Das folgende Beispiel wird sich als »roter Faden« durch dieses und die kommenden Kapitel des Buches ziehen. Exemplarisch werde ich anhand der »großen, norddeutschen Klinik« verdeutlichen, wie einzelne, mögliche Schritte (Tippkasten Kap. 1.5) zu mehr Personal aussehen können.
Beispiel In einer norddeutschen Klinik …
Die Stimme am Telefon hat einen alarmierenden Unterton: »Wir bekommen überhaupt keine Bewerbung auf unsere bundesweit geschalteten Stellenanzeigen.« Der Sprecher ist Personalverantwortlicher in einem großen Krankenhaus in Norddeutschland und steht massiv unter Druck: »Unsere Bettenstationen sind voll, die Intensivstation kann nur noch mit Notbesetzung betrieben werden. Das Personal, das noch vorhanden ist, muss je nach Bedarf hin- und hergeschoben werden, was weitere Ausfälle nach sich zieht. Der Krankenstand ist nicht mehr zu kompensieren und zwei weitere Kündigungen sind im Laufe der letzten Woche eingegangen. Wir müssen weitere Betten schließen und es passieren Fehler in der Patientenversorgung!«
Die bittere Wahrheit in vielen bundesdeutschen Kliniken
Das Problem des Personalverantwortlichen aus Norddeutschland ist keineswegs einzigartig. Fast alle bundesdeutschen Kliniken haben die gleichen Probleme:
•Insgesamt steht zu wenig Personal zur Verfügung. Zudem sind ein hoher Krankenstand und laufende Kündigungen zu kompensieren.
•Das Pflegepersonal ist durch das Kompensieren der Arbeit von fehlenden Kollegen dermaßen frustriert und gestresst, dass weitere Ausfälle drohen.
•Oft genug wird Leiharbeitspersonal eingesetzt, was eine zusätzliche Belastung ist, denn die notwendige Einarbeitung kostet Zeit.
•Offene Stellen können nicht besetzt werden, weil keine oder nur wenige Bewerbungen vorliegen.
•Das Personal wird zwischen den Stationen hin- und hergeschoben, was die Unzufriedenheit der Pflegekräfte verstärkt.
•Junge Pflegekräfte können kaum richtig eingearbeitet werden, wodurch sich langfristig Fehler einschleichen.
•Die Versorgung der Patienten ist oft nur noch mangelhaft, an ihre psychische Betreuung ist gar nicht mehr zu denken.
•Durch den Einsatz von Fremdpersonal geht häufig die komplette Struktur der Stationen verloren. Jeder arbeitet so, wie er es für richtig hält. Allgemein verbindliche Standards werden ignoriert.
•Medikamente werden verwechselt oder vergessen.
•Zeitarbeitsfirmen schicken unqualifiziertes Personal, das nur notdürftig die Arbeitsbelastung auffangen kann.
•Die Dokumentation ist mangelhaft. Dadurch geht dem Krankenhaus Geld verloren.
•Niemand fühlt sich mehr verantwortlich. Arbeit bleibt liegen.
•Das Bestellwesen funktioniert nicht mehr. Es kommt zu Doppelbestellungen oder wichtige Ware ist nicht verfügbar.
•Dienstpläne sind fehlerhaft. Personal wird doppelt geplant oder erscheint gar nicht zum Dienst.
Meine Aufgabe als Beraterin beginnt direkt nach einem solchen Anruf: Ich muss schnell nachhaltige Lösungen finden, um die Arbeitsabläufe neu und nachhaltig zu strukturieren, damit eine gute Patientenversorgung (wieder) gewährleistet ist. Der erste Schritt dazu ist, das Personal am Prozess zu beteiligen: Hören Sie nicht weg – hören Sie auf Ihr Personal!
Es nutzt gar nichts, wenn Sie als Leitung die Probleme erkennen und im kleinsten Kreis in internen Meetings nach einer Lösung suchen. Sie müssen Ihre Mitarbeitenden mitnehmen, sie also informieren, befragen – und ihnen zuhören! Auf eins können Sie vertrauen: Sobald Mitarbeiter wissen, dass Hilfe naht, bessert sich bereits die Stimmung. Denn schon mit der Ankündigung »Wir arbeiten dran!« beginnt eine positive Welle der Veränderung und die schlechte Stimmung, der Nebel der Negativität, beginnt sich aufzulösen.
Ein weiterer Vorteil: Wenn Sie sich als Arbeitgeber direkt an Ihre Mitarbeiter wenden, werden Sie erfahren, was diese wirklich für ihr Wohlbefinden und ihre persönliche Zufriedenheit am Arbeitsplatz brauchen.
Bei all meinen Beratungen und Coachings liegen mir sieben Dinge ganz besonders am Herzen, die ich meinen Kunden gleich zu Beginn mitteile:
1.Wir müssen allen Mitarbeitern gegenüber offen und ehrlich sein.
2.Wir beziehen jeden Einzelnen in den Prozess mit ein.
3.Wir sprechen die gleiche Sprache.
4.Wir erarbeiten gemeinsam Lösungen.
5.Jeder Einzelne ist wichtig.
6.Wir übernehmen gemeinsam Verantwortung.
7.Wir feiern gemeinsam Erfolge.
Bei allen Informationen für das Personal geht es darum, einfach und klar zu kommunizieren. Vergessen Sie Worthülsen wie »Herausforderung« und den verwirrenden Satz von der »Krise«, dem man den »Beigeschmack von der Katastrophe« beimisst. Sagen Sie stattdessen, dass Sie ab sofort alles tun werden, um schnell und nachhaltig mehr Pflegepersonal einzustellen. Legen Sie Wert auf offene Kommunikation und die Nähe zum einzelnen Mitarbeiter. Wenn jeder Einzelne über das Vorhaben informiert wird, entsteht die Bereitschaft, etwas zu verändern. Jeder wird in die neuen Entwicklungen mit einbezogen, kann Verantwortung übernehmen und seinen persönlichen Beitrag auf dem Weg zum Erfolg leisten. Das gibt Kraft und schafft neue Motivation.
Fazit Problemlösung = Wertschätzung
Die ehrliche Absicht, Probleme gemeinsam anzugehen und Mitarbeiter mit einzubeziehen, ist Wertschätzung pur. Wertschätzung und Lob wiederum sind die wichtigsten Säulen der Motivation, ohne die kein Unternehmen funktioniert. So einfach (und so schwer) ist das!
Das Vorgehen in meinem Berater-Alltag besteht aus vier großen Schritten, die ich Ihnen hier vorstelle:
1.Analyse
Am Anfang einer jeden Beratung steht eine Kurzanalyse. Alle relevanten Daten des Ist-Zustands der verschiedenen Abteilungen werden gesammelt und ausgewertet. Die drei wichtigsten und notwendigsten Veränderungsprozesse werden ermittelt. Gespräche mit den Führungskräften und der Geschäftsleitung unterstützen den Prozess und fließen in diese qualifizierte Kurzanalyse ein, die auf verschiedene Punkte wie Stärken und Schwächen des Unternehmens über alle Bereiche hinweg eingeht. Die Mitarbeiterbefragung wird durchgeführt. Ziele werden definiert.
2.Konzepterstellung
Auf der Basis der Analyse wird das Konzept der Veränderung vorbereitet – gemeinsam mit der Geschäftsführung und einem erweiterten Führungskreis. Unerlässlich dabei sind eine klare Strategie und eine klar definierte Zielsetzung. Die Führungskräfte der verschiedenen Abteilungen stellen einen Maßnahmenplan auf, bestimmen die Verantwortlichen für die Umsetzung und legen verbindliche Termine fest.
3.Umsetzung
Gemeinsam mit den Führungskräften, den Mitarbeitern der Abteilungen und der Pflegedirektion werden die geplanten Maßnahmen direkt umgesetzt und auf ihre Wirkung hin überprüft.
Weil durch die Umsetzungsphase häufig Überstunden anfallen, begleite ich den Prozess mit, um einen langfristigem Erfolg zu sichern. (Den Mitarbeitern fehlt manchmal die Motivation, zusätzlich zu ihren normalen Dienstzeiten auch noch Überstunden machen zu müssen, um etwas Neues zu erarbeiten. Sie können sich aber aufgrund der Personalknappheit nicht vom Regeldienst freistellen lassen, um an Arbeitsgruppen teilzunehmen. Deswegen begleite ich diese Prozesse und versuche durch meine Anwesenheit eine zügige Umsetzung zu erzielen. Ich lenke die Umsetzungsphase und moderiere sie, damit die Mitarbeiter motiviert bleiben und gezielt und zügig an der Umsetzung arbeiten können.)
4.Nachhaltigkeitsphase
Nachdem die laufende Betreuung und Umsetzung der Maßnahmen gestartet ist, besuche ich in die Krankenhäuser zu regelmäßigen Beratungsgesprächen und Stationsüberprüfungen. Nur so führen die gemeinsam umgesetzten Maßnahmen zu Erreichung der Ziele und langfristig zum Erfolg.
Zurück zu meinem Kunden in Norddeutschland: Nachdem mir alle wichtigen Informationen vorliegen, vereinbare ich mit der Geschäftsführung einen Termin, bei dem die Abteilungsleitungen der betroffenen Stationen dabei sind. Es ist der ausdrückliche Wunsch der Klinikleitung, Gespräche und Coachings mit dem Personal durchzuführen. Sie...