ich meinem guten Kollegen Gianni Rodari abgeluchst, der in der Zwischenzeit verstorben und sicher froh ist, wenn einer seine Ideen in Autorenkreisen verbreitet.

Fakt ist: Wörter, die sich beißen, ergeben die ausgefuchstesten Geschichten! Ist ja logisch, dass ein abgefahrener Wortdreier aus ganz unterschiedlichen Lebensbereichen wie Liebesbrief – Moped – Fuchs einen Autor auf andere Fährten lockt als eine öde, vorhersehbare Wortkombination wie Mann – Liebesbrief – Rose. Solche Reizwort-Knaller, die sich reiben und auf dem Papier gegeneinanderprallen, befeuern die Fantasie und katapultieren einen in ganz neue Sinnesgefilde. Habt also keine Hemmungen, weil etwas nicht zusammenpassen könnte. Ein richtiger Autor nimmt alles und köchelt sich sein eigenes würziges Hühnersüppchen.

Ich zum Beispiel nehme Songtitel, Zitate, Gedichte, Postkarten, Einkaufslisten, Redewendungen, vermischte Meldungen, Schlagzeilen aus der Zeitung (»Mit den Dritten beißt man besser« … da lacht doch jeder Fux!), ich nehme Reizwörter, Stichwörter, Segenssprüche und Sprichwörter (»Hinterher ist man immer schlauer«), ich spiele mit Wörtern und Wörtern und...

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