2 Pflege im G-DRG-System
Die Krankenhausfinanzierung ist in Deutschland über die sog. „German Diagnosis Related Groups“ (G-DRGs) realisiert. Das ursprünglich in den 1970er Jahren entwickelte und aus den USA stammende Finanzierungssystem wurde inzwischen von zahlreichen Ländern in adaptierter Form übernommen, die G-DRGs stellen beispielsweise eine Anpassung der australischen Variante (AR-DRGs) dar (Fischer, 2002).
Die G-DRGs sind vereinfacht ausgedrückt diagnosebezogene Fallpauschalen, die als Durchschnittswert alle Kosten der Behandlung decken sollen. Wie die Personalstellen in den Kliniken ausgehandelt und gesteuert werden, ist in der Budgetverantwortung der einzelnen Kliniken geregelt. Solange sich an dieser Vergütungsstruktur und den hiermit verbundenen Steuerungsmechanismen der Personalbudgets in den Kliniken nichts verändern soll, ist es von großer Bedeutung, Pflege zu einem wirkungsvollen Erlösfaktor im System auszubauen.
Dieser Abschnitt dient dazu, die wesentlichen Wirkmechanismen im DRG-System vorzustellen, um ein Verständnis dafür entwickeln zu können, an welcher Stelle und in welcher Form angesetzt werden muss, um im G-DRG-System aus pflegerischer Perspektive Änderungen herbeiführen zu können. Ein zentrales Ziel dabei ist, das pflegerische Leistungsgeschehen über den Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) 9-20 und somit den Pflegekomplexmaßnahmen-Score (PKMS) hinaus erlösrelevant zu platzieren.(15)
2.1 Aufbau und Entwicklung der G-DRGs
Alle Krankenhauspatienten im Rahmen der somatisch-akutstationären Versorgung werden in Abhängigkeit von der medizinischen Diagnose, der Prozedur und dem Schweregrad (dieser ist im Wesentlichen beeinflusst durch die Nebendiagnosen) in homogene Fallgruppen eingeordnet. Das bedeutet, dass die stationären und teilstationären Krankenhausfälle in medizinisch sinnvolle, nach ihrem ökonomischen Aufwand vergleichbare DRG-Gruppen eingeteilt werden.
Es handelt sich dabei um einen automatisiert stattfindenden Gruppierungsprozess, der auf der manuellen Eingabe einer Hauptdiagnose (MDC = Major Diagnostic Category) oder eines chirurgischen Eingriffs basiert sowie der Berücksichtigung von Schweregraden der Behandlung durch Kodierung von Nebendiagnosen und Komplikationen (MCC = Major Comorbidity or Complication). Die Klassifizierung und Gruppierung der Fallgruppen basiert auf folgenden medizinischen und demografischen Daten:
Die Hauptdiagnose, abgebildet mit dem ICD-10-GM Code (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. Revision – „GM“ steht für German und beinhaltet einige länderspezifische Anpassungen)
Die Nebendiagnose(n), ebenfalls abgebildet mittels ICD-10-Codes, welche ergänzend das Label Nebendiagnose erhalten.
Das Alter und das Geschlecht der akutstationär behandelten Person
Ggf. die Beatmungsdauer
Nur bei Kindern im ersten Lebensjahr: das Aufnahmegewicht
Unter Berücksichtigung der aufgeführten Daten wird die G-DRG-Fallgruppenzuordnung sowie das Kostengewicht (CW = cost weight) des Behandlungsfalls ermittelt. Dieser Prozess wird in ▶ Abb. 2.1 nochmals zusammenfassend dargestellt.
Abb. 2.1 Vereinfachte Darstellung der G-DRG-Gruppierungssystematik (Quelle: Wieteck et al., 2016, S. 28)
Das relative Kostengewicht (CW) (auch als Relativgewicht bezeichnet) wird mit der Basisrate (baserate), auch Basisfallwert genannt, multipliziert, woraus sich der Erlös für den Behandlungsfall ermittelt. Die Basisrate ist der Wert für einen Behandlungsfall mit dem relativen Kostengewicht 1 (CW). Dabei spiegelt der Basisfallwert/die Basisrate, welcher jährlich für jedes Bundesland in Euro berechnet wird, den mittleren Fallpreis aller Behandlungsfälle wider. Das Kostengewicht steht für den relativen ökonomischen Aufwand einer Fallgruppe, also einer DRG, und wird bundeseinheitlich festgelegt.
Das „eindimensionale“ DRG-Klassifikationssystem hat den Anspruch, homogene Fallgruppen zu generieren, daraus ergeben sich die genauen Vorschriften (Algorithmen), die zur Ermittlung der DRG-Eingruppierung des Falles bestimmend sind (Fischer, 2002; Küttner, 2004; Lauterbach & Lüngen, 2000; Wilke, 2005). Die jeweilige G-DRG-Fallgruppe wird mit einem vierstelligen Code zur Abrechnung im jeweiligen Krankenhausinformationssystem (KIS) verschlüsselt. Die Codes geben Aufschluss über die Fallgruppe.
▶ Abb. 2.2 zeigt exemplarisch, welche Informationen den G-DRG-Codes entnommen werden können:
Der erste Buchstabe beschreibt die jeweilige Hauptgruppe, im Beispiel steht G für „Krankheiten und Störungen der Verdauungsorgane“ (DRGs G01Z-G77Z)
Die zweite und dritte Stelle weist die Basisgruppe mit der Partition aus; im Beispiel die 18. Basisgruppe (operativer Eingriff an Dünn-/Dickdarm)
Der vierte Buchstabe klassifiziert den Behandlungsfall bezüglich des Ressourcenverbrauchs innerhalb der ersten beiden Gruppen. Der Ressourcenverbrauch wird maßgeblich durch die zusätzlich codierten Nebendiagnosen bestimmt. A steht für den höchsten, die im Alphabet folgenden Buchstaben für den weniger hohen Ressourcenverbrauch innerhalb der Fallgruppe.
Im jährlich erscheinenden Fallpauschalenkatalog werden die zentralen Informationen zu den DRG-Fallgruppen ausgewiesen (vgl. ▶ Abb. 2.3).
Jede DRG hat ein fixes Kostengewicht, im Fall des Beispiels der DRG G 18 A beträgt die Bewertungsrelation (Kostengewicht) 3,953. Die jährlich und für jedes Bundesland ermittelten Basisfallwerte in Euro werden mit der Bewertungsrelation der DRG multipliziert, woraus der Rechnungspreis für die Versorgung des Patienten entsteht.
Die jährlich stattfindenden Berechnungen und Entwicklungen des Fallpauschalenkataloges werden vom InEK, dem Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus, auf Basis der Daten sog. Kalkulationshäuser (d. h. Kliniken, die unter bestimmten Kriterien ihr Datenmaterial gezielt zur Ermittlung der Fallpauschalen zur Verfügung stellen) sowie deren fallbezogenen Kostendaten durchgeführt. Dabei ist anzumerken, dass die Berechnungen immer auf den Daten, die zwei Jahre zurückliegen, errechnet werden (Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK), 2007).
Im Rahmen der Fallgruppen werden auch die Grenzverweildauern pro G-DRG-Fallgruppe ermittelt. Die Einhaltung der Verweildauergrenzen bei einem Patientenfall hat für die Vergütung eine besondere Bedeutung. So kann die Nichtbeachtung bzw. Überschreitung der Verweildauergrenzen oder Verweildauerkürzungen die Reduktion des fallbezogenen Erlöses zur Folge haben. Grundsätzlich muss die Verweildauer eines Patienten sowohl medizinisch als auch pflegerisch begründet sein.
Folgende Kernaussagen lassen sich zusammenfassen:
G-DRGs sind Fallgruppen mit ähnlichen Kostenstrukturen, welche auf Basis von medizinischen Diagnosen und Prozeduren entwickelt werden und zur pauschalierten Vergütung der fallbezogenen Krankenhausleistungen dienen.
Zur Gruppierung der Fallgruppen werden die Hauptdiagnose, die Nebendiagnose(n), die Art der Therapie, das Alter, das Geschlecht sowie ggf. die Beatmungsdauer und das Aufnahmegewicht bei Neugeborenen ermittelt.
Die korrekte Kodierung der G-DRGs ist maßgeblich für die Erlösoptimierung einer Klinik verantwortlich.
2.2 Entwicklung der G-DRG-Kostengewichte des Fallpauschalenkataloges
Das InEK erhält von ca. 240 Kliniken in Deutschland Kalkulationsdaten über jeden Patientenfall. Die so genannten „Kalkulationshäuser“ leiten die gesamten Kostendaten wie z. B. die für einen Patientenfall aufgewendete Pflegezeit, ärztliche Aufwände, Ausgaben für Medikationen und Aufwendungen durch operative Eingriffe entsprechend den Vorgaben des Kalkulationshandbuches an das InEK weiter. Diese Datengrundlage sowie die Angaben über die DRG-Codierung des Falles bilden die Basis für das jährliche Kalkulationsverfahren zur Aktualisierung des DRG-Fallpauschalenkataloges.
In ▶ Abb. 2.4 wird das Ergebnis der Kostenkalkulation des InEK am Beispiel der G-DRG R60A (akute myeloische Leukämie mit hochkomplexer Chemotherapie) vorgestellt.
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