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E-Book

'Kein Engländer soll das Boot betreten!'

Die letzte Fahrt von UC 71

AutorFlorian Huber
VerlagRowohlt Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl304 Seiten
ISBN9783644002388
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Ein spannender Einblick in den Alltag an Bord eines U-Boots während des Ersten Weltkriegs - und ein archäologisches Abenteuer. Februar 1919: Es ist kalt, vor Helgoland kämpft sich ein U-Boot der kaiserlichen Marine voran - und sinkt plötzlich. Rund 100 Jahre lang ist der Untergang von UC 71 ein Mysterium, bis Unterwasserarchäologe Florian Huber zum Wrack taucht. Sein Verdacht: Die Besatzung hat das Boot selbst versenkt. Beweisen kann Huber das nicht, doch das Schicksal von UC 71 lässt ihn nicht los. Da kommt ihm ein Zufall zu Hilfe. Es meldet sich ein Mann, dessen Großonkel Georg Trinks auf diesem Schiff als Maschinist diente - und Tagebuch führte, über jedes Gefecht, über seine Ängste. Und die letzten Worte in diesem Tagebuch lösen das Rätsel.

Dr. Florian Huber, 1975 in München geboren, taucht seit mehr als 25 Jahren und studierte Archäologie, Anthropologie und Skandinavistik in München, Umeå (Schweden) und in Kiel. Bevor er sich als Unterwasserarchäologe und Forschungstaucher selbstständig machte, war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Kiel und leitete dort die Arbeitsgruppe für maritime und limnische Archäologie. Ausgrabungen und Forschungsreisen führten ihn in über 100 Länder. Huber ist Autor zahlreicher Fachpublikationen, Zeitschriftenartikel sowie Bücher und steht regelmäßig für TV-Dokumentationen wie Terra X vor der Kamera. Sein Buch 'Tauchgang ins Totenreich' erschien 2016 bei Rowohlt.

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Leseprobe

Georg Trinks, Maschinenmaat


Meine Erlebnisse auf UC71 in der Zeit vom 9. November 1916 bis 24. Mai 1918

1. Einsatzfahrt vom 28. Februar 1917 bis 4. März 1917
Überführungsfahrt zur U-Flottille Flandern

Befehl für Ausreise UC71:

Auslaufen zur U-Flottille Flandern über Helgoland. Boot gehört mit Ankunft in Zeebrügge zur U-Flottille Flandern.

Weitere Zwischenhäfen nur im Bedarfsfall anlaufen. Bei dem Flaggschiff des II. Geschwaders die etwaigen letzten Funksprüche über Minen und Sachlage erfragen.

In der inneren Bucht der Nordsee sind wegen U-Bootsgefahr Zickzack-Kurse zu fahren.

Das Boot wird in der Nordsee von einem Vorpostenboot begleitet.

Am 9. November 1916 wurde ich von Flandern aus nach Hamburg zur Bauinformation auf S.M. UC71 bei «Blohm & Voss» kommandiert. Am 10. November abends kam ich mit Maschinenmaat Stahlecker an. Das Boot lag noch im Dock und wurde am 11. November mittags zu Wasser gelassen. In der Zeit bis zum 28. November haben wir uns informiert – allerdings mehr in Hamburg als an Bord. Am 28. November, mittags 12 Uhr, stellten wir unter Oberleutnant zur See Hans Valentiner das Boot mit drei «Hurras» für Kaiser und Reich in den Dienst. Die schöne Hamburger Bummelei hatte mit dieser Stunde ein Ende, denn von jetzt an hatten wir das Boot, mit allem, was drin war, zu verwalten.

 

In der darauffolgenden Woche machten wir jeden Tag unsere Schulfahrt auf der Elbe. Am Sonnabend, den 2. Dezember 1916 hieß es dann Abschied nehmen, denn mittags gegen 12 Uhr ging es die Elbe aufwärts nach Kiel zu. Am Abend gegen 17 Uhr legten wir in Brunsbüttel an. Hier aßen und tranken wir nochmals auf Kosten von «Blohm & Voss» und es war schon ziemlich spät, als wir an Bord zurückkamen.

 

Am 3. Dezember in aller Frühe ging es dann weiter. Wir wurden in den Kaiser-Wilhelm-Kanal eingeschleust und mittags gegen 14 Uhr legten wir in Kiel am Anschar an. Die ganze Zeit in Kiel, die wir zur Schule fuhren, war reichlich mit Arbeit ausgefüllt. Meistens fuhren wir tagsüber hinaus in die Kieler oder Eckernförder Bucht, kamen abends um 17 Uhr wieder herein und pumpten dann bis 19 Uhr unsere Batterie auf, um den anderen Tag wieder klar zu sein. Wir waren darum auch alle recht froh, als uns unser Kommandant verkündete, dass wir am 28. Februar 1917 nach Flandern sollten.

 

Am 28. Februar 1917 morgens ging es dann auch mit geschmiertem Boot und drei «Hurras» aus der Ostsee heraus durch den Kaiser-Wilhelm-Kanal der Nordsee zu. Da im Kanal sehr viel Treibeis war, wurden wir von SMS Preußen geschleppt. Das Wetter war rau und zeitweise regnete es ganz jämmerlich. Abends um 17.20 Uhr legten wir endlich in Brunsbüttel an, wo wir auch die Nacht über liegenblieben.

29. Februar 1917

Wegen zu dichtem Nebel mussten wir heute noch in der Schleuse liegenbleiben. Nachdem wir mittags noch unseren Trimmversuch gemacht hatten, war allgemeines Ausscheiden.

1. März 1917

Morgens um 7.37 Uhr legten wir ab und liefen aus der Schleuse aus. Hier nahm uns wieder ein Schlepper in Empfang. Um uns einigermaßen Bahn zu machen, fuhr SMS Schleswig-Holstein voraus. Unser Schlepper hatte alle Mühe, uns durch die dicken Eisschollen hindurchzubringen. Von Cuxhaven ging es dann mit eigener Kraft nach Helgoland, wo wir mittags um 14 Uhr im U-Boot-Hafen festmachten. Nun sollte mein Wunsch endlich erfüllt werden und ich sollte das viel genannte und berühmte Helgoland sehen. Sobald ich fertig war, ging ich auch los.

Zunächst ging meine Wanderung nach dem Unterland. Hier sah es aber nicht mehr aus, als wäre hier ein Badestrand gewesen. Es war alles umgewälzt und verbaut. Wo im Frieden die schöne Sandenge und Spielplätze gewesen wären, waren nun überall Schutthaufen zu sehen. Obgleich die Insel dadurch nicht gerade verschönert wirkte, so war es doch notwendig, um dieses Fleckchen deutscher Erde zu einer Schutz- und Trutzwehr gegen England zu machen.

 

Wollte man nach dem Oberland, so musste man entweder eine Treppe hochsteigen oder einen steil ansteigenden Tunnel hinauf. In diesem Tunnel befanden sich zur Beförderung von Lasten Schienen, auf denen Hunte mittels Seilen hochgezogen oder hinabgelassen wurden. Stand man oben, so sah man soweit das Auge reichte weiter nichts als das tiefblaue Meer, das fortwährend an dem felsigen Gestein der kleinen Insel spielte und dadurch auch schon durch die Länge der Zeit einige Felsblöcke von der Insel getrennt hat. Sie ragen nun als Kegel von ungefähr 35 bis 40 Metern allein aus dem Meere empor. An der Südspitze gegen England zu hat eine mutige Seele einen dieser Kegel erklommen und das Zeichen des Eisernen Kreuzes darauf errichtet.

Oberflächlich war von dem großen Festungswall nicht viel zu sehen. Nur auf der Südseite standen einige Türme mit 30,5-Zentimeter-Geschützen und sonst sah man nur die großen Trichter, die die großen Mörser bargen. Alle 30 bis 40 Meter kam man an Toren vorbei, die in den unterirdischen Festungsbereich führten. Betrat man eines dieser Tore, die streng bewacht wurden, so hatte man vor sich einen langen Gang, der spärlich durch elektrisches Licht erhellt wurde. An beiden Seiten der Wände zogen sich dicke Kabel, Rohrleitungen für die Dampfheizung und Telefon- und Telegrafendrähte entlang.

Kaum waren wir ein Stück in das Labyrinth eingedrungen, machte sich ein Rollen und Poltern bemerkbar und aus der Ferne kam auf Schienen eine Karre auf uns zu, die bis obenhin mit 30,5-Zentimeter-Granaten vollgeladen war. Überall zweigten Quergänge ab und von diesen wieder die einzelnen Türen, die zu den Munitionskammern, zu den Provianträumen und zu all den verschiedenen Räumlichkeiten führten, die für so ein großes Werk erforderlich sind. Wollte man alles genau besichtigen, so bräuchte man Tage dazu.

Ansonsten sind die Wohnhäuser auf dem Oberland alle von der Zivilbevölkerung geräumt. Dafür haben es sich die Besatzungstruppen darin gemütlich gemacht.

2. März 1917

Morgens um 8.25 Uhr klar zum Manöver. Noch einen letzten Gruß winkten wir diesem Eiland zu und dem Feind ging es mit frohem Mut entgegen. Ohne besondere Zwischenfälle sind wir den ganzen Tag der Küste längs gefahren, um so bald wie möglich unser Ziel zu erreichen. Nachts um 23.50 Uhr kam plötzlich Alarm. Doch dieser war nur zur Übung.

3. März 1917

Den letzten Rest der Fahrt ohne Störung durchgefahren und um 9.30 Uhr machten wir endlich an der Mole in Zeebrügge fest. Nachdem wir noch eine halbe Stunde in der Schleuse zugebracht hatten, ging es mit voller Fahrt durch den Kanal nach Brügge und mittags um halb zwölf lagen wir dort fest. In der Zeit bis zum 9. März machten wir alles für eine fünftägige Fahrt klar.

2. Einsatzfahrt vom 9. März 1917 bis 14. März 1917

Befehl für UC71:

Aufgabe: Besetzen einer U-Linie zum Handelskrieg gegen die Konvois Holland-England.

Durchführung: Auslaufen am 6. März 1917, 117 Alpha. Die Quadrate sind bis zum 11. März, 5 Uhr vormittags, besetzt zu halten, dann einlaufen.

Allgemeines: Mit eigenen Torpedo- und U-Booten ist zu rechnen.

10. März 1917

Nachts um null Uhr legten wir ab und im Stockdunkeln ging es durch den Kanal nach Zeebrügge. Nach dem Durchschleusen ging es dann ohne Aufenthalt bis morgens 7 Uhr weiter, dann weckte mich die Alarmglocke aus meinem schönen Schlaf. Es war aber nur ein Trimmversuch und anschließend hatten wir eine Unterwasserfahrt bis mittags 13 Uhr. Nachmittags luden wir bis 17 Uhr unsere Batterie. Um 17.17 Uhr krachten zwei Schüsse. Sie galten einem Segler, der harmlos beim Fischfang war. Ob er getroffen wurde, wusste niemand. Wir haben ihn in Ruhe gelassen und sind dann über Wasser weitergefahren, ohne auch nur eine Rauchwolke zu sehen.

11. März 1917

Die ganze Nacht haben wir meistens still gelegen. Morgens um 8 Uhr ging es mit beiden Maschinen langsam über Wasser weiter – immer auf unserem Quadrat hin und her. Abends um 20 Uhr lagen wir auf Grund, 45 Meter tief, und um null Uhr ging es wieder hoch.

12. März 1917

Das Tempo von gestern wurde fortgesetzt. Morgens um 9.45 Uhr ertönte Alarm, ein Dampfer kam uns in die Quere. Er bekam zur Begrüßung einen Schuss und Seppl hatte Glück und traf gleich mittschiffs in der Wasserlinie. Da es jedoch üblich ist und der Alte befürchtete, der Dampfer könnte bewaffnet sein, wurde getaucht. Durch allgemeine Verwirrung konnte das Boot nicht gehalten werden und so ging es mit Affenfahrt auf 26 Meter Tiefe und dann ebenso schnell wieder auf acht Meter. Das Resultat war, dass der Dampfer das Weite gesucht hatte. Wir suchten dann noch eine Stunde nach ihm, doch er blieb für uns verschwunden.

Um 14.10 Uhr gab es wieder Alarm. Diesmal war es einer unserer größten Freunde, nämlich ein englischer Zerstörer, der sich...

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