Entgegen der verbreiteten Auffassung vom ‚Biedermeier’ als quietistischer Epoche, die auf die Erfahrung von Revolution und Restauration mit der Bevorzugung idyllischer Zustände und dem viel zitierten ‚Rückzug ins Private’ begegnet, kann zumindest die literarische ‚Zwischenphase’ (ca. 1825 – 1850) zwischen ‚Goethezeit’ und ‚Realismus’ als ausgesprochen bewegter, ja dynamischer Abschnitt der deutschen Literaturgeschichte gelten.
In dem Maße wie sich die biedermeierliche Selbstwahrnehmung der eigenen Gegenwart als epigonale ‚Übergangsphase’ zu manifestieren beginnt, in welcher die traditionellen Denkmodelle der Aufklärung und die normativen Erzählmodelle der ‚Goethezeit’ auf Kollisionskurs mit der ‚Realgeschichte’ geraten, beginnt sich auf narrativer Ebene ein Trend zur Abbildung transitiver Zustände des Wandels sowie der Ausdifferenzierung konkurrierender ideologischer Positionen abzuzeichnen. Die von den so genannten ‚Metatexten’ des Biedermeier beschriebenen Welten dienen dabei als Projektionsfläche dieser Auseinandersetzung mit der eigenen (geistes-)geschichtlichen Situation, indem die dargestellten Räume nicht selten zu Experimentierfeldern eines 'Nebeneinanders' reaktionärer, gemäßigter oder radikaler Ideologien und Wirklichkeitsentwürfe instrumentalisiert werden, die als Lösungsversuche zur Überwindung der als ‚Krise’ erfahrenen Gegenwart angeboten werden.
Vor diesem Hintergrund der Regularitäten des ‚Literatursystems Biedermeier’ untersucht Christoph Hendel in seiner Dissertation die Erzähltexte des Österreich-stämmigen Autors Charles Sealsfield (Karl Postl), deren komplexe Ideographie im Kontext sich transformierender goethezeitlicher Denkmodelle sowie epochenspezifischer geistes- und sozialgeschichtlicher Einflüsse des europäischen und des nordamerikanischen Kulturraumes erörtert wird. Im Fokus stehen dabei die Konstrukte zeitgenössischer Wert- und Normensysteme, Anthropologien, Sozial- und Geschichtsphilosophien sowie die Frage, wie bei Sealsfield – um mit Roland Barthes zu sprechen – diese ‚Ideen zur Form’ oder gar zur ‚Ideologie’ werden.
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