KAPITEL 1
Ist dieses Buch das richtige für mich?
Liebe Leserin und lieber Leser – schön, dass Sie da sind!
Leider können wir uns gerade nicht persönlich unterhalten – aber wir haben uns, bevor und während wir dieses Buch schrieben, ein paar Gedanken dazu gemacht, wer Sie wohl sein könnten.
Finden Sie sich in einer der folgenden Beschreibungen wieder?
- Sie sind Softwareentwicklerin und haben nebenher eine nützliche App entwickelt, die nun so langsam das Licht der Öffentlichkeit erblicken soll. Jetzt stehen Sie vor der Herausforderung, auf Ihrer Website kurz und bündig zu erklären, was Ihre App tut und warum das nützlich ist.
- Sie machen IT-Support. Dabei fragen Sie sich, warum Ihre User so schwer von Begriff sind und Sie immer wieder vor Ort helfen müssen. Wollen oder können die Nutzer Ihre E-Mails nicht verstehen?
- Sie sind IT-Consultant und Spezialist für eine bestimmte Technologie. Jetzt wollen Sie ein Buch darüber schreiben – und zwar so, dass auch Manager ohne IT-Ahnung verstehen, worum es geht (und warum sie Sie in Zukunft für solche Projekte anheuern sollten).
- Sie sind im Freundeskreis immer diejenige, die anderen Leuten ihre Computer erklären muss. Ehrlich gesagt, macht es Ihnen sogar Spaß. Sie überlegen, ob Sie nicht ein Blog zu IT-Themen anfangen sollten – oder einem Nachrichtenportal Ihre Beiträge anbieten.
- Sie schreiben sowieso schon professionell – vielleicht über erneuerbare Energien, Craft Beer und den Nahostkonflikt. Jetzt würden Sie gern auch Digitales mit abdecken und fragen sich, ob man dazu Informatik studiert haben muss oder einen Mindestscore in Minecraft1 braucht. (Spoiler: Nein.)
Warum dieses Buch?
»Das Leben so kurz, das Handwerk so lang zu lernen.«
Geoffrey Chaucer
Wir haben dieses Buch geschrieben, weil IT in all ihren Ausprägungen unser Leben immer mehr bestimmt – aber immer weniger Menschen verstehen, wie sie funktioniert. Das brauchen sie oberflächlich betrachtet auch nicht mehr, denn Computer sind immer nutzerfreundlicher und intuitiver geworden. Und mit »Computer« meinen wir auch das Smartphone, den Bordcomputer Ihres Autos und die Rechenzentren, in denen Algorithmen darüber entscheiden, ob wir Werbung für Motorräder oder Inkontinenzeinlagen zu sehen kriegen.
Aber spätestens dann, wenn etwas nicht mehr funktioniert – oder wenn man eine fundierte Entscheidung darüber treffen muss, ob man in einer bestimmten Angelegenheit einem Computer vertraut oder nicht –, ist es doch ungemein nützlich, ein Grundverständnis davon zu haben, wie die digitale Welt um uns herum funktioniert.
Weil nun nicht jeder IT-Nutzer ein begabter Hacker ist, der ohne Hilfe und Anweisung die Funktionsweise eines Systems durch reines Herumspielen rekonstruieren kann, brauchen wir dazu:
Leute, die über IT schreiben.
Und zwar so interessant und verständlich wie möglich.
Denn was unser Verhältnis zur Technologie betrifft, gibt es in unserer Gesellschaft zwei Gruppen, die durch eine immer größer werdende Kluft getrennt sind: die Anwender und die Versteher.
Anwender sind wir am Anfang alle – wenn wir das erste Mal vor einer Tastatur sitzen oder mit einer neuen Technologie wie beispielsweise einem Hausassistenten mit Spracherkennung konfrontiert werden. Nur einige von uns machen allerdings – aus reinem Interesse oder aus beruflichen Gründen – den Schritt zum Versteher und finden heraus, nach welchen Prinzipien die Technologie in ihrem Inneren funktioniert. Nur wenn man das weiß, kann man eine vernünftige, auf dem Abwägen von Vor- und Nachteilen basierende Entscheidung darüber treffen, ob man sie einsetzen möchte oder nicht – ob man sich etwa ein Amazon Echo ins Wohnzimmer stellt oder ob man darauf vertrauen kann, dass das Smart Home das Fenster rechtzeitig vor dem heranziehenden Gewitter schließt. Oder ob man lieber schnell vom Italiener in der Stadt nach Hause fährt, um das Fenster selbst zu schließen – und ob das Fahrzeug, das man dazu benutzt, ein Infotainment-System haben soll oder nicht (oder ob es sich um ein Taxi handelt, das man mit einer App herbeigerufen hat).
Menschen, die nicht zumindest in Grundzügen verstehen, was unsere digitalisierte Welt in ihrem Inneren zusammenhält, müssen sich bei ihren Entscheidungen entweder auf die Marketingversprechen von Technologiekonzernen verlassen oder zu Technologieverweigerern werden, die keine E-Mail-Adresse haben und darauf hoffen, dass ihr altes Nokia 5110 sie überlebt.
Warum schreiben wir das alles im ersten Kapitel eines Buchs über das Schreiben?
Ganz einfach: Es werden heute viel mehr Texte über Computer und andere Erscheinungsformen der IT produziert als jemals zuvor:
- Bücher und E-Books,
- Artikel (online und offline) sowie Blogbeiträge,
- Gebrauchsanleitungen,
- technische Dokumentationen,
- Einträge in Foren,
- E-Mails an Einzelne und auf Mailinglisten,
- Uniskripten,
- Wikipedia-Einträge,
- Verkaufsbroschüren und Produktbeschreibungen
- und viele mehr!
Aber in den meisten dieser Texte bleiben die Fachleute unter sich – in ihrer ganz eigenen Blase: Sie werden von Experten für Experten geschrieben. Oder es handelt sich um Werbung, auch versteckte (mehr dazu in Kapitel 3, »Big und Little Data: Recherche und Quellenangabe«).
Klar, viele Expertinnen und Experten finden: Wer was über IT lernen will, soll doch einfach unsere Texte lesen. Da stehen alle Details drin. Frag mich nicht, was funktionale Programmierung ist oder wie eigentlich Machine Learning funktioniert – steht alles bei Wikipedia!
Das Problem dabei: So werden alle Menschen aus der Gruppe der Versteher ausgeschlossen, die nicht den größten Teil ihrer Zeit investieren können, um zuverlässige Quellen zu suchen und wichtige von unwichtigen Details zu trennen. Und das sind mehr, als wir denken: Dazu gehören fast alle Leute außerhalb von IT-lastigen Berufen, vom Sachbearbeiter in der Stadtverwaltung über die Ärztin und den Versicherungsvertreter bis hin zum Bäcker und zur Lehrerin.
Viele von ihnen würden sich unserer Erfahrung nach gern besser mit Technik auskennen – würden aber in einer Fachzeitschrift wie der c’t nicht einmal die Artikelüberschriften verstehen und halten nach einem langen Arbeitstag auch die ersten zwei Absätze eines Wikipedia-Artikels oder einer ähnlich trockenen Materie nicht mehr durch.2
Wir finden daher: Unsere Gesellschaft braucht mehr Texte über IT, die für die unterschiedlichsten Zielgruppen geschrieben sind – und deren Lektüre Spaß macht! Wie unsere Laptops und Smartphones und bald auch unsere Häuser und Autos funktionieren, sollte kein elitäres Wissen sein, sondern etwas, das für jeden auf einem passenden Niveau frei zugänglich ist.
Und wer soll diese Texte schreiben?
Sie!
Was Sie in diesem Buch lernen
Jeder gute Text fängt bei der Leserin3 an. Unser Buch daher auch. In Kapitel 2, »Mein Leser, das unbekannte Wesen«, überlegen wir, wie Sie den Bedürfnissen Ihrer Leserin auf die Spur kommen.
Nachdem Sie herausgefunden haben, was Ihre Leser interessiert, steht als Nächstes die Recherche an: In Kapitel 3, »Big und Little Data: Recherche und Quellenangabe«, schauen wir uns an, wie Sie seriöse Quellen finden und diese transparent zitieren. Kein Platz für Fake News!
Im nächsten Kapitel – »GOTO considered harmful« – befassen wir uns damit, wie Sie einen Text gut strukturieren und damit Ihre Leserin an die Hand nehmen, damit sie nicht die Orientierung (und das Interesse) verliert. Dazu gehört auch der kluge Einsatz von Bildern und Tabellen.
Dann geht es schließlich in Kapitel 5, »Ausdruck vor Eindruck: Verstanden statt gefürchtet werden«, ans Eingemachte: Wie schreibe ich denn nun was? Welche Wörter und Satzstrukturen verwende ich, welche besser nicht? Welche Ausdrücke sind überflüssig – und wann sollte man Überflüssiges trotzdem hinschreiben?
Anschließend widmen wir uns einer oft übersehenen, aber sehr wichtigen Frage – im sechsten Kapitel »Erzähl mir nix: Storytelling«: Wie kann man einen Text über Technologie menscheln lassen, und warum sollte man das überhaupt?
Schließlich geht es an die Überarbeitung – oder anders gesagt: »Auftragen, polieren, einatmen, ausatmen«(Kapitel 7). Denn in dem Moment, in dem Sie aufatmen, den Laptop zuklappen und sich im Stuhl zurücklehnen, ist der Text in Wirklichkeit noch gar nicht fertig. (Sorry.)
Was tun, wenn es mit dem Schreiben nicht so recht vorwärts geht? In Kapitel 8, »Prokrastination 101: (Un)produktiv sein«, teilen wir unsere geheimen und nicht so geheimen Rezepte4 dazu, wie Sie schwierige Aufgaben noch besser vor sich herschieben (Bonusmaterial: die besten Videos von stolpernden Elefantenbabys und zwölf Gründe, warum Sie genau heute Ihre Garage aufräumen sollten).
Ihre bis hierhin neu erworbenen oder...