Von Binärcodes und Mikrochips – die Wurzeln der Digitalisierung
Die Wurzeln der Digitalisierung gehen zurück auf die Erfindung eines binären Codes, der aus simplen Nullen und Einsen besteht, und eines unscheinbaren, winzigen Teilchens: den Mikrochip. Klein, aber oho – erstmals war es gelungen, auf kleinstem Raum Rechenleistung, also die logische Verknüpfung von Nullen und Einsen in unterschiedlicher Reihenfolge, verarbeiten zu lassen.
Gordon Moore, der Mitgründer von Intel, eines Herstellers von Mikrochips, sollte lange Zeit mit seiner im Jahr 1965 aufgestellten These, dem sogenannten Moore’schen Gesetz, Recht behalten, nach der sich die Rechenleistung von Mikrochips im Schnitt jeweils innerhalb von 18 Monaten verdoppelt. Aber auch andere Technologien setzten sich in atemberaubender Geschwindigkeit fort und vor allem durch: Während das Festnetztelefon noch über 120 Jahre brauchte, um sich weltweit zu verbreiten, wird das Mobiltelefon Selbiges innerhalb von nur 20 Jahren erreichen, d. h. sechsmal so schnell. Während der Aufbau des elektrischen Stromnetzes knapp 90 Jahre benötigte, wird sich das Internet innerhalb von höchstens 30 Jahren weltweit durchsetzen, also dreimal so schnell (vgl. auch Drath, 2016). Die neuen technologischen Entwicklungen folgen also immer schneller und schneller und in größerem Umfang aufeinander.
Unser reales und digitales Leben ist mittlerweile so miteinander verwoben, dass wir oft gar keine Unterscheidung mehr treffen zwischen dem Digitalen und Analogen. Wir leben ein „Digilife“. Ein Leben ohne die digitalen Errungenschaften wie das Internet, die Sozialen Medien, das Smartphone und Tablet ist für fast alle von uns schlicht nicht mehr vorstellbar. Wir sprechen in dem Zusammenhang schon nicht mehr von „online“, sondern von „onlive“.
Und auch wenn uns mittlerweile das Digitale so vertraut scheint, ist doch zugleich die von uns Menschen geschaffene Digitalisierung mit Auswirkungen verbunden, welche die Mehrheit von uns noch nicht versteht oder erfassen kann. Somit ist die Digitalisierung das größte Live-Experiment, was es je in der Geschichte der Menschheit gab. Man spricht deswegen auch von der digitalen Revolution oder besser der digitalen Transformation. Nicht ohne Grund vertreten Politiker über alle Parteien hinweg seit einiger Zeit in ungewohnter Übereinstimmung die Meinung: „Digitalisierung ist die größte Herausforderung!“
Uns fehlt aktuell das Wissen um die Wirkungen und Auswirkungen der Digitalisierung und der Mut, die hierfür erforderliche Umsetzung und damit die Veränderungen anzupacken. Kein Wunder, denn wir blicken auf eine erfolgreiche Vergangenheit zurück, die vielen Menschen und Unternehmen in unserer Gesellschaft eine große, relativ sorgenfreie Komfortzone beschert hat, aus der heraus es schwerfällt, sich neu zu orientieren und den Sprung in Unbekanntes zu wagen.
Digitalisierung – ein Definitionsversuch
Digitalisierung ist in aller Munde. Googelt man den Begriff, erhält man aktuell über 28 Millionen Einträge. Doch was ist Digitalisierung eigentlich genau? Was gehört alles dazu? Was lässt sich darunter verstehen?
Eine simple Erklärung gibt es nicht; dazu ist Digitalisierung zu umfassend. Ausgehend von der Wortbedeutung geht es dabei um die Umwandlung von analogen Informationen in digitale Formate, die aus Bits und Bytes bestehen, um sie schneller und besser ver- und bearbeiten, speichern und kopieren zu können. Das bezeichnet die digitale Transformation.
Damit ist aber längst noch nicht alles erfasst, was sich hinter dem Begriff Digitalisierung verbirgt. Sie hat auch Einzug in die Kommunikation und die Hardware gehalten. So basieren Instrumente, Geräte, Maschinen, Fahrzeuge und viele weitere Gegenstände zunehmend mehr auf den Errungenschaften der Digitalisierung. Smart Homes, „denkende“ Roboter, autonom fahrende Autos und sprachgesteuerte Assistenten wie Amazons „Alexa“ sind hier nur einige wenige Beispiele.
Die Digitalisierung hat unter anderem dazu geführt, dass
auch komplexe und umfassende Abläufe und Workflows immer mehr und mehr automatisiert werden können,
der Dialog und die Kontaktaufnahme zwischen Unternehmen und ihren Kunden direkter und schneller vonstattengehen können,
sich dank der Vernetzung zwischen Mensch und Mensch und Mensch und Maschine neue Geschäftsmodelle eröffnet haben,
Entscheidungen und Prognosen aufgrund größerer Datenmengen sicherer und besser getroffen werden können.
All dies treibt die Entwicklung neuer Technologien und weiterer innovativer Geschäftsmodelle stetig voran. Eine Innovation jagt die nächste. Wir sind mitten im digitalen Transformationsprozess. Das fordert von den Menschen zunehmend mehr Anpassungsfähigkeit. Viele haben aktuell das Gefühl, dass ihre Umwelt sich schneller verändert als sie selbst oder das Unternehmen, für das sie arbeiten. Das Bewährte und Gewohnte hat sich überlebt; viele alteingeführte Unternehmen haben ihren ursprünglichen Geschäftszweck verloren. Und auf die Frage, ob man das Unternehmen genau so noch einmal neu gründen würde, ist vielen die Antwort klar. Sie lautet „Nein“.
Die Bedingungen, die das Wirtschafts- und auch Privatleben der heutigen Zeit prägen, haben sich radikal geändert. Der Begriff VUCA fasst diese Faktoren prägnant in vier Buchstaben zusammen.
V | Volatility | Volatilität, Unbeständigkeit |
Das größte Risiko ist der Stillstand eines Unternehmens bei sich radikal verändernden Umweltbedingungen. Dieses Risiko bezeichnet man auch als das „Risiko der Nicht-Digitalisierung“, was sich am Beispiel der Firmengeschichten von Kodak, Quelle, Nokia etc. anschaulich erläutern lässt.
Wir stehen aufgrund dieser Entwicklungen der digitalen Transformation derzeit an der Schwelle zur vierten industriellen Revolution.
Wirkungen der Digitalisierung
Der Blick zurück: was sich aus Vergangenem lernen lässt
Doch ist das alles wirklich so neu und unbekannt, wie es sich anfühlt? Ein Blick zurück hilft Klarheit zu gewinnen. Aus einem Rückblick heraus lassen sich sogenannte übergeordnete Meta-Faktoren erkennen und auf die heutige Zeit der Digitalisierung übertragen.
Wichtig
Wer die Zukunft gestalten will, muss die Gegenwart und die Prinzipien der Vergangenheit verstanden haben.
Vor über 100 Jahren war es die Elektrifizierung, die das Arbeitsleben, die Wirtschaft und die Lebensverhältnisse der Menschen grundlegend verändert hat. Der Aufbau eines flächendeckenden Stromnetzes war gekennzeichnet von folgenden Meta-Faktoren:
Der Ort der Energieerzeugung war von nun an von dem Ort der Kraftverwendung getrennt. Das war bei den bisher zur Stromerzeugung eingesetzten Dampfmaschinen nicht möglich.
Strom war jetzt immer nahezu unendlich verfügbar, ohne dass sich der Verbraucher selbst um die Erzeugung und die damit verbundene Vorhaltung von Energiequellen und Kraftstoffen kümmern musste.
Man konnte die Energie nun individuell steuern und regeln.
Diese Meta-Faktoren waren die Basis für neue Entwicklungen: Es gab bald strombetriebene Werkzeuge, wie beispielsweise Bohrmaschinen, und Geräte wie z. B. Kühlschränke, die die Geschäftsmodelle von Großunternehmen wie Siemens, AEG etc. begründeten.
Kommen wir zurück zur Digitalisierung. Was lässt sich aus den wesentlichen Faktoren der Elektrifizierung in unsere heutige Zeit übertragen und lernen? Naheliegend ist vor allem eines: Die Digitalisierung basiert auf den Meta-Faktoren der Elektrifizierung. Ohne die Elektrifizierung wäre die Digitalisierung nicht möglich gewesen. Das merken wir spätestens, wenn der Akku unseres Smartphones geladen werden muss. Ohne die Elektrifizierung ist die Digitalisierung nicht vorstellbar und umsetzbar.
Zusätzlich spielt bei der Digitalisierung auch der oben genannte Meta-Faktor Nr. 1 der Elektrifizierung eine entscheidende Rolle: Produktions-, Management- und Vertriebsorte müssen nicht beieinander liegen. Heutzutage gilt das mehr denn je. Wir leben im Zeitalter der Globalisierung.
Beispiel: Arbeitsteilung im Rahmen der Globalisierung
Maschinen werden von Ingenieuren in Deutschland entworfen. Die Bauteile dafür werden in verschiedenen Ländern weltweit in einem dafür vorgegebenen Zeitfenster produziert und anschließend versendet, damit alle Einzelteile in einem weiteren Land zusammengesetzt und von Deutschland aus per Internet...