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E-Book

Wir werden uns in Roboter verlieben

Gespräche mit Wissenschaftlern

AutorStefan Klein
VerlagS. Fischer Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl208 Seiten
ISBN9783104910345
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Der Bestsellerautor Stefan Klein im Gespräch mit weltweit führenden Wissenschaftlern. Er diskutiert mit dem Astronomen des Papstes Guy Consolmagno über Gott und den Ursprung des Universums, spricht u.a. mit der Kognitionspsychologin Margret Boden über schöpferische künstliche Intelligenz, mit dem Botaniker Stefano Mancuso über die Intelligenz der Pflanzen - und selbst Sigmund Freud kommt noch einmal zu Wort. Glänzend geführte Unterhaltungen, die uns teilhaben lassen an den persönlichen Erfahrungen, Einsichten und aktuellsten Forschungen der derzeit klügsten Köpfe.

Stefan Klein, geboren 1965, ist der erfolgreichste Wissenschaftsautor deutscher Sprache. Er studierte Physik und analytische Philosophie in München, Grenoble und Freiburg. Er wandte sich dem Schreiben zu, weil er »die Menschen begeistern wollte für eine Wirklichkeit, die aufregender ist als jeder Krimi«. Sein Buch »Die Glücksformel« (2002) stand über ein Jahr auf allen deutschen Bestsellerlisten und machte den Autor auch international bekannt. In den folgenden Jahren erschienen weitere hoch gelobte Bestseller: »Alles Zufall«, »Zeit«, »Da Vincis Vermächtnis« und »Der Sinn des Gebens«, das Wissenschaftsbuch des Jahres 2011 wurde. Zuletzt erschien »Träume: Eine Reise in unsere innere Wirklichkeit«, ausgezeichnet mit dem Deutschen Lesepreis 2016, »Das All und das Nichts. Von der Schönheit des Universums« (2017) und »Wie wir die Welt verändern« (2021). Stefan Klein lebt als freier Schriftsteller in Berlin.

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Leseprobe

Die Freude, das Universum zu betrachten


Der Astronom des Papstes, Guy Consolmagno, über Wissenschaft, Glauben und die Frage, ob Thunfische einen Gott haben

Wenn wir die Welt mit Naturgesetzen erklären können, wo ist dann Gott? Wer sich mit der Entstehung und dem Aufbau des Universums befasst, stößt zwangsläufig auf solche Fragen. In diesem schwierigen Grenzgebiet zwischen Wissen und Glauben bewegt der Astrophysiker Guy Consolmagno sich täglich. Er ist Jesuit und leitet die Sternwarte des Papstes in Castel Gandolfo bei Rom, wo eine weithin sichtbare Teleskopkuppel den Palast der päpstlichen Sommerresidenz krönt. Das Vatikanische Observatorium, in seiner heutigen Form im Jahr 1891 gegründet, um den Austausch zwischen Wissenschaft und Religion zu fördern, betreibt als internationale Forschungseinrichtung auch ein Großteleskop in der Wüste von Arizona. Consolmagno, 1952 in Detroit geboren, studierte Astrophysik und gilt als weltweit anerkannter Experte für Meteoriten und die Entstehung der Himmelskörper im Sonnensystem. 1993 trat er eine Stelle an der päpstlichen Sternwarte an, 2015 wurde er deren Direktor. Er erscheint im Sweatshirt und trägt einen langen weißen Bart, spricht schnell und lacht viel. Eher würde ich vermuten, einem Professor einer amerikanischen Universität des mittleren Westens begegnet zu sein als dem Astronomen des Papstes.

Herr Consolmagno, wir können heute mit Weltraumobservatorien das erste Licht des Universums nach dem Urknall einfangen, die kosmische Hintergrundstrahlung. Als der amerikanische Astrophysiker George Smoot vor einigen Jahren Darstellungen dieser Strahlung präsentierte, sagte er: »Wenn Sie religiös sind, dann ist es, als würden Sie in Gottes Antlitz schauen.« Stimmen Sie ihm zu?

Smoot hat die Erfahrung sehr genau beschrieben: Plötzlich sieht man etwas, von dem man nie dachte, es je sehen zu können. Dies ähnelt tatsächlich einem religiösen Erlebnis.

Was empfinden Sie, wenn Sie zum Sternenhimmel aufschauen?

Dasselbe Staunen, das ich als Kind fühlte, aber mit dem Vorteil, mehr zu wissen. Was ich weiß, lässt mich die Dinge, die ich wahrnehme, noch höher schätzen. Ich habe ein kleines privates Teleskop. Wer durch das Fernrohr den Orionnebel erblickt, sagt: wie wunderschön! Ich allerdings kann den Orionnebel betrachten und weiß: Dort werden Sterne geboren. Mit einem größeren Teleskop erkennt man sogar die Vorgänge, bei denen Planetensysteme entstehen. Es ist, wie Musik zu hören oder einen Sonnenuntergang zu bewundern. Die glutrote Sonne ist schön. Und die Maxwell’schen Gleichungen, die beschreiben, wie ihr Licht zu uns gelangt, sind schön. Diese Eleganz der Natur erfahren Sie aber nur, wenn Sie die Wissenschaft kennen.

Ich weiß, was Sie meinen: Ein fast ekstatisches Staunen darüber, dass sich die Schönheit der Welt uns auf so vielen Ebenen zeigt.

Das einfachste Wort dafür ist: Freude. Wenn es mir nicht gutgeht, schaue ich durch das Teleskop. Nachher bin ich viel glücklicher.

Würden Sie dieses Glück ein religiöses Gefühl nennen?

Ja. Mit der Betonung auf Gefühl. Religion ist mehr als Emotionen. Doch die Freude, die ich beim Blick durchs Teleskop oder auch dann empfinde, wenn ich Daten aus dem Computer ausgedruckt habe und plötzlich etwas verstehe, ist mit der Freude vergleichbar, die ich im Gebet erlebt habe.

Sie haben 20 Jahre als Wissenschaftler gearbeitet, bevor Sie Jesuit wurden. Wie kam es?

Ich bin in einem katholischen Elternhaus aufgewachsen. Ich habe mich bei meiner irischen Mutter und meinem italienischen Vater sehr wohl gefühlt. Und ich bewunderte meine Lehrer, die Jesuiten waren. Religion war ein wichtiger Teil unseres Lebens, aber ich habe mich durch sie nie von Schuldgefühlen beladen oder unterdrückt gesehen. Im Gegenteil: Ich habe die Religion genossen. Ich erlebe noch immer große Befriedigung, wenn ich täglich die Messe besuche, und einen Verlust, wenn ich nicht hingehe.

Sie sind aus Hedonismus gläubig.

Würde ich dieses Wort verwenden? Aber ja, ich habe nie Dinge getan, die ich nicht mochte. Als wir 18 waren, tranken meine Freunde Scotch. Für mich schmeckte das wie Mundspülung. Warum sollte ich das Zeug trinken?

Man muss sich an den Whiskeygeschmack gewöhnen. Wie an die Messe.

Bei der Messe jedenfalls hat es für mich funktioniert. In die Wissenschaft kam ich, weil ich Science-Fiction-Fan bin und es schon als Jugendlicher war. Als ich die Bibliothek der Science-Fiction-Gesellschaft am MIT in Boston sah, wollte ich unbedingt dort studieren. Aus einer Laune heraus schrieb ich mich in Geowissenschaften ein. Es war großartig. Wir Studenten durften forschen, und ich schrieb meine Abschlussarbeit über Ozeane auf den Eismonden des Jupiter. Damals, in den siebziger Jahren, war das alles noch Spekulation. Die Raumsonden, die in vergangenen Jahren dort waren, haben meine Voraussagen über flüssiges Wasser unter den Eiskrusten bestätigt; meine Begründungen allerdings waren falsch. Doch als ich auf die Dreißig zuging, befriedigte mich die Forschung nicht mehr. Ich fragte mich: Was machst du eigentlich mit deinem Leben? Wie kannst du dir den Kopf über Jupitermonde zerbrechen, wenn Menschen auf der Erde verhungern?

Und zu welchem Schluss kamen Sie?

Ich kündigte meine Stelle am MIT und meldete mich zum Peace Corps, das amerikanische Fachkräfte in andere Länder schickt. Ich kam nach Nairobi, um Astronomie zu unterrichten. Ich hatte mir allerdings einen praktischeren Einsatz für die Armen vorgestellt. Am Wochenende zog ich mit meinem kleinen Teleskop durch abgelegene Dörfer. Und die Menschen dort, die kaum das Lebensnotwendige hatten, waren begeistert, wenn sie ihr Auge ans Okular legen durften. Sie empfanden natürlich genau die Freude, von der wir vorhin sprachen. Da begriff ich, dass diese Freude, das Universum zu sehen, alle Menschen vereint.

Weil wir spüren, dass wir Teil eines größeren Ganzen sind. Ich vermute, dahinter steht eine tiefe Sehnsucht: Wir wollen erfahren, wer wir eigentlich sind, und woher wir kommen. Viele Menschen erhoffen sich in der Religion eine Antwort, andere suchen sie in der Wissenschaft.

Ein Freund von mir erklärt das mit der Größe unseres Gehirns. Offenbar gibt es darin Teile, die mehr wollen als nur, dass am nächsten Morgen genug zu essen da ist. Und ja, Sie können die Sehnsucht auf das Bewusstsein von uns selbst zurückführen – auf das, was die großen Philosophen die menschliche Seele nannten. Ich würde dieses Gefühl die Freude nennen, in der Nähe Gottes zu sein. Aber ich versuche nicht, es mir zu erklären. Ich beobachte die Freude nur und nehme sie ernst. Sie gehört zum menschlichen Leben. Dass wir so empfinden, unterscheidet uns von gut gefütterten Rindern.

Aber deswegen wurden Sie nicht Jesuit.

Nein. Als ich nach zwei Jahren aus Kenia zurückkam, unterrichtete ich einige Jahre an einem amerikanischen College. Ich war glücklich. Doch dann scheiterte eine Beziehung, und mir wurde klar, dass es nicht meiner Persönlichkeit entspricht, eine Familie zu haben. Da schien mir die Zeit reif, in den Orden einzutreten. Hier kann ich die Forschung betreiben, die ich immer machen wollte, und zugleich meinen Glauben leben.

Sahen Sie keinen Widerspruch darin, als Wissenschaftler das Ordensgelübde zu leisten?

Nein. Warum hätte ich?

Weil ein Wissenschaftler nur der Erkenntnis verpflichtet sein sollte. Als Jesuit haben Sie aber Ihrer Kirche bedingungslosen Gehorsam geschworen. »Was meinen Augen weiß erscheint, halte ich für schwarz, wenn die hierarchische Kirche so entscheidet«, hat Ignatius geschrieben, der Gründer Ihres Ordens. Nicht gerade eine sehr wissenschaftliche Haltung.

Eine Metapher. Hoffentlich.

Wie kommen Sie darauf, dass Ignatius es nicht so gemeint haben könnte?

Sie müssen den Satz im Kontext sehen. Wir Jesuiten hatten schon immer den Ruf, rebellisch zu sein. Aber Rebellion und Hingabe sind kein Widerspruch. Sie bedingen einander.

Manchmal.

Nun, in diesem Fall gibt es gar keinen Konflikt. Unsere Mission am Vatikanischen Observatorium ist ganz einfach, gute Wissenschaft zu machen. Niemand befiehlt uns, worüber und mit welchem Ergebnis. Wer zu uns kommt, bestimmt selbst, woran er forscht.

Im Jahr 1996 gingen Sie für die Sternwarte des Papstes in die Antarktis, um dort nach Meteoriten zu suchen.

Ja. Meteoriten geben Auskunft über die Geschichte des Sonnensystems. Aber die meisten Meteoriten, die auf die Erde fallen, werden niemals als solche erkannt. Die Menschen halten sie für ganz gewöhnliche Steine, und irgendwann werden sie verschüttet. Doch in der Antarktis fließt das Eis von der Mitte an den Rand des Kontinents, wo es sich auflöst. Dabei kommen die vor vielen Jahrtausenden eingefrorenen Meteoriten wieder zum Vorschein. Man muss nur die Augen offen halten: Die schwarzen Steine, die sich auf der blauen Eisoberfläche abzeichnen, sind Meteoriten.

Wie lange haben Sie im Eis gelebt?

Monatelang. Meistens waren wir zu sechst, jeweils zwei Forscher in einem Zelt. Jeden Morgen fuhren wir mit dem Schneemobil weiter in eine andere Gegend. Wenn Sie länger in solch einer kargen Umgebung sind, verändert sich die Wahrnehmung. Die Farben leuchten stärker, Gerüche werden intensiver. Man beginnt sogar die Luft zu schmecken. Obwohl man sich fremd fühlt in dieser Natur, geht einem...

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