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Keine Posaunen vor Jericho?

Beiträge zur Archäologie der Landnahme

VerlagSCM Hänssler im SCM-Verlag
Erscheinungsjahr2019
ReiheStudium Integrale 
Seitenanzahl192 Seiten
ISBN9783775174497
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Warum verweisen viele Forscher die Eroberung Kanaans durch die Israeliten, wie es das Alte Testament berichtet, ins Reich der Fabeln? Die Autoren dieses Sammelbands zeigen, dass dieses Ereignis archäologisch belegbar ist. Ein Buch für alle, die die biblischen Geschichten ernst nehmen. In der Neuauflage wurde der Inhalt auf den heutigen Stand gebracht. Außerdem sind neue Themen wie das Datum des Auszugs der Israeliten aus Ägypten (Exodus) und die Exodus-Route aufgenommen worden.

Prof. Dr. Uwe Zerbst ist Wissenschaftler und Ingenieur und befasst sich seit vielen Jahren nebenberuflich mit der Geschichte und Datierung des alten Vorderen Orients. Dr. habil. Peter van der Veen ist Alttestamentler und Biblischer Archäologe. Er ist Mitarbeiter der SG Wort und Wissen e. V. und Privatdozent für Palästina-Archäologie an der Johannes-Gutenberg-Universität, Mainz.

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Vorwort zur dritten Auflage


Das unverminderte Interesse an der Problematik der Archäologie und Geschichtlichkeit der biblischen Landnahme macht eine dritte Auflage dieses Buches erforderlich. Es wurde an mehreren Stellen sprachlich und inhaltlich korrigiert und erweitert. Am Ende des Buches wurden noch zwei Anhänge mit aufgenommen. In Anhang 1 wird ausführlicher erklärt, auf welchen chronologischen Angaben das im Buch gewählte Datum für den Auszug und die Landnahme beruht. Im zweiten Anhang wird kurz auf Fragen zur Lokalisierung der israelitischen Wüstenwanderung eingegangen und warum die Autoren die östliche Lage des Berges Horeb, wie sie in den vergangenen Jahren immer wieder diskutiert wurde, aus archäologischen Gründen nicht teilen. Auch möchten die Herausgeber dieses Vorwort nutzen, um auf einige weitere Entwicklungen der letzten Jahre hinzuweisen.

Die Kernthese des Buches besteht darin, dass die Eroberung Kanaans durch die Israeliten unter Josua nicht, wie früher durch die Vertreter der ALBRIGHT-Schule angenommen, am Übergang von der Späten Bronze- zur Eisenzeit, sondern bereits gegen Ende der Mittleren Bronzezeit stattfand. Nur für diesen Zeitpunkt stimmen der biblische Bericht und der archäologische Befund überein, und das sogar auf bemerkenswerte Weise. Dass dem so ist, haben in jüngster Zeit auch andere Autoren bestätigt. So schreiben Amos NUR und Dawn BURGESS in einem 2008 erschienenen Buch: Für die „nahezu fehlende Schicht, die Kathleen KENYON Josua zuschreiben wollte“, sei „die Zerstörung um 1600 v. Chr. … wohl der bessere Kandidat“1 und Aaron BURKE bemerkt ebenfalls 2008, der biblische Bericht hätte seinen Prototyp wohl in den imposanten Festungsanlagen der Mittleren Bronzezeit gehabt.2

Die Idee, die Ereignisse des Buches Josua, die biblisch auf die Jahre kurz vor 1400 v. Chr. zu datieren sind, archäologisch auf das Ende der Mittleren Bronzezeit zu beziehen, geht nicht auf die Herausgeber dieses Buches zurück, sondern wurde bereits Ende der 1970er Jahre von dem britischen Alttestamentler John BIMSON, der einen Beitrag für dieses Buch verfasst hat, zur Diskussion gestellt. BIMSON versuchte das Problem des damit verbundenen chronologischen Versatzes seinerzeit dadurch zu lösen, dass er die gesamte Späte Bronzezeit in das kurze Zeitfenster zwischen 1420 und 1200 v. Chr. einpasste. Dieser Versuch hielt jedoch der kritischen Überprüfung nicht stand3 und wurde daher von ihm selbst wieder aufgegeben. Es stellte sich heraus, dass die Synchronisierung der biblischen Landnahme mit den archäologischen Schichten am Ende der Mittleren Bronzezeit nur auf der Grundlage einer sehr viel weiterreichenden chronologischen Revision möglich ist, die den gesamten Alten Orient und vor allem Ägypten betreffen würde. Dass eine solche Revision tatsächlich notwendig ist, wird von den Herausgebern dieses Buches ebenso wie von John BIMSON heute vertreten.

Diese These hat eine gewisse Radikalität, da sie nicht nur eine komplette Neudatierung des Neuen Reiches in Ägypten, sondern auch der assyrischen Chronologie erfordert und sich zudem mit chronologischen Fixpunkten aus astronomischen Betrachtungen auseinandersetzen müsste. Angesichts dieser Tragweite wäre es mehr als überraschend, wenn die Überlegungen in der wissenschaftlichen Welt mit offenen Armen aufgenommen würden. Dass sich ein wissenschaftliches Modell der Kritik stellen muss und dabei Veränderungen erfährt, ja am Ende vielleicht sogar aufgegeben werden muss, ist jedoch alles andere als ungewöhnlich, und auch die Herausgeber dieses Buches haben sich dem zu stellen. Allerdings steht die Auseinandersetzung im vorliegenden Fall nicht an ihrem Ende, sondern gerade erst am Anfang.

Veränderungen von Teilen der archäologischen Chronologie der Alten Welt sind an sich nicht ungewöhnlich. Erinnert sei an die von Israel FINKELSTEIN angestoßene Diskussion um die Neudatierung der Eisenzeit in Palästina, die längst nicht abgeschlossen ist (s. im Buch S. 62). Nennenswerte chronologische Verschiebungen wurden in jüngerer Zeit auch für die Zeit des Mittleren Reiches in Ägypten, für die altbabylonische Zeit in Mesopotamien und für die Datierung der Übergangszeit von der Frühen zur Mittleren Bronzezeit in Palästina vorgenommen, wobei auch die astronomischen Fixpunkte dieser Zeit eine Neubewertung erfahren haben. Die Herausgeber gehen in ihrem Buch Volk ohne Ahnen? Auf den Spuren der Erzväter und des frühen Israel, Holzgerlingen, 2013, ausführlicher auf diese Problematik ein. Die erwähnten chronologischen Revisionen sind zumeist auf einige Jahrzehnte bis maximal ein Jahrhundert begrenzt, was für Fragen der Geschichtsschreibung freilich erhebliche Zeiträume sind. Anders als bei dem Vorschlag, den die Herausgeber dieses Buches vertreten, bleibt der übergeordnete chronologische Rahmen dabei zumeist unangetastet. So erfordert beispielsweise FINKELSTEINs Revision des eisenzeitlichen Palästina keine Neufassung der ägyptischen Chronologie. Stattdessen werden verlängerte Zeitabschnitte in Palästina an anderer Stelle durch Stauchungen der Chronologie kompensiert.

Das Problem einer weitergehenden Revision besteht wie gesagt darin, dass die Komplexität der durch sie verursachten Fragestellungen ungleich größer ist. Aufgrund von Querverbindungen ist eine nennenswerte Veränderung der Chronologie des Neuen Reiches in Ägypten nicht möglich, wenn nicht auch die bestehende assyrische Chronologie fehlerhaft ist. In diesem Zusammenhang ist es interessant, dass sich, anders als noch vor einigen Jahren, auch hier die kritischen Stimmen mehren. So spricht sich Pierce FURLONG in seiner 2007 an der Universität Melbourne publizierten Dissertation für eine Verkürzung der assyrischen Chronologie dieses Zeitraums um nicht weniger als 200 Jahre aus.4 In dem erwähnten Buch über die Archäologie der Stammväterzeit sind zwei Aufsätze des schottischen Wissenschaftlers David LAPPIN enthalten, die sich mit der Venusdatierung für das Krönungsdatum des babylonischen Königs Ammizaduga und der astronomischen Datierung der Illahun-Dokumente aus dem Mittleren Reich in Ägypten beschäftigen. LAPPIN zeigt darin, dass sich die derzeit diskutierten chronologischen Varianten, die sich aus diesen Daten ergeben, um weitere Spielarten ergänzen lassen, welche die von den Autoren dieses Buches vorgeschlagene Revision der Chronologie durchaus möglich machen. Diese Varianten weisen statistisch sogar eine höhere Wahrscheinlichkeit auf als die gegenwärtig im konventionellen Rahmen diskutierten Daten. Auch für die Zeit Ramses’ II. finden sich alternative astronomische Daten.5 Die Argumentation zugunsten einer Synchronisierung der biblischen Landnahme mit den archäologischen Schichten am Ende der Mittleren Bronzezeit ist nach der Überzeugung der Herausgeber heute stärker, als sie bei der Erst- und Zweitauflage dieses Buches war.

Anders als in früheren Arbeiten von Peter JAMES und David ROHL besteht die Revision jedoch nicht in der Auffindung eines größeren Fehlers in der späteren Geschichte, nach dessen Beseitigung sich das ganze chronologische Gerüst wieder in die richtige Lage bringt. Zwar weisen chronologische Unstimmigkeiten im Palästina der Eisenzeit und im Ägypten der Dritten Zwischenzeit und des Neuen Reiches nach wie vor darauf hin, dass die ägyptische Chronologie dieser Zeit Fehler enthalten muss. Diese dürften aber nicht aus einem punktuellen Versatz bestehen, sondern haben sich aus Fehlern an verschiedenen Stellen akkumuliert, weshalb die chronologische Korrektur für verschiedene Zeiten auch unterschiedlich sein muss. Ein Versatz von 350 Jahren, wie ihn ROHL ins Gespräch gebracht hat, ist nicht aufrechtzuerhalten. Prinzipiell ist bekannt, wo mögliche Fehler versteckt sein könnten. Ein besonders prägnantes Beispiel ist die Zeit der Hyksosherrschaft in Ägypten (konv. 1640–1530 v. Chr.), für die es aufgrund des neueren archäologischen Befundes wahrscheinlich wird, dass sie länger dauerte als bislang angenommen.6 Das bedeutet, dass der chronologische Versatz zu Beginn des Neuen Reiches deutlich größer wäre als zum Ende des Mittleren Reiches und auch zur Zeit der biblischen Landnahme.

Wenn die Herausgeber oben erwähnt haben, dass eine so komplexe Revision der Chronologie, wie sie aufgrund ihrer Vermutungen erforderlich wäre, naturgemäß auf Kritik oder Zurückhaltung stoßen muss, so wollen sie jedoch auch erwähnen, dass sie einen Trend in Richtung zunehmender Offenheit sehen, der zwar nicht von allen, jedoch von einer langsam zunehmenden Zahl an Wissenschaftlern geteilt wird. Aus informellen Kontakten ist eine Fachgruppe von Wissenschaftlern entstanden, die sich den Namen BICANE (= Bronze to Iron Age Chronology of the Ancient Near East) gegeben hat. Die internationale Gruppe, die von den Herausgebern mit angestoßen wurde, besteht aus einer größeren Gruppe von Wissenschaftlern aus Europa, Nord- und Südamerika und Australien, von denen mehr als drei Viertel hauptberuflich mit Ägyptologie, Assyriologie und levantinischer Archäologie befasst sind. Die meisten Mitglieder von BICANE sind von der Notwendigkeit einer substantiellen Revision der archäologischen Chronologie des Alten Orients überzeugt, vertreten im Einzelnen aber durchaus unterschiedliche Ansätze darüber, wie diese Korrektur aussehen müsste. Ein wichtiges Ziel ihrer Diskussion sehen sie im wissenschaftlichen Austausch der unterschiedlichen Fachgebiete und in der gegenseitigen...

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